News | Keller: Das kontaminierte Museum, Zürich 2021

Das Kunsthaus Zürich und die Sammlung Bührle in der Kritik

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Bernd Hüttner,

Im Oktober ist er eröffnet worden, der imposante Erweiterungsbau des Kunsthaus Zürich. Ausgestellt werden dort Werke aus der Sammlung Bührle, die dem Museum auf 20 Jahre als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt sind. Aber was ist die Sammlung Bührle und wer war Emil G. Bührle, der sie zusammengetragen hat?

Emil Bührle wird 1890 in Pforzheim in Deutschland geboren, ist Mitglied der Freikorps, und bald danach Waffenfabrikant in der Schweiz. Seine Fabriken beliefern die Nazis, in Nürnberg wird er nur nicht als Kriegsverbrecher angeklagt, weil er mittlerweile Schweizer Bürger ist. Nach 1945, in den Jahren des beginnenden Kalten Krieges gehen die Geschäfte weiter. Südafrika, Israel und viele Staaten im globalen Süden werden beliefert, legal und auch z.B. wegen Verstoß gegen Embargos illegal. 1956 verstirbt das Oberhaupt der nun reichsten Familie der Schweiz.

Die Sammlung, die bisher nur privat ausgestellt gewesen war, ist die wertvollste der Schweiz, der Wert ist letztendlich wegen der Unmenge an Unikaten, etwa französischer Impressionisten, nicht bezifferbar. Er wird auf drei bis vier Milliarden Franken geschätzt. In die Kritik geriert die Sammlung, da die Herkunft vieler Bilder ungeklärt ist, und viele nur wegen des Kunstraubes der Nazis vor und nach 1945 überhaupt käuflich zu erwerben waren. Bilder, die die jüdischen Besitzer abstoßen mussten, waren zudem oftmals weit unter Wert zu erwerben. Und Bührle kaufte: 100 Werke vor 1945 und weitere 500 in den zehn Jahren vor seinem Tod. Im Kunsthaus wird nur ein Teil ausgestellt, welche weiteren Werke sich noch im Besitz der Familie befinden, ist nicht vollumfänglich bekannt.

Die Sammlung ist also doppelt kontaminiert. Zum einen wegen der bekannten Herkunft der dafür nötigen finanziellen Mittel, und ebenso wegen der oft unklaren und aktiv verunklarten Herkunft der Bilder selbst.

Um die Jahrtausendwende hatte die Familie Bührle ein Interesse daran ein Rebranding der Bührle-Bilder in Richtung einer unbelasteten, normalen Sammlung zu inszenieren; die rot-grüne Stadtregierung Zürichs daran, die Stadt als Kulturmetropole aufzuwerten. Personelle Verflechtungen erleichtern die Bildung der Interessenkoalition, die Private-Public-Partnership zur Finanzierung der circa 200 Millionen EUR Baukosten für dern Bau ist schnell begründet.

Nicht zuletzt ist Kunst dieser Preisklasse in erster Linie eine Kapitalanlage, und es ist bekannt, dass Ausstellungen den Wert der dort ausgestellten Werke noch erhöhen. Museen mit überregionaler Ausstrahlung, mit denen Zürich bisher nicht gesegnet war, sind ein Instrument des Standortmarketings einer entgrenzten neoliberalen Stadtpolitik. Kaufen können Museen bei den Preisen selbst eh nichts mehr, sie sind immer stärker von privaten Sammlern und deren Leihgaben (oder Schenkungen) abhängig um ein attraktives Programm bieten zu können.

Da aber mit Kritik zu rechnen war, so war z.B. bereits 1981 eine fundierter Kritik an der Firma Bührle erschienen, wurde eine interessengeleitete Provenienzforschung eingeleitet, um nicht zu sagen: simuliert, denn der sog. Aneignungskontext der Bilder wurde dort, das kann Keller argumentieren, systematisch ausgeblendet, jüdische Vorbesitzer werden unsichtbar gemacht.

Der Fall Bührle (und das Buch von Keller) zeigt, wie Wissenschaft sich beugt, gebeugt wird, wenn Kapital- und Standortinteressen im Spiel sind. Ein spannendes und absolut empfehlenswertes Buch über die unvermeidbare Beziehung zwischen Kunst, Politik und Geschichte.

Erich Keller: Das kontaminierte Museum. Das Kunsthaus Zürich und die Sammlung Bührle; Rotpunkt Verlag, Zürich 2021, 192 Seiten, 22 EUR

Res Strehle, Jürg Wildberger, Dölf Duttweiler, Ruedi Christen, Rosa Lichtenstein: Die Bührle Saga. Festschrift für einen Waffenindustriellen, der zum selbstlosen Kunstmäzen wurde; dritte, ergänzte Neuausgabe, zuerst 1981, Limmat Verlag, Zürich September 2021, 184 Seiten, 28 EUR