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Vonovias «Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen» im Faktencheck

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Knut Unger,

Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg: Hier besitzt die Deutsche Wohnen erhebliche Wohnungsbestände, die als Kandidaten für einen Verkauf an das Land Berlin gelten. CC BY-NC 2.0, Foto: Lutz Thuns / flickr

Unter dem Titel «Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen» versuchen Deutsche Wohnen und Vonovia ihre am 24./25. Mai verkündete Mega-Fusion als Alternative zur Vergesellschaftung der Wohnungskonzerne zu verkaufen. Die angeblichen Zugeständnisse an die Berliner Mieter*innen und den Senat von Berlin entpuppen sich schon nach einem ersten Faktencheck als Augenwischerei. Das ist allerdings ebenso wenig eine Überraschung wie der hartnäckige Expansions-Drang der Vonovia. Täuschung und Expansion sind die Elixiere des «Systems Vonovia». Risiken und Nebenwirkungen tragen einmal mehr wieder die Mieter*innen und die öffentliche Hand - in Berlin und in ganz Deutschland.

Zum Wachstum verurteilt

Knut Unger ist aktiv beim MieterInnenverein Witten und der Plattform kritischer Immobilienaktionär*innen. Er ist Experte für die Geschäftspraktiken des Immobilienkonzerns Vonovia.

Am 24. Mai 2021 veröffentlichten die Vorstände von Vonovia SE (415 Tsd. eigene Wohnungen) und Deutsche Wohnen SE (155 Tsd. Wohnungen) einen Plan zur «freundlichen» Übernahme der Deutsche Wohnen durch die Vonovia. Die Medien schienen von der «Elefantenhochzeit» wie elektrisiert. Dabei war seit längerem klar, dass der größte deutsche Wohnungskonzern Vonovia großen Appetit auf den zweitgrößten hat. Und das liegt nicht an dem Charakter von Vonovia-Chef Rolf Buch.

Da die Vonovia ihren Anlegern und Anlegerinnen nicht nur eine langfristig sichere Wertanlage, sondern auch eine kurzfristig interessante Dividende verspricht, muss die Dividendenausschüttung Jahr für Jahr steigen, damit sich das Verhältnis zum steigenden Aktienkurs nicht zu sehr verschlechtert. Dies garantiert die Vonovia durch die immer wieder zugesicherte Kopplung der Dividenden an 70 Prozent des auf Wachstum getrimmten operativen Ergebnisses FFO (Funds from Operations). Die Basis der Mietrendite, die Abschöpfung der Einkommen der Mieter*innen, kann im Massenwohnungsbestand aber nicht grenzenlos intensiviert werden. Deshalb muss die Rendite durch mehr Effizienz in der Wohnungsbewirtschaftung, durch kostengünstigere Beschaffung und Finanzierung sowie durch die Erweiterung der Geschäftsfelder gesteigert werden. Und zu all dem braucht es im wieder Expansionsschübe. Da aber die Zeiten der Wohnungsprivatisierung in Deutschland einstweilen passé sind und weil es auch in den Nachbarländern Schweden, Frankreich und den Niederlanden nicht zu einer schnellen «Öffnung» der Sozialwohnungsbestände für Privatinvestoren kommt, ist die Übernahme der Konkurrenten innerhalb des finanzialisierten Wohnungssegments die einzige quantitativ relevante Option für Vonovia, ihr Expansionsmodell weiterzuführen.

Dass es trotz der sehr ähnlichen Geschäftsmodelle und Anlegerstrukturen von Vonovia und Deutsche Wohnen nicht schon früher zu dieser Fusion gekommen ist, liegt wahrscheinlich daran, dass die großen Kapitalsammelstellen wie BlackRock, die an beiden Konzernen maßgeblich beteiligt sind, bis zu einem gewissen Punkt ein Interesse an um ihre Gunst konkurrierenden Managern und unterschiedlich verteilten Wohnungsportfolien haben. Spätestens der «Berliner Mietendeckel» zeigte jedoch, dass sich die Deutsche Wohnen mit ihrer Fokussierung auf die von rebellischen Mieter*innen geprägte und deshalb regulationsfreudige Bundeshauptstadt zu einem Klumpenrisiko entwickelte. Die durchschnittlichen Mieten der Deutsche Wohnen bundesweit sanken im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr um 4,1 Prozent und das lag allein an dem starken Rückgang um 6,1 Prozent in Berlin. Dagegen legte der Konkurrent Vonovia trotz Corona bei den Mieten bundesweit um 3,1 Prozent zu. Der Rückgang der Mieteinnahmen in Berlin um 2,1 Prozent hat sich hier dank wesentlich breiterer Streuung des Immobilienbesitzes nur begrenzt ausgewirkt.

Unterschiede zeigten sich in der Folge auch bei der Entwicklung der Aktienkurse im Verhältnis zum Unternehmenswert. Seit Anfang des Jahres bis zur Bekanntgabe der Fusion dümpelte der Kurs der Deutsche Wohnen etwa 6 bis 12 Euro unter dem Kennwert NTA (Net Tangible Assets) von rund 52 Euro. Auch bei der Vonovia kam es konjunkturbedingt zu einem Kurseinbruch. Die Differenz zum Unternehmenswert war aber weniger stark ausgeprägt als bei der Deutsche Wohnen.

Aus Sicht mehrfach investierter Investoren wurde die Deutsche Wohnen somit zur Übernahmekandidatin, wobei diese Übernahme für Vonovia ein No Go sein musste, solange der Mietendeckel galt. Als dieser vor dem Bundesverfassungsgericht scheiterte, lag die Übernahme des Berliner Risikos durch die Vonovia im Interesse der Großinvestoren. Ohne ihre Zustimmung wäre es jedenfalls sicherlich nicht so weit gekommen. Nur zwei Wochen sollen die «Fusionsgespräche» gedauert haben. Es musste wohl schnell gehen. Denn mit dem Volksbegehren «Deutsche Wohnen & Co. enteignen» und den Wahlen am 26. September 2021 im Bund und im Land Berlin könnte sich das günstige Zeitfenster für die Großfusion wieder schließen.

Die Aktionäre werden nun mit einem Aufschlag auf den Börsenwert entschädigt, der in etwa der Differenz zum Unternehmenswert der Deutsche Wohnen entspricht. Sie haben ihr Schäflein im Trockenen. Die Vonovia hat den Job übernommen, die Deutsche Wohnen nunmehr auch operativ auf dieses Niveau heben. Dazu braucht sie in Berlin mehr Einfluss und ein investorenfreundlicheres Klima. Und deshalb wurde der ökonomische Mega-Deal sogleich für eine politische Inszenierung genutzt, die darauf abzielt, den für die Mietenrendite gefährlichen politischen Diskurs in der Hauptstadt zu drehen.

Bereits am 25. Mai feierten Rolf Buch (Vonovia) und Micheal Zahn (Deutsche Wohnen) im «Roten Rathaus» in Berlin eine weitere «Fusion», diesmal mit dem Regierenden Bürgermeister, Michael Müller (SPD). Begleitet von zustimmenden Worten Müllers und des Finanzsenators Matthias Kollatz präsentierten die neuen Partner der Sozialdemokratie einen «Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen» für Berlin. Demnach sollen die «regulären Mietsteigerungen» im Berliner Wohnungsbestand bis 2026 «insgesamt» auf 1 Prozent jährlich und bei Modernisierungen auf 2 €/qm begrenzt werden. Dem Land Berlin werden zudem 20.000 Wohnungen zum Kauf angeboten, angeblich um dem Senat zu helfen, mehr Wohnungen wieder unter Landeskontrolle zu bringen. Und schließlich will die vergrößerte Vonovia in Berlin 13.000 neue Wohnungen errichten, darunter ein Drittel öffentlich gefördert.

Ganz Sozialdemokrat wie er im Geschichtsbuch steht, wurde Müller nicht müde, diese «Zusagen» als Beginn einer neuen Ära zu begrüßen, in der die «Konfrontation» der Enteignungsbefürworter nun durch sachbezogene Kooperation ersetzt werde. Zeichnet sich, im Windschatten der politisch unterstützten Beseitigung eines Risikoklumpens der Finanzindustrie, eine neue Sozialpartnerschaft ab, die Berlin neben sozialen Frieden nun endlich auch die fehlenden Wohnungen bei gedämpften Mieten und mit erhöhter Relevanz des kommunalen Sektors verschafft?

Wenn man den «Dreier-Pakt» aus Immobilienmanagern und SPD-Bürgermeister einem Faktencheck unterzieht, stellt man schnell fest: Bei den angeblichen Zusagen handelt es sich weitgehend um Augenwischereien. Die «Angebote» dienen vor allem dem Eigeninteresse der Konzerne.

Der «Mietendimmer»

In ihrem «Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen» )Presseinformation der Vonovia vom 25.5.2021) sagen Vonovia und Deutsche Wohnen zu, ihre «regulären Mieterhöhungen über ihren Berliner Bestand insgesamt in den nächsten drei Jahren auf höchstens ein Prozent jährlich und in den beiden nachfolgenden Jahren auf den Inflationsausgleich zu begrenzen». Vonovia-Chef Buch nannte es «Mietenmoratorium», der Senat begnügte sich in einem Schreiben an die Mieter*innen mit dem Begriff «Mietendimmer». In Wirklichkeit ist kaum ein Schimmer Wahrheit an der Behauptung, die Mieten würden begrenzt.

Nach allgemeinem Verständnis bedeutet «insgesamt», dass es nicht um die einzelnen Mietverträge geht, sondern um die Mieterhöhungen des gesamten Wohnungsbestandes von Deutsche Wohnen und Vonovia, also die durchschnittlichen Mieterhöhungen. Mit «regulären Mieterhöhungen» sind die «Anpassungen» an die ortsüblichen Vergleichsmiete gemeint (§ 558 BGB), die sich am Mietspiegel orientieren. Diese regelmäßigen Mieterhöhungen sorgen bei professionellen Großvermietern mit ihren automatisierten Verfahren dafür, dass die Bestandsmieten niemals weit hinter die rechtlich durchsetzbare Vergleichsmiete zurückfallen. Die wesentlichen Mietentreiber sind jedoch in der Regel die Neuvertragsmieten und die Mieterhöhungen nach Modernisierungen (§ 559 BGB). Und diese werden vom «1 Prozent-Moratorium» nicht erfasst.

Wie ein Blick in die Geschäftsberichte und Verlautbarungen der Konzerne zeigt, liegen in den Berliner Wohnungsbeständen von Vonovia und Deutsche Wohnen die «regulären Mieterhöhungen» im Durchschnitt schon jetzt unter 1 Prozent. Bei der Vonovia stiegen die bundesweiten Mieten im Jahre 2020 «marktbedingt» insgesamt nur um 0,6 Prozent. 2019 – vor der Pandemie und dem Berliner Mietendeckel – waren es 1,1 Prozent, davon waren 0,3 Prozent auf neue Mietvertragsabschlüsse zurückzuführen. Die für Berlin mitgeteilten Steigerungen weichen nicht von den Durchschnittswerten ab. Das «freiwillige Moratorium» schützt also allenfalls vor noch schnelleren Mieterhöhungen, die vielleicht als «Nachholung» für die Corona- und Mietendeckel-Zeit oder als nicht rechtskonforme Mietsteigerungen denkbar wären.

Bei der Deutsche Wohnen ist es nicht anders. Laut ihrem Quartalsbericht lagen die durchschnittlichen Mieten im Berliner Wohnungsbestand am 31.3.2021 um 1,2 Prozent über den Vorjahreswerten. In diese Quote gehen - wie gesagt - alle Arten Mietsteigerungen ein. Die tatsächlichen Mieterhöhungen nach § 558 BGB dürften auch bei der Deutsche Wohnen unter 1 Prozent liegen.

Die «Zusage» der Konzerne, die regulären Mieterhöhungen auf 1 Prozent begrenzen zu wollen, ist also weitgehend Augenwischerei. Diese «Moratorium» ist kein Deckel und kein Dimmer, sondern eine Täuschung.

Der «2-Euro-Deckel nach Modernisierung»

Nach der zweiten «Zusage» der Konzern-Vorstände soll die «Modernisierungsumlage über die gesetzlichen Vorgaben hinaus auf maximal 2 Euro pro Quadratmeter begrenzt» werden. Gesetzliche Vorgabe in § 559 BGB ist, dass bei Ausgangsmieten von über 7 €/qm die Mieten aufgrund einer Modernisierung um maximal 3 €/qm steigen dürfen. Bei Ausgangsmieten von unter 7 €/qm ist diese Steigerung auf 2 €/qm begrenzt.

In den meisten Fällen liegen auch in Berlin die Mieten nicht modernisierter Wohnungen bei unter 7 €/qm. Nach Angaben des Geschäftsberichtes liegen nur 36 Prozent der Wohnungen der Deutsche Wohnen bei über 7 €/qm. Ein erheblicher Teil dieser Wohnungen dürfte schon modernisiert sein.

Für die Vonovia ist die Begrenzung der Mieterhöhungen nach Modernisierungen erst recht nichts Neues. Schon Ende 2018 entschied die Konzernzentrale, nur noch Projekte durchzuführen, bei denen die Mieterhöhung aufgrund der Kosten nicht mehr als 2 €/qm beträgt. Grund dafür waren die vielen Proteste, mit denen der Konzern bei der Durchführung größerer Maßnahmen konfrontiert war.

Da die Vonovia für die jetzigen Wohnungen der Deutschen Wohnen angesichts des hohen Organisationsgrades der Mieter*innen wohl kaum einen abweichenden Standard festsetzen würde, ist auch diese «Zusage» nur eine Festschreibung des Status Quo.

Bezahlbarer Neubau?

Die dritte «Zusage» besteht darin, dass der fusionierte Konzern verstärkt in den Neubau einsteigen will. Auch das ist an sich keine Neuigkeit. Sowohl Vonovia als auch Deutsche Wohnen haben in den letzten Jahren durch Zukäufe von Development-Unternehmen ihre Neubau-Kapazitäten stark ausgebaut. Der Bau neuer Wohnungen, ob für den Verkauf oder die eigene Vermietung, ist gerade im wachsenden Berlin ein zukunftsträchtiges Geschäft. Es erweitert die Wertschöpfungskette der Konzerne und ermöglicht Wachstum, ohne vom spekulativen Gebrauchtwohnungsmarkt abhängig zu sein. Zudem kann Neubau die für die Anleger*innen immer wichtiger werdende CO2-Bilanz der Konzerne verbessern, zumindest wenn man den Energieverbrauch der Bauproduktion und den Lebenszyklus der Produkte außer Acht lässt.

Nach Aussagen von Buch und Zahn sollen mindestens 13.000 neue Wohnungen in Berlin errichtet werden. Wie Buch verspricht, sollen davon ein Drittel im öffentlich geförderten Wohnungsbau erfolgen, was der Mindestvorgabe vieler Kommunen entspricht. Unklar ist, woher der Konzern die erforderlichen Grundstücke nehmen will. Wenn das Potenzial an Nachverdichtungen und Aufstockungen im eigenen Bestand ausgeschöpft sein wird, wird die neue Vonovia mit anderen Bauträgern um die knappen Grundstücke konkurrieren, nicht zuletzt auch mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Auch um die öffentlichen Fördermittel kommt es möglicherweise zu vermehrter Konkurrenz.

Politisch wird derzeit immer mehr in Frage gestellt, ob man Fördermittel und Grundstücke für Wohnungsbauprojekte zur Verfügung stellen soll, die nur zeitweilig sozial gebunden sind. Oder ob man die öffentliche Förderung nicht auf die öffentlich verbundenen oder zumindest gemeinnützig agierenden Träger konzentrieren sollte. Eine Vonovia mit starken Baukapazitäten könnte dem Ziel einer gestärkten gemeinwohlverpflichteten Wohnungswirtschaft auch auf den Arbeits- und Beschaffungsmärkten mehr Konkurrenz machen als das Land Berlin sich dies wünschen kann.

Das Rückkauf-Versprechen

Das vierte und für die SPD vielleicht verlockendste Angebot der Fusionäre: Dem Land Berlin wird angeboten, «eine signifikante Anzahl an Wohnungen aus dem Bestand der beiden Unternehmen zu erwerben» und damit, wie von der derzeitigen Regierung erwünscht, den kommunalen Wohnungsbestand auszubauen. Inzwischen ist bekannt, dass es sich um rund 20.000 Wohnungen handeln soll, die nun einer Wertprüfung unterzogen werden, um den Kaufpreis zu ermitteln. Der Berliner Finanzsenator von der SPD rechnet mit deutlich höheren Kosten als beim Rückkauf des Berliner Stromnetzes, also mit mehr als 2,1 Mrd. Euro.

