Gegenüber des Ostbahnhofs, in Sichtweite der East-Side-Gallery, entsteht in den nächsten Jahren ein Gebäude, das ebenfalls geschichtsträchtig werden könnte: der neue Sitz der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Als letzte der sechs politischen Stiftungen baut die der LINKEN nahestehende Bildungseinrichtung ein eigenes Domizil. Am 17. Mai 2016 wurde im bisherigen Stiftungssitz am Franz-Mehring-Platz 1 nicht nur eine Ausstellung mit allen 155 Gebäude-Entwürfen eröffnet, sondern auch der Planervertrag zwischen der Grundstücksgesellschaft Straße der Pariser Kommune 8 mbH & Co.KG, im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung, und dem Architektenteam Kim Nalleweg+Trujillo Moya unterzeichnet. Nalleweg ging zuvor als Sieger aus dem offenen zweiphasigen Architektenwettbewerb hervor.
Das neue Gebäude wird zu einem neuen Stadtquartier mit Büros, Kreativfirmen, Wohnungen, Hotels, Gastronomie, Handel und Dienstleistungen gehören. Allerdings wird die Rosa-Luxemburg-Stiftung dort die «einzige nichtkommerzielle Bauherrin» sein, hob die Stiftungsvorsitzende Dagmar Enkelmann zu Beginn der Ausstellungseröffnung hervor.
Die Wünsche an den Neubau waren und sind umfangreich: Büro- und Verwaltungsräume für mehr als 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter soll es bieten, einen großen öffentlichen Bereich für Veranstaltungen und Ausstellungen umfassen und auch eine Bibliothek und ein Archiv beherbergen. Das Vorhaben wird vollständig aus Zuwendungen des Bundes finanziert. Die Baukosten sind bei 12 Millionen Euro «gedeckelt».
Zudem soll der Bau auch eine politische Botschaft transportieren, verdeutlichte Dagmar Enkelmann. «Wo Rosa Luxemburg außen dransteht, soll auch Rosa Luxemburg drin sein», sagte sie. Ein wichtiges Kriterium sei demzufolge auch «größtmögliche Transparenz». Besucher sollen mit offenen Armen empfangen werden und sich zu einem offenen Dialog eingeladen fühlen. Das Selbstverständnis der Stiftung - sozial, solidarisch und international - soll sichtbar werden.
Doch der Bauplatz ist schwierig: eine laute Straße und eine Bahnstrecke umgeben ein «sehr heterogenes, aber auch sehr schönes Berliner Grundstück», beschrieb Ulrike Lauber, die Vorsitzende des Preisgerichtes, das Umfeld. Lauber ließ noch einmal das sich über mehr als ein halbes Jahr hinziehende zweistufige Auswahlverfahren Revue passieren. In der ersten Phase hatten insgesamt 155 Architekten Entwürfe für Gebäudekonzepte eingereicht. Daraus «filterte» die Jury Ende vergangenen Jahres 24 Lösungen heraus. Hier legten die Architekten und ihre Fachplaner dann noch einmal Hand an. Gekürt wurde der Siegerentwurf Ende März 2016 von der elfköpfigen Jury – und zwar einstimmig.
Lob galt auch dem Mut der Stiftung, einen offenen Wettbewerb um die beste architektonische Lösung auszuschreiben. Nicht viele Bauherren trauten sich das, bemerkte Lauber. Sie zeigte sich auch froh darüber, dass am Ende ein junges, nicht so bekanntes Architektenteam gewann, wo der Chef noch selbst das Projekt leite.
Auch die Berliner Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, ebenfalls Jurymitglied, hob das anspruchsvolle Herangehen hervor. Gerade für eine Stiftung, die nicht täglich mit Bauen zu tun habe, sei die Wahl eines offenen Wettbewerbs selten. «Das ist auch ein kleines Abenteuer», meinte sie.
Für Lüscher drückte sich das auch in den vielen Debatten über das Selbstverständnis aus. Nur so war herauszufinden, welches Gebäude wirklich angemessen für diese Stiftung ist, die einerseits öffentlich wirksam sein soll, zugleich aber auch eine gewisse Bescheidenheit an den Tag zu legen habe, nicht zu pompös bauen dürfe, umriss Lüscher das Problem. Die Gewinner hätten das am besten getroffen, bilanzierte sie. Das entworfene Gebäude erinnere architektonisch an die revolutionäre Phase der Moderne, aber in einer reflektierten Art und Weise, es sei eine «reflektierte Moderne».
Dieser Geist spiegelt sich in vielen der 155 Entwürfe wider, die im Foyer und auf der ersten Etage am Franz-Mehring-Platz 1 zu sehen sind. Beim Siegerentwurf spielen die X-förmigen Stützen, die die Arbeitsräume über dem Veranstaltungstrakt tragen, entfernt auch mit dem «X» im Stiftungsnamen.
Das Gebäude, erläuterte Max Nalleweg die Intentionen des Entwurfes seines Büros, solle ein klares Zeichen setzen für die Arbeit der Stiftung, auch im Zusammenhang mit der rauen Realität an dem sie zukünftig umgebenen Ort. Das besondere Merkmal des Baus werde die offene Dachterrasse auf Höhe der Bahngleise sein. Diese solle einen Dialog mit dem Stadtraum herstellen und die Arbeit der Stiftung nach außen transportieren. Als Fassadenmaterial habe man sich für Backstein entschieden. Der Backstein sei eigentlich ein «kleines Material», bekomme jedoch im Verband eine große Stärke und Dauerhaftigkeit.
Gesine Lötzsch (DIE LINKE), die Vorsitzende des Haushaltausschusses des Bundestages, erinnerte bei der Ausstellungseröffnung an den jahrelangen Kampf um die Mittel für den Bau. Immer wieder sei angezweifelt worden, ob DIE LINKE als politische Formation von Dauer sei und damit auch die ihr nahestehende politische Stiftung. Lötzsch schloss daraus, dass der Bau von der Öffentlichkeit entsprechend kritisch beäugt werden wird. Deshalb sei es ein großer Anspruch, mit dem Geld, das man vom Steuerzahler erhalte, besonders gut zu haushalten.
Selbst der siegreiche Nalleweg-Entwurf muss von den Architekten noch nachgebessert werden, wie der Bewertung auf der Ausstellungstafel zu entnehmen ist. Es gibt also noch viel zu tun, bis dann Anfang des nächsten Jahres der erste Spatenstich erfolgen kann.
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