Der 1942 geborene Autor schildert in diesem Buch autobiografisch seine Erlebnisse in den 1960er und beginnenden 1970er Jahren. Fiege wird in Kiel geboren, früh, mit bereits elf Jahren, stößt er zu den Pfadfindern, denen er auf verschiedene Art und Weise lebenslang verbunden bleibt. Seine berufliche Etablierung, bzw. sein Verhältnis zur Pfadfinderei und Jugendbewegung hat Fiege in einem eigenständigen Buch letztes Jahr bereits ausführlich beschrieben (vgl. die Besprechung hier).
Fiege zählt sich eher zum «Fußvolk» der Ereignisse rund um die «1968er»-Jahre. Er studiert von 1966 bis 1970 Germanistik und Theaterwissenschaft in Berlin und engagiert sich dort bezahlt und ehrenamtlich in der Jugendbildung, am Theater und auch an der Universität. Bereits 1969 zieht er sich aber aus der «Studentenbewegung» zurück, da ihn der Dogmatismus dort zu sehr stört. Er ist zwar Professorensohn - hat aber durch seine Jugend, durch Ferien- und andere Jobs und vor allem durch seine Bundeswehrzeit immer, so schreibt er, sehr viel Kontakt zu ArbeiterInnen gehabt. Vor diesem Hintergrund erscheint ihm vieles an der APO als weltfremd, worin ihn die Organisationsansätze der kommunistischen Gruppen der 1970er Jahre später dann nur noch bestätigen. Fiege erzählt aber aus seiner Studienzeit, von Kneipen, Demonstrationen, Veranstaltungen und von seinen Erfahrungen mit selbstverwalteten Strukturen, wie etwa der »Kritischen Universität« oder linken pädagogischen Zeitschriften, in deren Redaktionen er mitarbeitet, oder die er gleich mitgründet. Spannend zu lesen ist die ausführliche Schilderung seiner zwei Jahre andauernden Bundeswehrzeit ab April 1963. Hier beschreibt er den Irr- und Unsinn dieser militärischen Institution aus eigener Anschauung. Fast 30 Jahre später, 1991 erst, verweigert Fiege dann zusammen mit anderen in einer öffentlichen Aktion (nachträglich) den Kriegsdienst.
Fiege bietet die Perspektive eines Indianers im bislang hauptsächlich von Häuptlingen dominierten öffentlichen Gespräch über «1968». Auffällig ist, dass sein Innenleben und vor allem das Thema Geschlechter(-konflikte) gar nicht vorkommen. Irgendwann, bzw. relativ früh taucht dann, Zitat »seine Gerhild« auf, die dann seine Frau wird. Was z.B. Partnerschaft bedeutet, war ja in diesen Jahren zu Recht ein heiß diskutiertes Thema. Bei Fiege findet sich dazu: nichts. Das ist schade, denn obwohl das Buch ja ein persönliches ist, bleibt vieles irgendwie äußerlich. Fiege hat diesen Sommer unter dem Titel «Sprottenkiste» ein Buch über seine Jugend in Kiel 1945 bis 1966 veröffentlicht. Es ist ebenfalls im AG SPAK Verlag erschienen.
Jürgen Fiege: Keine der stärksten der Parteien. Erlebnisse eines ganz normalen 68ers, Verlag AG SPAK, Neu-Ulm 2018, 182 Seiten, 14,50 EUR