Documentation Empowerment? - Feministische Debatte und neoliberale Globalisierung

Die Diskussion ist der Auftakt der Veranstaltungsreihe »Frauen und Entwicklung 2006 – eine globale Perspektive«, zu der 2006 fünf Veranstaltungen stattfinden werden.

Information

Date

09.03.2006

With

Monika Knoche, MdB; Silke Veth, RLS; n.n. feministattac; Musik von Venusbrass

Themes

Globalisierung, Jugendbildung

Am 9.März fand in Berlin die Auftaktveranstaltung der Veranstaltungsreihe „Frauen und Entwicklung – eine globale Perspektive“ statt. Mit der Konzeption der Reihe verfolgen die Initiatorinnen eine Doppelstrategie: Zum einen soll aus verschiedenen Perspektiven und anhand diverser thematischer Bezüge der Wandel der Lebenslagen von Frauen im Zuge der neoliberalen Globalisierung reflektiert werden. Zum anderen wird die Veranstaltungsreihe als Institution verstanden, der Raum zur Diskussion und Vernetzung eröffnen und zum praktischen politischen Handeln ermutigen soll.
Also waren politisch Interessierte eingeladen, mit Monika Knoche (MdB), Silke Veth (RLS) und Ellen Diederich (feminist attac) – die jeweils durch kurze Inputs die Diskussion strukturierten - über das Thema „Empowerment? Feministische Debatte und neoliberale Globalisierung“ zu diskutieren.

Für einen mehr als schwungvollen Einstieg in die Veranstaltung sorgte das Hot-Jazz-Quartett Venusbrass. Mit insgesamt vier Stücken aus ihrem Repertoire illustrierten die vier musikalisch hochbegabten Frauen, was sie unter „explosiver Damenpower“ verstehen.

Der einleitende Input von Silke Veth widmete sich der Wechselwirkung von feministischen Diskussionszusammenhängen und Neoliberalisierung. Ihrer Einschätzung zu Folge war es nicht zuletzt das weitgehende Ausblenden ökonomischer Fragestellungen aus der deutschen feministischen Debatte der Nachwendezeit, die die Hegemonie des Neoliberalismus in der politischen Diskussion und Praxis beförderte. Die Dominanz der Ideologie des freien Marktes seit Ende des Kalten Krieges entzog wiederum den Feministinnen,  die die Lebens- und Arbeitsbedingungen thematisierten vollends den Boden unter den Füßen. Um nicht der Dialektik von Ausgrenzung und Selbstausgrenzung zu erliegen, so die Bildungsreferentin der RLS und Soziologin in ihrem Fazit, müsse der Feminismus zum einen seinen Aktionsrahmen erweitern, da Neoliberalisierung ein grenzüberschreitender Prozess ist. Zum anderen müssen vom neoliberalen Vokabular absorbierte Begriffe wie Autonomie, Empowerment etc. in der feministischen Debatte gesellschafts- und ökonomiekritisch gewendet werden, um linke emanzipatorische Politik wieder besser vermitteln zu können.

Monika Knoche ging in ihrem Beitrag der Frage nach, warum gerade unter sozialdemokratischen Regierungen in Europa neoliberale Reformpolitik - die zu einem geschlechterpolitischen Rollback führte – durchgesetzt wurde. Aus eigener politischer Erfahrung berichtend, sieht sie die Gründe vor allem in der mangelnden historischen Verwurzelung von Frauenpolitik in der Sozialdemokratie. Darüber hinaus stellt sie fest, dass Politikerinnen meist ihren feministischen Anspruch verlieren, sobald sie im politischen Establishment angekommen sind. So beispielsweise die Grünen, die in den 1980er Jahren Teile der neuen Frauenbewegung absorbierten und feministische Forderungen mehr als einmal der Parteiräson unterordneten. Es gibt eine starke Institutionalisierung der Frauenpolitik, aber die Bewegung ist aufgefressen“ lautet ihr Fazit.

Einen Blick auf die internationale Ebene warf Ellen Diederich, die unterstrich, wie wertvoll der Austausch mit Frauen aus peripheren Gebieten des kapitalistischen Weltsystems für ihre eigene politische Biographie war. Die in ihren Augen notwendige Internationalisierung der Frauenbewegung kann nur gelingen, wenn Frauen ihre Erfahrungen miteinander teilen und sich der neoliberalen Bedrohung bewusst werden, die Frauen in allen Teilen der Welt zum Handeln zwingen wird. Oder auf eine kurze Formel gebracht: „Linke Strategien entstehen nicht in einem Land.“

Zumindest einem Anspruch wurde die Veranstaltung gerecht: Sie vermittelte einen breiten Überblick über das Spannungsfeld Feminismus und Neoliberalisierung. Es wurden wechselseitige Bedingtheiten aufgezeigt und auf Hindernisse und Herausforderungen hingewiesen, auf die die Frauenbewegung im Zeitalter der neoliberalen Globalisierung Antworten finden muss. Selbst an Ansätzen, wie ‚Empowerment’ auch unter schwierigen Bedingungen möglich ist, mangelte es in der Diskussion nicht.

Das die Auftaktveranstaltung einen inhaltlich gehaltvollen Einstieg in die Veranstaltungsreihe bot, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass zumindest am 9. März die Veranstaltung nicht wie beabsichtigt als Ort der Vernetzung dienen konnte. Die Veranstaltung zog weit weniger Interessierte an als erhofft, sodass – ironischerweise – eine Grundposition der Diskussion empirisch bestätigt wurde:

Der heutige Feminismus weist eine gewisse Ferne zu ökonomiekritischen Themen auf. Es ist jedoch gerade die Wiederaneignung gesamtgesellschaftlicher ja globaler Fragen, von der die Zukunft des Feminismus angesichts der neoliberalen Hegemonie abhängt ... 

(Bericht: Martin Wegner. Der Autor studiert Politikwissenschaften an der FU Berlin und macht zur Zeit ein Praktikum im Bereich Politische Bildung der RLS.)

Weitere Termine

jeweils donnerstags um 19 Uhr:

11. Mai 2006
Frauen in Armut und prekärer Beschäftigung
Eine Podiumsdiskussion mit Beiträgen von Anne Allex (Politik-
beraterin), Karin Binder (MdB), Zuzanna Dabrowska (Warschau),
Joanna Gwiazdeka (RLS, Warschau)

6. Juli 2006
Vom Mythos der Überbevölkerung
Film und Seminar

14. September 2006
Wie lange noch Ernährerinnen der Welt? – Auswirkungen von Freihandelsvereinbarungen à la WTO
Film und Beiträge von Helen Rupp (Doktorantin GraSP Münster),
Heike Hänsel (MdB, angefragt) und einer Vertreterin der BUKO-
Agrarkoordination

9. November 2006
Der Nahostkonflikt – Gibt es einen feministischen Lösungsansatz?
Podiumsdiskussion mit Gästen aus Ägypten, Israel und Palästina

Veranstaltungsort
Rosa-Luxemburg-Stiftung, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin
(nähe Ostbahnhof)

Kontakt und Informationen
Gisela Kremberg, gikrem@web.de, Tel. 033439 79491
Silke Veth, veth@rosalux.de, Tel. 030 44310-163