Ihr Großvater war der Sezessions-Maler Philipp Franck, ihre Enkelin ist die Schriftstellerin Julia Franck, sie selbst eine der bekanntesten deutschen Bildhauerinnen des 20. Jahrhunderts. Familial verwoben in ein Geflecht der Künste knüpfte sie ein eigenes Netz politischer Bindungen. So wurde ihre Kunst politisch, ihr gesellschaftliches Engagement nie konformistisch.
Als Jüdin war sie den Nazis entkommen, als Kommunistin den Parteien nie ganz ergeben. Ab 1949 lebte sie in der DDR, wollte verständliche Kunst schaffen für die „einfachen Leute“, die Arbeiter. Sie arbeitete in volkseigenen Betrieben, schuf realistische Plastiken, steinerne Abbilder „unserer Werktätigen“. Der Bitterfelder Weg wurde ihr auf Dauer zu schmal, die SED-Kulturpolitik jener Zeit nannte sie „ideologisches Affentheater“. Robert Havemann war ihr Freund, Rudi Dutschke besuchte sie zum Kaffee und Biermann sang auf ihrem Teppich Lieder.
Mitte der siebziger Jahre ging sie zu stilisierteren Formen und allegorischen Inhalten über, zu sehen an der Sphinx neben dem Berliner Dom (1975), der Sinnenden (1980) im Schlosspark Biesdorf, der Geschlagenen (1985) und der Sich Aufrichtenden (1987) in Marzahn.
Von 1989 bis 1994 arbeitete sie an dem „Block der Frauen“, vielleicht ihrem Hauptwerk. Das Denkmal-Ensemble wurde 1995 auf dem Gelände der zerbombten Alten Synagoge eingeweiht. Es erinnert an die einzige öffentliche Protestaktion von Deutschen gegen die Judenvernichtung der Nazis, den Widerstand der „arischen“ Frauen in der Rosenstraße gegen die Deportation ihrer jüdischen Männer in Konzentrationslager. „Die Kraft des zivilen Ungehorsams und die Kraft der Liebe bezwingen Gewalt und Diktatur“, meißelte Ingeborg Hunzinger in die auch so schon sprechenden Steine.
1990 gehörte sie zu den Mitbegründerinnen des Antieiszeitkomitees, einer Arbeitsgemeinschaft der LINKEN (damals der PDS), die Kommunikation zwischen künstlerisch und politisch Engagierten fördert nach dem Credo: „Kunst ist Aneignung der Welt und ihr visionäres Überschreiten im Gegenentwurf.“
Ingeborg Hunzinger starb über der Arbeit an einer lebensgroßen Rosa-Luxemburg-Statue. Die sollte ihr Lebenswerk krönen. Und sie krönt es, unvollendet ihren ästhetischen Anspruch bewahrend, den sie als Meisterschülerin von Fritz Cremer vermittelt bekam: „Wenn Sie einen Lebenden machen, muss er überall leben. Der Fuß, die Hände, alles muss den Klang des Lebenden haben.“ Mit den Füßen war sie noch nicht zufrieden, die Schultern schienen ihr zu breit …
Vollendet hat sie 1996 die Keramik-Reliefs mit Figuren von Karl Liebknecht und Mathilde Jacob. Sie rahmen heute die Rosa-Luxemburg-Skulptur von Rolf Biebl ein – vor dem Sitz der Rosa-Luxemburg-Stiftung am Franz-Mehring-Platz. Wir, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung, gehen täglich daran vorbei, und haben täglich Grund, der außergewöhnlichen Künstlerin und eigensinnigen Kommunistin zu gedenken.
Bert Thinius, Rosa-Luxemburg-Stiftung