Nachricht | International / Transnational - Amerikas «Wir können die Welt verändern!»

Rundreise von AktivistInnen aus Chile stieß auf großes Interesse. Bericht und Dokumentation.

Sie waren auf Einladung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Deutschland. Auf einer Rundreise berichteten sie über den Kampf von SchülerInnen und Studierenden gegen Studiengebühren und für eine Reform des überwiegend privaten Bildungssystems, der im vergangenen Jahr Gewerkschaften, soziale Bewegungen und linke Parteien in Chile zusammenführte. Aus dem Protest gegen ein ungerechtes Bildungssystem entwickelte sich eine breite Debatte über den Widerspruch zwischen Neoliberalismus und Demokratie.

Zum Auftakt ihres Deutschlandaufenthalts lud die Stiftung zusammen mit der GEW am 27. Januar 2012 zu einer Pressekonferenz. Das Medieninteresse war groß. Zahlreiche Pressevertreter fanden den Weg in das Gebäude der Stiftung am Franz-Mehring-Platz in Berlin. Florian Weis begrüßte zu Beginn die Gäste aus Chile herzlich im Namen der Stiftung. 

Man habe sie nicht zuletzt deshalb eingeladen, um von ihnen zu erfahren, wie zersplitterte Proteste und unterschiedliche Protestbewegungen zusammengeführt werden können, so das geschäftsführende Vorstandsmitglied. Andreas Keller vom Hauptvorstand der GEW ergänzte: «Wir wollen mit Euch diskutieren, was wir von den Kämpfen in Chile lernen können, um zu verhindern, dass Schulen und Universitäten Profitinteressen unterworfen werden.»

«Den Trend zur Privatisierung, mit Grundrechten wie dem auf Bildung Geld zu verdienen, gibt es auch in Europa», nahm Camila Vallejo den Faden auf. Mit bis zu 1.500 Euro monatlicher Gebühren sei Chile einer der teuersten Studienorte überhaupt. 50 Prozent der chilenischen Haushalte haben monatlich unter 500 Euro zur Verfügung, ergänzte Jorge Murúa. Vor diesem Hintergrund sei es nicht überraschend, dass sich die Protestbewegung auf andere Teile der Gesellschaft ausgeweitet habe, so das Mitglied im Vorstand des Gewerkschaftsverbands CUT.

Seit April 2011 protestieren in Chile SchülerInnen und StudentInnen für ein sozial gerechtes Bildungssystem. Im vergangenen Semester besetzten sie etwa 600 Universitäten und Schulen, mit zahllosen Aktionen und Großdemonstrationen bestimmten sie die politische Agenda des Landes. Gemeinsam mit den Aufständen in den arabischen Ländern, den Indignados in Spanien und der Occupy-Bewegung in den USA reiht die Studierendenbewegung in Chile sich ein in die großen Protestbewegungen des Jahres 2011.

Dabei blieb die Protestbewegung keine Angelegenheit der Studierenden. Nicht nur Lehrkräfte und HochschulmitarbeiterInnen unterstützen den Bildungsstreik, auch der größte Gewerkschaftsverband des Landes, die Central Unitaria de Trabajadores de Chile (CUT), soziale Bewegungen und zivilgesellschaftliche Gruppen entwickelten die Proteste zu einer breiten kritischen Diskussion über die grundlegende Ausrichtung der Gesellschaft. Der CUT unterstützte die Proteste mit mehreren Generalstreiks.

Die Gäste:

Camila Vallejo (23) ist Vize-Präsidentin der Studentenvereinigung der Universität von Chile (FeCh). Sie studiert seit 2006 Geographie. Von November 2010 bis Dezember 2011 war sie Präsidentin der Federación de Estudiantes de la Universidad de Chile und Sprecherin der Confederación de Estudiantes de Chile (Confech - Verband der Studierenden der traditionellen Universitäten Chiles). Aufgrund ihrer Rolle während der Studentenproteste 2011 wählten die LeserInnen der britischen Tageszeitung The Guardian Camila Vallejo zur «Person des Jahres 2011». Im Januar 2012 erscheint in Chile ihr Buch «Podemos cambiar el mundo» («Wir können die Welt verändern»).

Karol Cariola (24) studiert seit 2005 Geburtshilfe an der Universidad de Concepción. In den Jahren 2009 und 2010 war sie Präsidentin der Federación de Estudiantes de la Universidad de Concepción. Seit November 2011 ist Karol Cariola Generalsekretärin der Juventudes Comunistas de Chile (Kommunistischen Jugend).

Jorge Murúa (35) ist Mitglied der Leitung der Metallarbeitergewerkschaft Confederación Nacional de Trabajadores Metalúrgicos (CONSTRAMET) sowie Mitglied in der Leitung des Gewerkschaftsdachverbandes Central Unitaria de Trabajadores de Chile (CUT).

«Wir wollen unsere Erfahrungen teilen und eine breite gesellschaftliche Debatte anstoßen», bekräftigte Camila Vallejo. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass die Proteste gegen den Neoliberalismus auch anderswo Schule machen: «Wir wollen zeigen, dass es sich lohnt, etwas dagegen zu tun.»

Beitrag von Camila Vallejo auf dem internationalen Kongress UNGEHORSAM! DISOBEDIENCE! in Dresden am 28.1.:

Videodokumentation der Veranstaltung in der Humboldt-Universität Berlin am 8.2.:

In einem Interview zu Beginn ihrer Rundreise mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Gewerkschaft GEW erläutern Camila Vallejo, Karol Cariola und Jorge Murúa die aktuelle gesellschaftliche Situation in Chile und ihre Gründe, nach Europa zu kommen:


Vollständige Übersetzung in deutsch

Alle Videoclips der Rundreise: www.youtube.com/rosaluxstiftung

Fotostream zur Rundreise: http://www.flickr.com/photos/rosalux/sets/72157629154891179/

Die Presse (online):

Die Rundreise: