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Nach der Befreiung vom Faschismus und der Gründung der italienischen Republik entstand eine breite kulturpolitische Öffentlichkeit, für welche der Widerstand gegen die faschistischen Schwarzhemden und die deutschen Nazibesatzer ein zentraler Bezugspunkt war. Der Norden des Landes erlebte einen kurzlebigen Industrieaufschwung, während der bäuerliche Süden unter zunehmender Armut litt. Daraus folgte eine massive Abwanderung junger Arbeitskräfte in die industriellen Zentren des Nordens. In Mailand und Turin, die mit Genua das sogenannte Industriedreieck Norditaliens bildeten, begannen mit den 1960er Jahren soziale Kämpfe rund um die Fabrik. Die Auseinandersetzungen der Arbeiter*innen griffen bald auch auf große Teile der Zivilgesellschaft über und begünstigten die Entstehung neuer sozialer Bewegungen. Forderungen nach bezahlbarem Wohnraum oder Entlohnung der traditionell gratis, geleisteten Hausarbeit wurden lauter. Die neue Spontanität der sozialen Bewegungen geriet dabei zunehmend in Spannung mit den traditionellen Organisationen der Arbeiter*innenbewegung: Die kommunistische Partei und die ihr nahe Gewerkschaft vertrat Vorstellungen von der Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse, die für Viele in den sozialen Bewegungen als dogmatisch, unzeitgemäß und nicht weitreichend genug empfunden wurden. Schüler*innen organisierten sich gemeinsam mit Studierenden, Arbeiter*innen und Wissenschaftler*innen und erprobten neue Protest- und Kommunikationsformen um die gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend zu verändern. Da die sozialen Kämpfe jener Zeit keine marginalen Kämpfe waren reagierte der Staat mit Verunsicherung und Repression auf die neuen Dynamiken sozialer Bewegungen. Am 12. Dezember 1969 explodierten Bomben in einer Bank auf der Piazza Fontana in Mailand. Dieses, wie auch andere solcher Attentate (z.B. in Brescia und Bologna) mit vielen Toten, wurde Seitens der Polizei zunächst einigen Anarchist*innen zugeschrieben. Erst Jahre später wird offiziell bekannt, dass die Attentate hingegen von der 'Propaganda Due' (P2), einem konspirativen Netzwerk von Geheimdiensten, Führungspersonen der Polizei, des Militärs, der Wirtschaft, der Politik und der Mafia zu verantworten war. In die Debatte ist der Begriff der 'Strategie der Spannung' eingegangen, hinter welcher das Ziel stand, große Teile der Zivilgesellschaft zu verunsichern und so die sozialen Bewegungen zu schwächen. Die Folgen dieser Zeit reichen weit bis in die Gegenwart und sind für viele in den sozialen Bewegungen Aktive nicht vergessen.
Mit der Bildungsreise wollen wir den Spuren der sozialen Bewegungen in Turin und Mailand nachgehen. Wir werden Orte der damaligen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen besuchen, sowie mit Zeitzeug*innen in ein Gespräch kommen. Ziel ist es, mehr zu lernen über das auch heute noch aktuelle Spannungsverhältnis von politischen Parteien und sozialen Bewegungen, die Bedeutung von feministischen Bewegungen und deren Konflikte innerhalb der italienischen Bewegungslandschaft, sowie den Prozessen gesellschaftlicher Modernisierung. Im Fokus der Bildungsreise wird die Zeit von den 1960er bis in die 1980er Jahren stehen. Die politischen und sozialökonomischen Folgen dieser drei Jahrzehnte sollen betrachtet werden, in dem wir ebenso einen Blick auf die derzeitigen sozialen Bewegungen in Italien werfen werden.
Das Programm in Stichworten:
• Besuch des Fiat- Mirafiorigeländes in Turin.
• Zeitzeugengespräch mit Pietro Perotti (Arbeitskämpfe Fiat).
• Zeitzeuginnengespräch mit Vicky Franzinetti (Feministischer Aufbruch im Kontext operaistischer Kämpfe).
• Gespräch und Diskussion mit Aktiven aus den NoTav- Protesten zu aktuellen sozial-ökologiechen Protesten.
• Stadtspaziergang zur Piazza Fontana (Mailand) und Zeitzeugengespräch mit Paolo Finzi (zur „Strategie der Spannung“).
• Vortrag, Diskussion und Zeitzeugengespräch mit Sergio Bologna zur urbanen Geschichte der sozialen Kämpfe Mailands.
• Gewerkschaftliche Politik in den 1960'er und 1970'er Jahren, Diskussion mit Aktivist*innen.
• Besuch der Bibliothek der Fondazione Giangiacomo Feltrinelli (Mailand).
• Infogespräch mit (queer)feministischer Initiative Ambrosia.
• Besuch und Infogespräch Centro Sociale Cox18 in Mailand.
• U.v.m.
Teilnahmebeitrag
Der Reisebetrag umfasst 450 Euro. Er beinhaltet die Hotelunterkunft für sechs Übernachtungen im Mehrbettzimmer (4 Bettzimmer im Hostel, incl.Frühstück) in Mailand und Turin, Reiseprogramm und Übersetzungen, Eintrittsgelder Museen und ÖPNV sowie den Bahntransfer von Turin nach Mailand.
Die An- und Abreise zu den Veranstaltungsorten (An Turin bzw. Ab Mailand) ist eigenständig zu organisieren.
Reisetermine
Anreise 26. Mai (Sonntag) nach Turin, bis Abreise 01. Juni (Samstag) ab Mailand. Seminarprogramm von Montag bis Freitag (27.05. bis 31.05. 2019).
Das Anmeldeformular zum Herunterladen.
In Kooperation mit dem ISTORECO Reggio Emilia / Berlin
Reiseleitung: Anna Stiede und Matthias Durchfeld
Bei Fragen zur Reise:
Andreas Merkens, Rosa Luxemburg Stiftung, Studien- und Bildungsreisen
Alstertor 20, 20095 Hamburg
Tel: 040.28003705 / Email: Andreas.Merkens@rosalux.org