Nachricht | Rosa Luxemburg - Deutsche / Europäische Geschichte - Osteuropa - Rosa-Luxemburg-Stiftung Einzige Rosa-Luxemburg-Gedenktafel in Polen ist an ihren Platz zurückgekehrt

Ein Kampf zwischen Erinnerung und Entkommunisierung

Information

In Poznań wurde nach der Renovierung des Mietshauses in der Ulica Augustyna Szamarzewskiego 21 im Stadtteil Jeżyce, der Wohnadresse Rosa Luxemburgs im Mai 1903, die Gedenktafel wieder angebracht. Damit gibt es wieder zumindest eine Gedenktafel in Polen, die an Rosa Luxemburg erinnert.

«Ich bin sicher angekommen. […]. Ich habe bereits ein Zimmer: sehr schön und in guter Lage. Meine Adresse: Kaiser-Wilhelm-Straße 21, bei Wunsch», schrieb Rosa Luxemburg am Tag ihrer Ankunft aus Berlin in Poznań am 8. Mai an ihren Lebensgefährten Leo Jogiches. In einem weiteren Brief fügte sie hinzu: «Ich habe hier ein schönes Zimmer mit Balkon, in einer ruhigen Straße.»

In den Beständen des Staatsarchivs in Poznań befindet sich eine Meldekarte, die den Aufenthalt und die Wohnadresse von Rosa Luxemburg in Poznań bestätigt. Das Datum der Registrierung in Poznań ist der 8. Mai 1903 und auch der Name des Vermieters wird bestätigt. Antoni Wunsch war damals 63 Jahre alt. Er war Pole, betrieb ein Geschäft für Spielzeug und Feuerwerk und arbeitete als Pyrotechniker am Polnischen Theater in Poznań (Teatr Polski w Poznaniu), das – entgegen der Germanisierungspolitik der deutschen Besatzer – Theaterstücke in polnischer Sprache aufführte.

Während ihres weniger als dreiwöchigen Aufenthalts in Poznań redigierte Rosa Luxemburg die Ausgaben der in polnischer Sprache erscheinenden und von der SPD finanzierten «Gazeta Ludowa» (dt. «Volkszeitung»), betreute die Neuauflage der polnischen Ausgabe von Wilhelm Liebknechts Broschüre «Die Fliegen und die Spinnen», organisierte den illegalen Transport polnisch-sprachiger sozialistischer Literatur in die von Russland besetzen Gebiete Polens und nahm an den Versammlungen der lokalen SPD-Parteigliederungen sowie an Versammlungen von Arbeiterinnen und Arbeitern teil.

Der Kampf um eine Gedenktafel – Vorboten der Entkommunisierung

Am 31. April 1966 wurde im Rahmen der Feierlichkeiten zum 1. Mai und dem 63. Jahrestages des Aufenthaltes Luxemburgs in der Stadt an der Fassade des Gebäudes in der Ulica Szamarzewskiego 21 eine Gedenktafel enthüllt. Sie trug die Aufschrift «Rosa Luxemburg lebte im Mai 1903 in diesem Haus». Nach dem politischen Systemwechsel 1990/1991 wurde das Museum zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Poznań geschlossen und das Unabhängigkeitsmuseum Großpolens gegründet. Rosa Luxemburg verlor, wie alle anderen mit der revolutionären Arbeiterbewegung verbundenen Persönlichkeiten, die Anerkennung, die sie während der Zeit der Volksrepublik Polen genoss. Die Gedenktafel am besagten Mietshaus blieb indes erhalten, obwohl rechte Stadträte von Poznań immer wieder ihre Entfernung forderten und erklärten, dass Rosa Luxemburg eine Gegnerin der polnischen Unabhängigkeit gewesen sei.

