24. Januar 2018 Film Pre-Crime: Wir wissen, Du wirst ein Verbrechen begehen... Du weißt es nur noch nicht. (Filmaufführung mit Gespräch)

Information

Veranstaltungsort

Kino Movieland
Friedrichstr. 53
15537 Erkner

Zeit

24.01.2018, 19:00 - 21:00 Uhr

Themenbereiche

Partizipation / Bürgerrechte, Digitaler Wandel

Zugeordnete Dateien

Aufführung des Dokumentarfilms Pre-Crime (D 2017, Regie: Matthias Heeder, Monika Hielscher) über die Gefahren digitaler Techniken zur Verbrechensprävention mit anschließendem Gespräch mit dem Regisseur Matthias Heeder und Dr. Volkmar Schöneburg, MdL 

in Kooperation mit Dr. Volkmar Schöneburg, MdL

 

Zum Thema ist am 10. Januar 2018 auch ein Interview mit Dr. Volkmar Schöneburg, MdL, in Kümmels Anzeiger erschienen (Ausgabe 1, Jg. 29, S. 11):

Wir wissen, Du wirst ein Verbrechen begehen. Du weißt es nur noch nicht. Willkommen in Deinem „Minority Report“

Worum geht es im Film Pre-Crime?

Im Grunde kann man sagen, dass dieser Film der Frage nachgeht, inwieweit der US-amerikanische Science-Fiction-Thriller 'Minority Report' aus dem Jahr 2002 schon Wirklichkeit geworden ist. Während in 'Minority Report' von Regisseur Steven Spielberg sogenannte Precogs, genetisch veränderte Menschen, die Gedanken der Gesellschaft überwachen und damit Morde vorhersehen, sind es im Film 'Pre-Crime' Algorithmen und Big Data, die Prognosen über menschliches Verhalten möglich machen sollen. Konkret geht es in 'Pre-Crime' darum, wie wahrscheinlich es aufgrund der Auswertung verschiedener Daten ist, dass eine Person ein Verbrechen begeht.

Was sind das für Daten und woher stammen sie?

Das können zum Beispiel verschiedene Seiten sein, die wir im Internet anklicken oder Inhalte, die wir auf Sozialen Netzwerken wie Facebook teilen. Aber auch Routen, die wir mit dem Auto fahren oder ganz klassisch Videokamera-Auswertungen an zentralen Orten. Die Regisseure Monika Hielscher und Matthias Heeder fuhren nach Chicago, London oder München, um herauszufinden, wie genau diese Daten miteinander verknüpft und ausgewertet werden. Mit Predictives Policing wird an Polizeicomputern entschieden, ob wir gefährlich sind. Big Data dient dabei als Quelle, die wir selbst kontinuierlich mit persönlichen Informationen befüllen.

Was halten Sie als ehemaliger Justizminister des Landes Brandenburg von der Vorverlagerung der Verbrechensbekämpfung?

Es läuft mir kalt den Rücken runter. Denn es ist erschreckend zu sehen, wie einst utopische Kontrollszenarien Wirklichkeit werden. Wenn es um die Vorhersage menschlichen Verhaltens in der Zukunft geht, können und dürfen wir uns nicht auf das Urteil von Computern und Algorithmen verlassen. Predictive Policing und algorithmusgestützte Polizeiarbeit enden nicht selten in Racial Profiling und damit fataler Ungerechtigkeit. Die gewonnenen Daten sind unvollständig, oftmals für mehrere Personen zutreffend und wenig aussagefähig. Das beleuchtet der Film auch sehr gut. Denn es kommen Opfer des Predictive Policing zu Wort, die berichten, wie sie von der Polizei kontrolliert werden, nur weil sie beispielsweise Freunde haben, die Opfer oder Täter eines Verbrechens wurden. Damit einher gehen Stigmatisierungs- und Ausgrenzungsprozesse, die die Betroffenen nicht selten erst in die Kriminalität treiben. Aber der Haupteinwand ist: Mit diesen Programmen werden zugleich die sozialen Ursachen der Kriminalität ausgeblendet.

Ist die Darstellung der Materie in dem Film gut widergegeben?

Die Regisseure des Dokumentarfilms gehen der brennenden Frage nach, wie viel Freiheit wir für vermeintliche Sicherheit aufgeben wollen und was wir dafür an Opfern in Kauf nehmen. Denkt man nämlich den Ansatz des Predictive Policing konsequent weiter, würden zukünftig Menschen, die keine Straftaten begangen haben, aber als gefährlich gelten, inhaftiert. Die Nazis haben so etwas übrigens praktiziert und nannten es vorbeugende Verbrechensbekämpfung. Wie wichtig das Thema in der Zukunft ist, zeigt auch, dass 'Pre-Crime' für den Schulunterricht und Schulkinovorstellungen empfohlen wurde. Die junge Generation ist mit dem Thema Verbrechensvorverlagerung und Big Data noch mehr konfrontiert. Der Film macht nachdenklich, hinterfragt und erklärt. Nur wenn wir verstehen, was mit den Spuren und Daten möglich ist, die wir im Internet hinterlassen, sind wir in der Lage, einen kritischen Umgang damit zu finden. Zudem müssen wir uns von der Vorstellung lösen, dass es jemals absolute Sicherheit vor Verbrechen geben wird. Und nach wie vor gilt: Die Kriminalität hat zuvorderst gesellschaftliche Ursachen. Deshalb ist die beste Kriminalpolitik immer noch Sozialpolitik. 

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