17. Mai 2017 Diskussion/Vortrag Kritik der Politik als Politikwissenschaft? Zur materialistischen Staatstheorie von Johannes Agnoli

Information

Veranstaltungsort

Uni Leipzig, Hörsaalgebäude
Hörsaal 8
Universitätsstraße 3
04109 Leipzig

Zeit

17.05.2017, 19:00 - 21:00 Uhr

Themenbereiche

Gesellschaftstheorie

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Mit Jan Schlemermeyer (Politikwissenschaftler)
Im Gegensatz zu den breit rezipierten, hegemonietheoretischen Überlegungen im Anschluss an Nicos Poulantzas scheint Johannes Agnolis Ansatz einer »Kritik der Politik« ungeeignet für eine Analyse der aktuellen Transformationsprozesse demokratischer Staatlichkeit und ihrer Krisen zu sein. Ein Grund dafür liegt vermutlich darin, dass er lediglich mit der Staatsableitungsdebatte der 1970er Jahre und deren Strukturfunktionalismus in Verbindung gebracht wird. Gleichwohl lassen sich seine Überlegungen für eine materialistische Staatstheorie nutzbar machen, die über einen eindimensionalen politischen Fokus hinausgeht und die ökonomische Bedingtheit staatlicher Aktivitäten ernst nimmt. Eine solche Theorie weist den Gegensatz von anonymem Strukturalismus und akteurszentrierter Handlungstheorie zurück. Stattdessen versucht sie eine materialistische Reformulierung grundlegender Mechanismen der kapitalistischen Gesellschaft und ihrer politischen Regulierungsformen. Die kapitalistische Gesellschaft ist demnach entlang des immer zugleich politischen und ökonomischen Gesamtprozesses ihrer Reproduktion zu analysieren. Im Vortrag soll in diesem Sinne auf der Grundlage wertkritischer Überlegungen ein Konzept der Transformation demokratischer Staatlichkeit skizziert werden.
Jan Schlemermeyer ist Politikwissenschaftler, lebt in Berlin und Frankfurt und ist in verschiedenen sozialen Bewegungen aktiv. Er ist Mitautor eines Bandes zu Geschichte und Organisierung der Antifa (theorie.org) und veröffentlicht u.a. in PROKLA, Jungle World, Prager Frühling, Neues Deutschland und Luxemburg.

Zur REIHE:
Das Politische hat gegenwärtig Konjunktur, nicht nur in Politikwissenschaft und Politischer Theorie. Jüngst konstatierte DIE ZEIT (13/2017) eine »Rückkehr des Politischen«, worunter sie den Hype um Martin Schulz, spontane Demonstrationen, Wahlkampf an der Haustür und die Wiederentdeckung der Parteien durch die Jugend verstand. Entgegen diesem Alltagsverständnis wird unter »dem Politischen« in den Sozial- und Gesellschaftswissenschaften etwas verstanden, das unterschieden ist von der alltäglichen, empirisch wahrnehmbaren (Partei-)Politik. »Das Politische« wird dort – häufig im Anschluss an die Theorien Carl Schmitts oder Hannah Arendts – als Teil einer Sozialontologie aufgefasst, die eine universelle Erfassung und Deutung der gesellschaftlichen Ordnung anstrebt. Auffällig bei der neueren Renaissance »des Politischen« seit den 1990er Jahren ist, dass es sich zumeist um post- oder neomarxistische AutorInnen handelt, die einem ökonomischen Reduktionismus des »orthodoxen Marxismus« eine dezidiert politische Theorie des Sozialen entgegensetzen. Die Wieder- und Neuentdeckung der Theorien des Politischen wurde von Anfang an aber auch von kritischen, zum Teil sogar fundamental ablehnenden Positionen begleitet. Häufig beziehen diese ihre Argumente aus einer kritischen Neulektüre der Schriften von Karl Marx, die die post- oder neomarxistische Interpretation seiner Theorie als ökonomistisch und unpolitisch als Verkürzung ausweist.

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