Im Februar 2013 schließlich wurde die Gedenktafel von Rosa Luxemburg mit weißer Farbe übermalt. Zwei Jahre später organisierten Mitglieder eines rechten Vereins mit Unterstützung von Stadträten der Partei «Recht und Gerechtigkeit» (Prawo i Sprawiedliwość, PiS) eine Kundgebung vor dem Haus. Sie bezeichneten die Gedenktafel als ein Relikt «des verbrecherischen kommunistischen Systems», das aus dem öffentlichen Raum verschwinden müsse. Sie legten schwarze Rosen unter der Gedenktafel ab – als ein Symbol des Vergessens. Sie deckten die Tafel mit einer Pappe ab, auf der Rosa Luxemburgs Haltung zur Unabhängigkeit Polens angegriffen wurde.

Diese Aktion wurde weder von den Mietern des Hauses noch von dessen Eigentümer, einer städtischen Wohnungsgesellschaft, unterstützt. Die Gedenktafel wurde von linken Aktivist*innen, Pazifist*innen und Feminist*innen verteidigt, die auf Rosa Luxemburgs Verdienste im Kampf für soziale Gleichheit, Frieden und Frauenrechte hinwiesen. Sie legten unter der Gedenktafel Blumen nieder; 2017 schmückten Feminist*innen aus Poznań sie mit einer Blumengirlande aus roten Rosen.

Entkommunisierung: Reaktionäre Bereinigung der polnischen Geschichte

In den Jahren 2016 und 2017 verabschiedete der Sejm, das polnische Parlament, drei Gesetze, die die Verbreitung des Kommunismus verbieten sollten. Demnach mussten Namen von Straßen, Plätzen, Parks, öffentlichen Einrichtungen sowie Denkmäler und Gedenktafeln zur Erinnerung an Persönlichkeiten, die «den Kommunismus fördern», aus dem öffentlichen Raum verschwinden.

Rosa Luxemburg war unter ihnen. Infolge der Entkommunisierung blieb in Polen nur noch eine Róża-Luksemburg-Straße übrig, in Gliwice. Und als Rosa Luxemburgs Gedenktafel in ihrer Geburtsstadt Zamość im März 2018 entfernt wurde, blieb nur noch eine einzige Gedenktafel in Polen übrig: nämlich die in Poznań, in der Ulica Szamarzewskiego, wo sie der Bezirksrat von Jeżyce verteidigte.

Mit Verweis auf die Entkommunisierungsgesetze forderten rechte Abgeordnete des Sejm während der Regierungszeit der PiS sogar die Auflösung des Warschauer Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Untersuchungen von Polizei und Staatsanwaltschaft, ob die Stiftung ein totalitäres System fördere, ergaben jedoch keine Anhaltspunkte für eine Schließung. Das Büro besteht bis heute.

Unabhängigkeit der Geschichtswissenschaft wiederherstellen

Die im Jahr 2021 begonnene Sanierung des einsturzgefährdeten Gebäudes trug dazu bei, die Gedenktafel vor einer Entkommunisierung zu bewahren. Zwar wurde die Gedenktafel entfernt, doch die Befürchtungen, dass sie nicht an ihren Platz zurückkehren würde, bestätigten sich nicht.

Nicht nur ein historisches Mietshaus wurde vor dem Einsturz gerettet, sondern auch die Erinnerung an Rosa Luxemburgs Verbindungen zu Poznań. Diese Gedenktafel ist ein kleines Zeichen der Hoffnung, dass eines Tages ihr Name auch auf einer Gedenktafel an ihrem Geburtshaus in Zamość, auf den Schildern von Straßen und Plätzen wiederkehren wird, ebenso wie die Namen anderer Personen, die für die Freiheit und die soziale Gleichheit der Arbeiterinnen und Arbeiter gekämpft haben. Nicht nur die öffentlichen Medien, das Erziehungssystem und die Justiz müssen «entpolitisiert» werden, wie die neue polnische Regierung die Rücknahme der reaktionären Manipulationen ihrer Vorgängerin nennt, sondern auch die Geschichtswissenschaft und der öffentliche Raum. Doch die unter der PiS-Regierung verabschiedeten Dekommunisierungsgesetze bilden weiterhin gültiges polnisches Recht.