12. Februar 2020 Diskussion/Vortrag Umkämpfte Geschichte(n) - der Ruhrkampf und die Rote Ruhrarmee im Spiegel von 100 Jahren Erinnerungspolitik

mit Joana Seiffert. Aus der Reihe: 100 Jahre »Märzaufstand«

Information

Veranstaltungsort

Linksr(a)um!
Friedrich-Ebert-Straße 46
46535 Dinslaken

Zeit

12.02.2020, 18:30 - 21:00 Uhr

Themenbereiche

Deutsche / Europäische Geschichte, Erinnerungspolitik / Antifaschismus, Parteien- / Bewegungsgeschichte

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"Umkämpfte Geschichte(n) - der Ruhrkampf und die Rote Ruhrarmee im Spiegel von 100 Jahren Erinnerungspolitik"

Im Frühjahr 1920 rückte das Ruhrgebiet für einige Wochen in den Fokus der nationalen und internationalen Aufmerksamkeit. In Reaktion auf den so genannten Kapp-Putsch in Berlin hatten Arbeiter im Ruhrgebiet vielerorts zu „bewaffneter Selbsthilfe“ gegen die örtlichen, der Kollaboration mit den Putschisten verdächtigen Kräfte aus den Reihen von Reichswehr, Freikorps und Sicherheitspolizei gegriffen. War der Putschversuch nicht zuletzt infolge des Generalstreiks bereits nach vier Tagen in sich zusammengebrochen, setzten sich im Ruhrgebiet die bewaffneten Auseinandersetzungen fort.

Nach zunächst lokalen Erfolgen bewaffneter Arbeiter gegen örtliche Militärkräfte wuchs die so genannte „Rote Ruhrarmee“ binnen weniger Tage auf schätzungsweise bis zu 60.000 Mann – und Frau – heran. Vom Südosten bis zum nordwestlichen Rand des Reviers wurde das Militär vertrieben und brachten die bewaffneten Arbeiter eine Stadt nach der nächsten unter ihre Kontrolle. Aus Sicht der mittlerweile wieder eingesetzten sozialdemokratisch geführten Regierung schien sich mit der Roten Ruhrarmee nunmehr die gut gehegte Furcht vor einem „bolschewistischen“ Aufstand im Ruhrgebiet zu bewahrheiten. Schnellstmöglich sollten die Arbeiter die Waffen niederlegen! Letztlich wurde die Bewegung gewaltsam niedergerungen. Die Reichsregierung setzte hierzu abermals auf das Bündnis mit Reichswehr und Freikorps, obgleich diese kurz zuvor noch gegen sie geputscht hatten.

Nach dem Ende des bewaffneten Kampfes im Ruhrgebiet sollte der der Kampf um die Deutungshoheit über die Ereignisse vom Frühjahr 1920 erst beginnen. So entwickelten die unterschiedlichen politischen Lager rasch eigene Narrative und Erinnerungstraditionen zum Ruhrkampf, um diese zur ideologischen Rechtfertigung ihrer jeweiligen politischen Überzeugungen nutzbar zu machen. In besonderer Weise haben die Ereignisse von 1920 Legenden und Mythen hervorgebracht, sind zur Konstruktion von Helden- und Feindbildern herangezogen worden und haben nicht zuletzt den Blick auf das Ruhrgebiet nachhaltig geprägt.

Joana Seiffert nimmt diese vielschichtigen Deutungs- und Erinnerungsangebote zum Ruhrkampf und der Roten Ruhrarmee in den Blick. Exemplarisch werden verschiedene Ruhrkampfnarrative der letzten 100 Jahre sowie die damit verbundenen Aushandlungsprozesse skizziert, wiederkehrende Bilder und Muster herausgestellt und einer kritischen Betrachtung unterzogen, um schließlich gemeinsam mit dem Publikum der Frage nachzugehen, wie eine Zukunft der Ruhrkampferinnerung aussehen kann.

  • Joana Seiffert ist Historikerin und forscht in ihrem Promotionsprojekt zum Erinnerungsort Rote Ruhrarmee


Die Reihe:

100 Jahre »Märzaufstand«. Kapp-Putsch oder Zweite Revolution?

Eine Veranstaltungsreihe der Rosa-Luxemburtg-Stiftung NRW in Kooperation mit den Fraktionen DIE LINKE im Stadtrat Dinslaken und im Kreistag Wesel.

Im Frühjahr 1920 rettete die Arbeiterbewegung die parlamentarische Demokratie, die jene im Jahr zuvor überhaupt erst erstritten hatten. Der Kapp-Lüttwitz-Putsch am 13. März 1920 war ein nach 100 Stunden gescheiterter konterrevolutionärer Putschversuch gegen die nach der Novemberrevolution 1918 geschaffene parlamentarisch verfasste demokratische Republik von Weimar. Den Kreis der Verschwörer aus der Reichswehr um Wolfgang Kapp und Erich Ludendorff führte General Walther von Lüttwitz.

Ziel der Putschisten war die Beseitigung der Republik und die Errichtung einer Quasi-Militärdiktatur unter Führung von Wolfgang Kapp als Reichskanzler. Getragen wurde der Putsch von ehemaligen und aktiven Reichswehrsoldaten und Freikorpsangehörige insbesondere aus den Reihen der Marinebrigade Erhardt. Die mangelnde Unterstützung der Putschisten in der Reichswehr, besonders aber der von Gewerkschaften und SPD ausgerufene Generalstreik der Arbeiter*innen und Angestellten sowie die Weigerung weiter Teile der Ministerialbürokratie, der Putsch-Regierung zu folgen, führte zur Aufgabe der Umstürzler am 17. März.

Besonders stark war die Streikbewegung im Industrierevier zwischen Rhein und Ruhr. Zur Abwehr putschender Freikorps entwickelte sich aus regionalen Arbeiterwehren ab dem 15. März die Rote Ruhrarmee. Überall im Ruhrgebiet bildeten sich zudem politisch unterschiedlich positionierte Arbeiter – und Vollzugsräte, die (Selbst-)Verwaltungsaufgaben übernahmen. Nach der Niederschlagung des Kapp-Putsches erwuchs aus ihren Reihen der Versuch, die 1918/19 verhinderte soziale Revolution doch noch zu erkämpfen. Zur Niederschlagung der Roten Armee setze die wieder nach Berlin zurückgekehrte Reichsregierung auch Truppen ein, die sich zuvor am Putsch beteiligten.

Wie sind die Ereignisse von damals heute erinnerungspolitisch einzuordnen? Welche Bedeutung hat(te) die umkämpfte Erinnerung für die Sinnstiftung und Identitätsbildung in den verschiedenen Strömungen der Arbeiterbewegung? Von diesen und anderen Fragen wollen wir uns im Rahmen der Veranstaltungsreihe leiten lassen.

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