News | Ungleichheit / Soziale Kämpfe - Geschlechterverhältnisse - USA / Kanada - Rosa-Luxemburg-Stiftung Ein kritischer Blick auf die neue Entwicklungsagenda

Das New Yorker Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung lädt internationale Aktivistinnen zur UNO ein.

In der «Erklärung von Beijing», dem Abschlussbericht der Vierten Weltfrauenkonferenz von 1995, wählten die unterzeichnenden Regierungen klare Worte: «Wir sind entschlossen, (...) die beständige und zunehmende Belastung der Frau durch Armut zu beseitigen, indem wir die strukturellen Ursachen der Armut durch eine Änderung der Wirtschaftsstrukturen ausräumen.» Notwendig seien nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit.

Zwanzig Jahre später sind Geschlechtergerechtigkeit und Bekämpfung der Armut ernüchternd wenig vorangeschritten. Die strukturellen Ursachen dessen zu beleuchten und Alternativen zu entwickeln, ist Ziel eines Projektes des New Yorker Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung, das im Zuge der diesjährigen Sitzung der UN-Frauenrechtskommission vom 9. bis 20. März stattfinden wird. Eingeladen sind feministische Aktivistinnen und Politikerinnen aus Deutschland, Kroatien, Bolivien, Kolumbien, Nepal, Kambodscha, und Kenia. Ebenfalls dabei sind die Vorstandsvorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung Dagmar Enkelmann und Cornelia Möhring, die der Bundestags-Delegation zur Frauenrechtskommission vorstehen wird.

Der Austausch zwischen progressiven Akteurinnen aus dem Globalen Süden und Norden ist einer der Schwerpunkte unserer Arbeit zu den Vereinten Nationen. Seit der Gründung unseres Büros 2012 haben wir mehrfach internationale Delegationen zu UN-Konferenzen wie der Frauenrechtskommission und dem Ständigen Forum für Indigene Angelegenheiten eingeladen. Ein weiteres Ziel ist es, die Prozesse der Vereinten Nationen kritisch zu begleiten und Anknüpfungspunkte für linke Strategien zu entwickeln. Denn obgleich ihre Strukturen und Institutionen in vielerlei Hinsicht die ungleichen Machtbeziehungen zwischen den Mitgliedstaaten widerspiegeln, ist die UNO doch die einzige multilaterale Instanz, die in der Lage ist, globale Probleme anzugehen.

Die Delegation, die wir zur Frauenrechtskommission einladen, wird an deren offiziellen Sitzungen und zahlreichen internen Treffen und Workshops teilnehmen. Da die Rosa-Luxemburg-Stiftung seit 2013 über Konsultativstatus beim Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen (ECOSOC) verfügt, können wir darüber hinaus offizielle Side Events organisieren.

Eine dieser öffentlichen Diskussionsveranstaltungen widmet sich den Sustainable Development Goals (SDGs). Diese Ziele, die die Vereinten Nationen gegenwärtig verhandeln, sollen die Millennium Development Goals (MDGs) ablösen, auf denen die UN-Entwicklungsagenda bisher fußte. Da die MDGs als weitgehend gescheitert gelten, stellt sich die Frage, ob sich deren Schwachstellen bei den SDGs vermeiden lassen. Dies war auch Thema einer Studie von Barbara Adams und Kathryn Tobin, die unser Büro jüngst veröffentlicht hat. Fest steht: Der Erfolg der SDGs wird sich daran messen, inwieweit sie soziale Ungleichheit und Geschlechterungerechtigkeit überwinden helfen.

Das zweite Side Event organisieren wir mit dem UN-Forschungsinstitut UNRISD. Thema dieser Veranstaltung ist die Frage, wie Frauenorganisationen und feministische Bewegungen Einfluss auf staatliche Entscheidungsprozesse nehmen können. Welche Strategien haben sich als effektiv erwiesen, die Interessen und Rechte von Frauen in Gesetzen und politischen Maßnahmen zu verankern? Eine der Rednerinnen wird Elisa Vega sein, eine indigene Feministin aus Bolivien. Sie war Mitglied der Verfassunggebenden Versammlung und leitet derzeit die Einheit für Entpatriarchalisierung des Vizeministeriums für Entkolonialisierung der bolivianischen Regierung.

Unter den Teilnehmerinnen variieren die Vorkenntnisse bezüglich der UN-Prozesse und der SDGs. Ruth Mumbi Meshak, eine kenianische Menschenrechtsaktivistin, die sich für Frauen in Not einsetzt, war bisher noch nicht im Rahmen der Vereinten Nationen aktiv. Sie erhofft sich von ihrer Teilnahme an der Frauenrechtskommission mehr über internationale Abkommen und Ziele wie die SDGs zu lernen, um deren Umsetzung auf nationaler Ebene zu forcieren. Ihrer Ansicht nach muss das zentrale Ziel der SDGs der Kampf gegen Armut sein: «Für eine gerechte und gesunde Welt müssen wir Armut komplett beseitigen. Armut verletzt die Rechte der Mehrheit der Bevölkerung. Sie macht sie anfällig für Krankheiten und Diskriminierung und verwehrt ihnen den Zugang zu Bildung.»

Aus Kolumbien reist Marilyn Machado an, die sich dort für die Rechte der schwarzen Minderheit einsetzt. Sie ist mit der Debatte über die SDGs vertraut und hofft, dass sie «zu einem Fortschritt in Bezug auf globale Ungleichheiten und zu einer gerechten Verteilung des Reichtums führen werden.»

Die Wissenschaftlerin Ankica Čakardić aus Kroatien möchte ihr Wissen darüber beisteuern, wie sich der Wechsel von einem realsozialistischen zu einem neoliberal-kapitalistischen System auf die Situation von Frauen auswirkte. «Aus einer links-feministischen Perspektive betrachtet», erläutert sie, «bedeutete der Angriff auf den öffentlichen Sektor, dass Erfolge rückgängig gemacht wurden, die die Beteilung der Frauen am Arbeitsmarkt mit sich gebracht hatte. Zudem kam es zu einer Krise der sozialen Reproduktion, einer Belastung von Familien, Veränderungen in den Beziehungen zwischen Männern und Frauen und zu einer Erstarkung patriarchaler Strukturen.»

Allen Teilnehmerinnen der Delegation ist gemein, dass sie sich von ihrem New York-Aufenthalt versprechen, mehr über die Kämpfe für die Rechte von Frauen in anderen Ländern zu erfahren, sich mit anderen Aktivistinnen über effektive Strategien auszutauschen und ihr internationales Frauen-Netzwerk auszubauen. Solche Orte des strategischen Austauschs zu schaffen, ist das Herzstück unserer Arbeit am UN-Sitz New York.