Documentation Multitude. Diskussion mit Michael Hardt

Zum Erscheinen der deutschen Ausgabe des Empire-Folgebandes 'Multitude' veranstaltet die RLS eine Diskussionsreihe mit Michael Hardt. Stationen: Frankfurt (9.12.), Hannover (11.12.) und Berlin (13.12.)

Information

Date

13.12.2004

Themes

Ungleichheit / Soziale Kämpfe

Empire & Multitude

Seit 2000/1 gibt es eine breite Debatte um das Empire des postmodernen Globalkapitalismus, angestoßen durch die Publikation des Buches "Empire" von Michael Hardt und Antonio Negri im Frühjahr 2000. Empire ist ein Versuch, die politische Form des globalisierten Kapitalismus in einem Begriff zu fassen und eine entsprechenden theoretischen Hintergrund zu entwickeln. Unter anderem Vorzeichen entwickelt sich schon seit Anfang der 90er Jahre nicht nur unter  neokonservativen und strategischen Intellektuellen wie Politikern der USA eine Debatte um das American Empire - ein anderes Modell für die Zukunft des Planeten. Hier geht es um ein neuimperiales Projekt der politischen Ordnung der Welt. Und für viele ist damit eine neue, die dritte große Imperialismusdebatte entstanden, die von der Linken weltweit mit wachsendem Eifer geführt wird.

Die RLS, ihre Landesstiftungen und die RLS-Clubs haben diese Debatte im Rahmen ihrer Beschäftigung mit der aktuellen Kapitalismustheorie unterstützt und sich selbst daran beteiligt - mit einer Seminarreihe („So what is imperialism, really?“) u.a. mit Greg Albo und John Holloway in Berlin, mit Einzelveranstaltungen in Wuppertal, Stade, Frankfurt, Berlin, Porto Alegre, London, Paris, Mumbai und Florenz – und natürlich in zahlreichen Orten der Bundesrepublik. Parallel wurde und wird ein Netzarchiv aufgebaut (http://www.rosalux.de/cms/index.php?links_empire).

Ein wichtiges Element dieser Aktivität war die Organisation einer Rundreise von Michael Hardt (Duke University, North Carolina) vom 9.-14. Dezember 2004 aus Anlaß der Publikation des von ihm und Antonio Negri verfassten Buches „Multitude“. Auf Anregung des RL-Forum Hessen führten die RLS-Landesstiftungen in Hessen, Niedersachsen und Berlin sowie die RLS in Frankfurt, Hannover, und Berlin eine ganze Reihe von Vorlesungen, Debatten und workshops durch, an denen rund 400 Interessierte teilnahmen und auch Einzelbeiträge vorgestellt wurden (u.a. von Rainer Fischbach, Christoph Lieber und Markus Grätsch. Großartige Übersetzngsarbeit gab es von Thomas Atzert und Lars Stubbe. Akzente aus dieser Debatte werden im Frühjahr u.a. in UtopieKreativ und voraussichtlich „Initial“ sowie als Videomitschnitt dokumentiert werden. Auf dem WSF 2005 in Porto Alegre wird in einem Seminar u.a. mit John Holloway, Uli Brand und Michael Hardt auch die kritische Auseinandersetzung mit dem Konzept der „Multitude“ fortgsetzt werden. Eine erste Übersicht hierzu ist in einer ausführlichen Besprechung vor kurzem publiziert worden: Rainer Rilling, Multitude. Zehn Zettel zum Buch  (http://www.rosalux.de/cms/index.php?id=4875).

(Rainer Rilling / Florian Weis)

Multitude - Krieg und Demokratie im Empire

Nach der Analyse des Empire legen Antonio Negri und Michael Hardt nun das Bild seines Gegenspielers – der globalen Multitude vor. Stärker noch als der Vorgänger polarisiert das neue Buch, erschienen im Campus Verlag Frankfurt, zwischen emphatischen Befürwortung und Totalablehnung. Die einen entdecken darin Elemente einer greifbaren Alternative zum Neoliberalismus, die anderen nur eine religiös-spekulative Heilslehre. Differenzierte Kritik hat es schwer.

