Nachricht | Brasilien / Paraguay - Klimagerechtigkeit Energiewende ja, aber gerecht!

Herausforderungen und Perspektiven aus Lateinamerika

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Autor

Lucas Reinehr,

Vom 10. – 17. November 2023 fand im brasilianischen Fortaleza eine regionale Klimakonferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung statt. Ein Bericht über unsere Arbeit vor Ort.

Ein grundsätzlicher Wechsel der globalen Energiequellen ist ein entscheidender Schritt im Kampf gegen den Klimawandel. Dennoch stellt sich die Frage: Welche Art von Energiewende streben wir an? Rund um das politische Projekt der Energiewende existieren zahlreiche Widersprüche, die in der öffentlichen Debatte sowohl im Globalen Norden als auch im Süden oft übersehen werden. In der Rosa-Luxemburg-Stiftung wollen wir diese Widersprüche mit unserem Klimaprogramm ans Licht bringen und den Dialog mit sozialen Bewegungen und Gemeinschaften im Globalen Süden intensivieren.

Während unserer regionalen Klimakonferenz, die vom 10. bis 17. November 2023 in Fortaleza, im Nordosten Brasiliens, stattfand, haben wir uns intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Die Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern und der Besuch verschiedener sozial-ökologischer Projekte ermöglichten uns einen intensiven Austausch mit den kritischen Positionen der lokalen Bevölkerungen, die von den Folgen der globalen und lokalen Klimapolitik direkt betroffen sind.

In unserem Dossier Klimagerechtigkeit beleuchten wir weltweit die Folgen des Klimawandels für Mensch und Umwelt und den Einsatz lokaler Initiativen für eine gerechtere Energiewende.

Wir benötigen eine Energiewende – aber eine gerechte und demokratische. Stattdessen werden in Lateinamerika aktuell Megaprojekte umgesetzt und geplant, die aus der vermeintlichen «grünen Energie» Profit schlagen wollen. In diesem Prozess werden die lokale Bevölkerung und traditionelle Gemeinschaften verdrängt, Ökosysteme zerstört, in dirketer Folge weitere Umweltprobleme ausgelöst und so die Ungleichheit innerhalb der Länder und zwischen Nord und Süd weiter verstärkt.

Laut Soraya Tubinambá, Ökoaktivistin und Assistentin des Instituto Terramar – einem unserer Kooperationspartner im Büro Brasilien-Paraguay – handeln diese unternehmerisch agierenden Megaprojekte zur Windenergie an der brasilianischen Küste nicht im Sinne einer Energietransition, sondern vielmehr als reine Transaktion, um den größtmöglichen Profit zu erzielen.

Das Instituto Terramar wurde 1993 gegründet; es engagiert sich insbesondere in der Bildung und der gesellschaftlichen Organisation von unten sowie in lokalen kollektiven Praktiken, die sich für die Stärkung traditioneller Küstengebiete und den Schutz der Meeres-Küsten-Ökosysteme einsetzen. Ein zentrales Ziel des Instituts ist die Verteidigung der Rechte auf eine gesunde Umwelt, auf Territorium, kulturelle Vielfalt, Arbeit und politische Betätigung.

Durch den Austausch mit den Aktivist*innen vor Ort intensivierten wir den Dialog über die Herausforderungen einer gerechten Energiewende, die Rolle des Globalen Nordens bei der Reproduktion historischer Ungleichheiten und die Bedeutung der Stärkung basisdemokratischer Initiativen, deren Stimmen in diesem Prozess gehört werden müssen. Darüber hinaus hatte das RLS-Team die Gelegenheit, sich mit zwei wichtigen politischen Akteur*innen auszutauschen: der Associação Quilombola do Cumbe in der Stadt Aracati und dem Centro Comunitário da Prainha do Canto Verde in Beberibe.

Diese beiden Vereine organisieren Bewohner*innen der nordöstlichen Küste in Ceará, die von traditioneller Fischerei leben. Sie wehren sich dagegen, dass bei der Durchführung ‚grüner‘ Megaprojekte die Zerstörung ihrer Lebensweise und Umwelt mutwillig in Kauf genommen wird, während sie von Entscheidungsprozessen ausgeschlossen sind. Eine Form des Umweltrassismus, gegen den sich die Gemeinden organisieren, auch wenn sie bereits von den Auswirkungen der Installation von Windkraftanlagen betroffen sind.

Unsere Aufgabe nach der Konferenz besteht darin, die kritische Debatte über die unternehmerische Energiewende zu intensivieren und diese sogenannten «Opferzonen» sichtbar zu machen. Es darf keine Energiewende ohne die Stimmen des Globalen Südens geben. Es darf keine strukturelle Veränderung geben, die sich ausschließlich auf gewinnträchtige Aspekte konzentriert und dabei andere notwendige Veränderungen außer Acht lässt – wie die Abschaffung von Umweltrassismus, Sexismus, kolonialen Strukturen und historischen Ungleichheiten.

Darüber, wie die Energiewende im Globalen Süden gerecht gestaltet werden kann, diskutieren wir auch auf unserer Veranstaltung am 29.2.2024 mit Lucio Cuenca Berger vom lateinamerikanischen Zentrum für Umweltkonflikte aus Chile (OLCA).