Schaut man in den Geschäftsbericht der Deutsche Wohnen, findet man dort Angaben zum branchenüblichen «Fair Value». Im Berliner Wohnungsbestand der Deutsche Wohnen liegt dieser bei ca. 3000 €/qm. Bei 20 Tsd. Wohnungen dürfte die Summe bei über 3,6 Mrd. Euro liegen. Details werden im Rahmen der spezifischen Bewertung der konkreten Immobilien geklärt werden. Es ist aber schwer vorstellbar, dass der Preis deutlich unter dem Fair Value dieser Wohnanlagen bleibt, denn das würde in den Bilanzen der Konzerne zu Verlusten führen. Im Ergebnis werden die Immobilien zu einem Mehrfachen des Preises zurückerworben. 2004 wurden 65.000 Wohnungen der landeseigenen GSW an ein Konsortium von internationalen Fondsgesellschaften verkauft, darunter Cerberus und Goldman Sachs. Die Vorlage dafür erstellte Finanzsenator Thilo Sarrazin von der SPD, der Kaufpreis betrug 400 Millionen Euro. Selbst wenn die gesamten derzeitigen Mieteinnahmen der angebotenen Wohnungen für die Tilgung des Kaufpreises eingesetzt würden, würde diese weit über 30 Jahre benötigen. Es fallen aber natürlich auch noch Kosten für die Bewirtschaftung, die Bauerneuerung und die Zinsen an.

Bürgermeister Michael Müller beabsichtigt den Kaufpreis außerhalb des öffentlichen Haushaltes zu finanzieren. Die bestehenden landesseigenen Wohnungsunternehmen sollen die Wohnungen übernehmen und mit den Kosten belastet werden. Sie werden über Jahrzehnte an den Lasten zu tragen haben. Kritiker*innen befürchten, dass die landeseigenen Wohnungsunternehmen durch diesen Deal handlungsunfähig werden können.

Für die landeseigenen Wohnungsunternehmen wird dies auch im Vergleich zum vorliegenden Entschädigungskonzept der Initiative «Deutsche Wohnen & Co enteignen» ein teurer Spaß. Die Initiative will die Entschädigungen für die wesentlich umfassendere Vergesellschaftung ebenfalls aus den laufenden Mieteinnahmen der landeseigenen Wohnungen aufbringen, allerdings bei einer wesentlich geringeren Entschädigung. Denn bei einer Vergesellschaftung gem. Art 15 GG kann die Entschädigung unter dem Verkehrswert der Immobilien bleiben. Vor dem Hintergrund der Enteignungskampagne handelt es sich bei der Offerte der Konzerne also um ein vergiftetes Angebot. Zugleich soll die Kommunalisierung einen Deckungsbeitrag für die Kosten der Übernahme leisten. Der Aufkauf der Wohnungen wirkt wie eine Förderung der Fusion. Zeichnet sich hier eine Arbeitsteilung zwischen einem begrenzt erweiterten landeseignen Wohnungssektor und der finanzindustrialisierten Wohnungswirtschaft ab?

Bei den Gebieten, die als kommunale Übernahmekandidaten gehandelt werden, soll es sich vorrangig um Sozialbausiedlungen der 1970er Jahre außerhalb des Berliner S-Bahn-Rings handeln. Sie gelten teilweise als Wählerreservoir der SPD. Jedenfalls will sich Michael Müller um die «Brennpunkte» besonders kümmern. Dem Eindruck, dass dem Land damit die Sorgenkinder der Stadtentwicklung verkauft werden, während sich der Konzern mit den lukrativeren Entwicklungen beschäftigt, versucht Deutsche Wohnen Chef Zahn entgegenzuwirken: Die für die Kommunalisierung vorgesehenen Bereiche böten große Nachverdichtungspotenziale und würden bald Teil der «Innenstadt».

Neben den Großsiedlungen in der Erweiterungszone der Kernstadt sollen jedoch auch Wohnungsbestände am Kottbusser Tor in Kreuzberg an das Land Berlin verkauft werden. Hier zeigt sie ein weiterer Aspekt des «Paktes»: die Befriedung sozialen Protestes. Denn mit ihrem jahrelangen und gut organisierten Mieterwiderstand gehören diese Standorte sicher für den Konzern zu den «Problemgebieten», derer man sich gerne entledigt. Eine Win-Win-Situation für Vonovia und den Berliner Senat, der sich hier selbst auf die Schultern klopfen kann und gegenüber Mieterinitiativen und Mietervereinen behaupten kann: Seht her, wir tun etwas, wir haben verstanden. Für die Bewohner*innen der betroffenen Wohngebiete ist die Rekommunalisierung trotzdem eine Erleichterung, vielleicht sogar ein Sieg.