Stark vereinfachend weist die Globalisierung zwei Gesichter auf. Auf der einen Seite umspannt das Empire mit seinen Netzwerken von Hierarchien und Spaltungen den Globus; sie erlauben es, die Ordnung mittels neuer Mechanismen der Kontrolle und mittels des permanenten Konflikts aufrechtzuerhalten. Andererseits bedeutet Globalisierung, dass neue Verbindungen des Zusammenwirkens und der Zusammenarbeit entstehen, die sich über Länder und Kontinente hinweg erstrecken und auf zahllosen Interaktionen fußen. Dieses zweite Gesicht der Globalisierung bedeutet nicht die weltweite Angleichung; es bietet vielmehr die Möglichkeit, Besonderheiten zu wahren und das Gemeinsame zu entdecken. Die Multitude kann als offenes und breit angelegtes Netzwerk betrachtet werden. Multitude ist ein offenes und inkludierendes Konzept. Es versucht die erfolgten Verschiebungen in der Weltwirtschaft in ihrer ganzen Tragweite zu erfassen: Produktion ist keine rein ökonomische Angelegenheit, sondern muss allgemeiner als gesellschaftliche Produktion begriffen werden, heutzutage also als die Produktion nicht nur materieller Güter, sondern ebenso als die Produktion von Kommunikation, von Beziehungen und Lebensformen. Das Gemeinsame, das Kommune, wird dabei weniger entdeckt als vielmehr produziert. Der Blick auf die Genealogie des Widerstands, des Aufruhrs und der Revolution in der Moderne, verdeutlicht dabei eine Tendenz, Autorität durch kooperative Beziehungen abzulösen, im Widerstand und in revolutionären Organisationen nicht nur Mittel im Ringen um eine demokratische Gesellschaft zu sehen, sondern vielmehr in den Organisationsstrukturen selbst demokratische Verhältnisse zu schaffen.

Dabei meint der Begriff der Multitude nicht das ganz andere zum Empire, sondern ist widerstrebender Teil des Empire, in sich fragmentiert. Das Empire selbst, so nannte es Negri einmal, ist Multitude im Zustand der Korruption. Im Gegensatz zur Multitude ist das Empire hoch organisiert, lebt von seinen vielfältigen Formen der Inklusion und Exklusion von Wünschen, Bedürfnissen und Vorstellungen, zusammengehalten vom Zement aus Macht und Repression. Wie ist vor dem Hintergrund der Kritik am Empire-Konzept die gegenwärtige Konstellation von imperialer Macht und Krieg zu begreifen? Wie ist die Einheit und Diversität der Multitude angesichts innerer Widersprüche zu denken? Ist sie das neue revolutionäre Subjekt oder doch mehr eine Potenz oder Versprechen als schon entwickelte Form? Und wie lässt sich solch ein Versprechen realisieren, das Fragmentierte politisch zusammenführen in einem neuen demokratischen Projekt?

Diskussionsreihe mit Michael Hardt:

Frankfurt/Main, Donnerstag, 9. Dezember, 20.00 Uhr J.- W.-G.-Universität Frankfurt am Main

Festsaal im Kasino, Universität (ehem. I.-G.-Farbenhaus)

Grüneburg-Platz 1 (Westend, nähe Grüneburgpark)

60487 Frankfurt am Main

Näheres beim der Rosa Luxemburg-Forum Hessen,

Jörg Prelle, info@rlf-hessen.de, 069/68 60 86 24

Hannover, Sonnabend, 11. Dezember, 19.00 Uhr, Universität,

Conti-Campus, Gebäude VII, Raum 002, Königsworther Platz 1

Rosa Luxemburg-Bildungswerk Niedersachsen,

Näheres bei Ulrich Wolf, druwolf@aol.com, 0511/44 28 80

Berlin, Montag, 13. Dezember, 19.00 Uhr, Rosa Luxemburg Stiftung und Helle Panke,

RLS, Konferenzraum, 1.Etg. Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin.

Näheres bei Rainer Rilling, rilling@rosalux.de, 030/44 310 129

TeilnehmerInnebeitrag: 1,50 €

Zusätzlich findet in Berlin am Dienstag, 14. Dezember 2004 von 13 bis 17.30 Uhr ein Workshop zu "Multitude" mit Michael Hardt statt. RLS, Raum 445, nur nach vorheriger Anmeldung bei Rainer Rilling (rilling@rosalux.de).