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Die alte Eigentumswelt dreht sich. Ein Bericht von Markus Euskirchen.

Information

Date

10.12.2011

Organizer

Michaela Klingberg,

Themes

Ungleichheit / Soziale Kämpfe, Gesellschaftstheorie, Kapitalismusanalyse, Commons / Soziale Infrastruktur

Am Samstag, den 10. Dezember 2011, fand die Jahrestagung des PPG-Netzwerks in den Räumen der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin statt. PPG steht für Privatisierung, Public Goods – Öffentliche Güter. An die 50 Interessierte und ExpertInnen diskutierten über linke Commons, also Gemeingüter.

Brigitte Kratzwald aus Graz plädierte dafür, Commons als strategischen Diskurs und als konkrete Praxis zu verstehen, die immer in Machtverhältnisse eingebettet und daher immer ambivalent seien. Commons könnten dazu dienen, den Kapitalismus zu reparieren, sie können kooptiert, instrumentalisiert werden. Sie hätten aber auch emanzipatorisches Potenzial und könnten ein Ausgangspunkt für eine zukünftige Gesellschaftsform oder Produktionsweise sein.

Im Anschluss daran entwickelte Rainer Rilling Ansätze einer Politik des Gemeinsamen. Für das «Öffentliche» einzutreten bedeute, Eigentums- und Sozialbeziehungen, Unternehmen, Güter, Räume oder Maßnahmen der Daseinsvorsorge, der Kommunikation, der öffentlichen Gewalt so zu gestalten, dass sie durch ihre Ausrichtung auf allgemeine Interessen (Gemeinwohlorientierung) die Ungleichheit der Verteilung von Ressourcen in der Gesellschaft und ebenso die Ungleichheit der Verteilung politischer Güter (Teilhabe, Zugang) mindern, systematisch Zugänge zu ihnen öffnen und ihr Arrangement demokratisieren. Das Schlüsselelement einer solchen Transformationsstrategie des Öffentlichen jedoch – ein linkes Staatskonzept – fehle.

Mike Nagler brachte in seinem Vortrag «Commons und Kommune» Erfahrungen aus der Leipziger Kommunalpolitik in die Debatte ein. Stefan Meretz von keimform.de schließlich skizzierte «Commons als Grundlage einer neuen Produktionsweise».

Der zweite Teil des Tages fand in Diskussionsgruppen statt. Am ersten Tisch wurde über die widersprüchliche Rolle der Commons im Kapitalismus diskutiert: Die Gemeingüter seien eine Anomalie, Keimform einer nicht-kapitalistischen Gesellschaftsform und zugleich Schutzwerkzeug gegen die übelsten kapitalistischen Zumutungen. Am Nachbartisch wurde derweil die Gefahr erörtert, dass Commons zum Innovationsmotor und zur Ressource eines post-neoliberalen Öko-Kapitalismus werden könnten. Einer solchen Entwicklung, so ein Fazit, ließe sich am ehesten vorbeugen, indem der Commons-Diskurs mit Herrschaftskritik und einer systemverändernden Perspektive verbunden werde.

Am dritten Tisch wurde die Orientierung auf Gemeinschaften, die mit den Commons einhergeht, als mögliches Einfallstor für reaktionäre Konzepte problematisiert. Zentral für einen linken Gemeinschaftsbegriff sei die Aufhebung von  «Gemeinschaft-Sein als Voraussetzung und Zugangsbedingung» zugunsten eines kontinuierlichen «Gemeinschaft-Werdens als Möglichkeit und Prozess gemeinsamen Tuns».
Den vierten Diskussionstisch beschäftigte die Frage, wie mit den bestehenden profit-, nicht bedürfnisorientierten Produktionsstrukturen ein gesellschaftliches Transformatiosprojekt überhaupt denkbar sei? Ein wichtiger Schwerpunkt bei der Neu- und Weiterentwicklung dürfte auf dezentralen Prozessen liegen. Für Bereiche, in denen zentrale Organisation unvermeidbar ist, sei der Umgang damit entscheidend: Rotation der Arbeitenden, Automatisierung seien Möglichkeiten, die Entstehung einseitiger Abhängigkeiten und Machtmissbrauch zu verhindern.

Bei der Suche nach Möglichkeiten, Gemeingüter zu stärken, war die Auseinandersetzung mit der Rolle der Partei Die LINKE bemerkenswert. Sie sei im Dualismus von Markt und Staat befangen, so dass ihr etwa bei der Frage der Rekommunalisierung immer nur die Wiederverstaatlichung einfalle, kritisierte ein Teilnehmer. Der Commonsansatz ziele darauf ab, eine Ressource und ihre Produktion soweit es geht der Marktlogik zu entziehen. Dies bedeute aber notwendig auch Staatsferne. In der neoliberalen Epoche habe gerade der Staat öffentliche Ressourcen und Güter in die Verwertungslogik überführt. Reichlich Material für künftige Debatten um linkes Commoning.

Markus Euskirchen, Internetredakteur am Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxembugr-Stiftung

Debattenbeiträge und Diskussionsprotokolle finden sich auf der Webseite des Workshops: www.commons.rosalux.de

Alles weitere zu Commons, Gemeineigentum und Öffentlichen Gütern: www.who-owns-the-world.org

Programm:

11:00–14:00 Uhr
Einstieg: Film und Diskussion
Mit Commons die Machtverhältnisse ändern
Brigitte Kratzwald, Graz, Commons.at
Das Öffentliche und Commons
Rainer Rilling, Berlin, Rosa-Luxemburg-Stiftung
Commons und Kommune
Mike Nagler, Leipzig, Attac
Commons als Grundlage einer neuen Produktionsweise
Stefan Meretz, Berlin, keimform.de

15:00–16:45 Uhr
Worldcafé

  1. Für alle: Wie bist Du praktisch-alltäglich in die Commons verwickelt?
  2. Welche Gesellschaftskonzepte werden in der Commons-Debatte diskutiert?
    Mit Annette Schlemm
  3. Was können Linke von den Commons lernen und was können Commoner von Linken lernen?
    Mit Benni Bärmann
  4. Der Gemeinschaftsbegriff wird oft als reaktionär kritisiert. Geht´s auch anders?
    Mit Friederike Habermann
  5. Was passiert mit den bestehenden Produktionsstrukturen im Falle einer gesellschaftlichen Transformation?
    Mit Christian Siefkes
  6. Was braucht es, um Commons zu pushen?
    Mit Brigitte Kratzwald