Risiken und Nebenwirkungen

Derartigen Erfolgen im Einzelfall stehen die Risiken und Nebenwirkungen gegenüber, die alle Vonovia-Mieter*innen zu tragen haben. Nach einer Präsentation des Konzerns soll die Übernahme der Aktien der Deutsche Wohnen ca. 16 Milliarden Euro kosten. Hinzu kommen die Belastungen der übernommenen Schulden. Nach einer Überbrückung im Umfang von rund 22 Mrd. Euro soll die Refinanzierung durch drei Maßnahmen erfolgen: die Emission neuer Aktien in Höhe von 8 Mrd. Euro, die Ausgabe von Anleihen in Höhe von 6 bis 8 Mrd. Euro und den Verkauf von Wohnungen. Zu den zu verkaufenden Wohnungen gehören neben den 20.000 Einheiten, die dem Land Berlin angeboten werden, bis zu 25.000 Wohnungen aus ausgewählten Bauprojekten und Beständen mit hoher Belastung für die Vonovia. Hier ist also mit weiteren «Portfoliobereinigungen» zu rechnen. Die betroffenen Wohnungen könnten bei noch schlechteren Vermietern landen als es die Vonovia war, Anwärter auf diesen Titel gibt es genug. Trotz dieser Maßnahmen wird mit einer Erhöhung der Verschuldungsrate gerechnet, allerdings im Rahmen des Zielkorridors der Vonovia.

Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die Refinanzierung zu einem zusätzlichen Druck auf die Geschäfte und damit auf die Mieter*innen führen. Bedeutender aber ist die geplante Übertragung von Vonovia-Standards auf die neuen Wohnungen. Die operativen Kosten pro Wohneinheit sollen reduziert und die Insourcing-Strategie der Vonovia soll erweitert werden. Dies bedeutet, dass auch die Berliner Mieter*innen bei ihren Nebenkosten- und Modernisierungsabrechnungen vermehrt Bekanntschaft mit den intransparenten konzerninternen Rechnungstellungen der Vonovia machen werden. Sie werden feststellen, dass die Vonovia nicht nur in ihren öffentlichen Selbstdarstellungen, sondern auch in dem Nachweis von Hausmeister- oder Architektenkosten einen kreativen Umgang mit den Tatsachen pflegt. Sie werden Teil eines fusionierten Großversuchs, Wohnungen in eine automatisiert verwaltete Maschinerie der Renditeoptimierung zu verwandeln.

Insgesamt führt diese Fusion zu einer seit dem Fall der «Neuen Heimat» nicht gekannten Konzentration ökonomischer und politischer Macht in einem einzigen Wohnungskonzern. In Städten und Stadtteilen mit starker Vonovia-Präsenz, etwa in Dresden oder Dortmund, hat der Konzern schon jetzt einen starken Einfluss auf den lokalen Wohnungsmarkt. Ganze Stadtteile werden von ihm dominiert. Wettbewerbshüter können sich aber auch über die Rolle des neuen Großkonzerns auf den Beschaffungs- und Dienstleistungsmärkten sorgen. Die Vonovia kontrolliert jetzt schon die größte Bauhandwerkerorganisation Deutschlands und schickt sich an, der größte Wohnungsbaudeveloper zu werden. Sie kontrolliert ein gigantisches Datennetz, baut sich als Energieversorger auf und versucht, eine führende Rolle bei der Entwicklung klimaneutraler Wohnquartiere zu spielen. Nach dieser Fusion, so viel ist sicher, wird Wohnungspolitik endgültig nicht mehr ohne Einflussnahme von Rolf Buch stattfinden.

All das sind nun kaum Gründe dafür, dass es in Berlin zu der Befriedung kommt, die sich Müller & Co. wünschen. Vielleicht wird diese Fusion eher befördern, dass sich die Wohnungskämpfe verstärkt dem bundesweiten Terrain zuwenden.