Wir beschäftigen uns im Rahmen dieser Abendveranstaltung aus feministischer Perspektive mit Fragen der Sexarbeit im Kontext von Staat und Ökonomie. Das Phänomen der Sexarbeit wird anhand von zwei Hauptgesetzgebungen, nämlich dem "nordischen Modell" und der Entkriminalisierung in Deutschland, diskutiert. Diese Modelle werden in der Podiumsdiskussion gegenübergestellt und es soll darüber gesprochen werden, welche gesellschaftlichen Herausforderungen erfüllt werden müssen, um emanzipatorische Bedingungen zu schaffen.
Prostitution wird nicht als "ältestes Gewerbe der Welt" betrachtet, sondern sie wird vor dem Hintergrund ihrer sozioökonomischen Grundlagen verhandelt. Wir versuchen, die auch in der Linken kontrovers diskutieren Frage der Sexarbeit zu hinterfragen und dabei an aktuelle feministische Diskurse anzuknüpfen und diese zusammenzuführen.
Referentinnen:
Helga Tauch, Aktivistin und SOLWODI-Mitarbeiterin aus Osnabrück, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und ‚nordisches Modell‘. SOLWODI ist Gründungsmitglied von ‚CAP INTERNATION‘ Coalition Abolition Prostitution – Frankreich, Paris.
Ann Wiesental, aus Berlin, Autorin und Gruppenmitglied von ‚Maria+Magdalena 4 ever‘. Die Gruppe ist Teil der Kampagne ‚Sexarbeit ist Arbeit‘.
Hintergrund:
Schwedische Sozialdemokraten haben seit 1999 den Sexkauf verboten, indem die Freier und alle daran Teilnehmenden bestraft werden. Währenddessen ist der Sexverkauf nicht strafbar und es wird versucht den Ausstieg für Prostituierte zu ermöglichen. Das nordische Modell basiert auf der Idee, dass Prostitution aus ungerechten sozioökonomischen Strukturen zustande käme, deshalb müsse der Staat durch den Aufbau einer gerechten Basis ein gemeingültiges Wohlergehen für alle Bürger*innen ermöglichen. Befürworter*innen des Sexkaufverbots machen keinen Unterschied zwischen "freiwilliger" Prostitution und Zwangsprostitution, solange ökonomischer Sachzwang dahintersteht.
Diesem gegenüber steht das "deutsche Modell". In Deutschland wurde Sexarbeit 2002 legalisiert. Die deutsche Gesetzgebung basiert auf der Idee, dass Prostitution eine Erwerbstätigkeit wie jede andere ist und dass die Rechte und die Sicherheit der Prostituierten am Besten durch eine Legalisierung des Berufs garantiert werden können. Befürworter*innen der Legalisierung sehen darin auch einen Schutz für Prostituierte gegen Menschenhandel.
Während die schwedische Gesetzgebung auf der Haltung basiert, dass es inakzeptabel sei, dass in einer Gesellschaft Freier ökonomisch Benachteiligte ausnutzen, wird in Deutschland das Recht auf freie Wahl in der Berufsausübung betont. Wir diskutieren u.a. die These ob in Deutschland ein herrschender neoliberaler Diskurs und die Unterstützung der sogenannten Sex-positiven Feminist*innen die zentrale Rolle für die Inkraftsetzung des Prostitutionsschutzgesetzes gespielt haben, und ob das schwedische Modell dagegen auf einem sozialistisch-feministischen Ansatz aufbaut, der die Sexualität von Frauen von institutioneller patriarchalisch-kapitalistischer Kontrolle befreien will.
Eine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen in Kooperation mit dem Autonomen Feministischen Kollektiv, der Gruppe "Kritik und Subversion" und der Kampagne "Let's push feminism forward".