Bericht | Krieg / Frieden - Europa - Ostafrika Mosambikanischer Bürgerkrieg

Die EU mischt mit

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Grenzbrücke von Cabo Delgado, im Norden von Mosambik. CC BY-SA 2.0, Flickr/F Mira

Andreas Bohne und Fredson Guilengue über die militärische Ausbildungsmission der EU in der gasreichen Provinz Cabo Delgado.

Am 19. November 2021 bewilligte der Europäische Rat weitere 40 Millionen Euro für die militärische Ausbildungsmission der Europäischen Union in Mosambik (EUTM Mozambique). Damit soll die Ausbildung mosambikanischer Militäreinheiten unterstützt werden, die in der Provinz Cabo Delgado im Norden des Landes eingesetzt werden. Gleichzeitig wird «insbesondere sachdienliche nichtletale Ausrüstung» bereitgestellt – dieser auf den ersten Blick harmlose Begriff bezeichnet militärisches Material, mit welchem Menschen nicht getötet werden können, das aber «persönliche und kollektive Ausrüstung, Ausrüstung für Bodenmobilität, technische Geräte und ein Feldlazarett» umfasst.

Seit 2017 haben sich Anschläge von Islamisten in der gasreichen Provinz Cabo Delgado zu einem regelrechten Bürgerkrieg entwickelt. Die mosambikanische Regierung führte den Konflikt viele Jahre auf Aktionen krimineller Banden zurück; andere, durchaus vorhandene Gründe sozioökonomischer, kultureller und politischer Natur wurden ganz bewusst ausgelassen.

Fredson Guilengue ist Projektmanager der Rosa-Luxemburg-Stiftung im Büro Johannesburg und kommentiert regelmäßig die politische Lage in Mosambik.

Andreas Bohne ist Referatsleiter Afrika der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Der Bürgerkrieg, der bereits mehr als 3.500 Menschenleben gekostet hat, erhielt in diesem Jahr durch Angriffe auf die Stadt Palma und andere strategische Orte eine neue Dynamik. Die Aktionen demonstrierten die Stärke der Aufständischen, und deren Angriffe in der Nähe der geplanten Gasverflüssigungsanlagen des französischen Öl- und Gasgiganten Total erzwangen ein Umdenken. Nachdem die mosambikanische Regierung lange gezögert hatte, ausländische Truppen auf ihrem Gebiet zuzulassen, entschloss sie sich angesichts der wachsenden Bedrohung schließlich doch, externe Akteure in das Land zu holen. Seit Sommer dieses Jahres sind Ruanda, die Regionalorganisation Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) und die EU in den Konflikt militärisch involviert (Die Ausbildungsmission der USA wird hier ausgeklammert.).

Externe Akteure: Ruanda und SADC

Der entscheidende Akteur ist dabei Ruanda. Nach einem Staatsbesuch des mosambikanischen Präsidenten Filipe Nyusi bei Paul Kagame in Kigali gaben beide im Juni die Entsendung von Truppen bekannt. Offiziell wurde verkündet, dass die Erfahrungen der ruandischen Streitkräfte in der Bekämpfung terroristischer Strukturen der primäre Grund für den Truppeneinsatz seien. Die Beteiligung wirft dennoch Fragen auf, weil – bei allen Bekundungen der Solidarität – unklar bleibt, was die tatsächlichen Motive Ruandas sind und wer für die Kosten der Mission aufkommen wird.

Bekannt ist inzwischen, dass Frankreich die Aktivitäten Ruanda nicht nur mit Wohlwollen, sondern auch finanziell unterstützt, und dass Ruanda militärische Einsätze als Refinanzierungsinstrument nutzt. Die ruandische Gemeinschaft in Mosambik hegt darüber hinaus den Verdacht, dass Präsident Kagame mit dem Einsatz auch das Ziel verfolgt, Zugriff auf die in Maputo lebenden ruandischen Oppositionellen zu erhalten. Und in der Tat wurden in den vergangenen Wochen bereits mehrere ruandische Dissident*innen in Mosambik verhaftet.

Nach einigem Zögern trat der zweite Akteur, die Regionalorganisation SADC, auf den Plan. Dass die SADC-Mission SAMIN erst im Juli 2021 eintraf, sorgte innerhalb der Regionalorganisation für Unbehagen, da Mosambik die Anwesenheit der ruandischen Truppen offensichtlich gegenüber jenen seiner Nachbarländer bevorzugte. Dabei hatten einige Anrainer, wie beispielsweise Südafrika, sich bereits über einen längeren Zeitraum für eine Intervention in den Konflikt eingesetzt.

Während Ruanda 2.000 Soldaten vor Ort hat und die Dauer der ruandischen Mission unbefristet ist, umfasst SAMIM 935 Personen und der Einsatz war zunächst auf drei Monate befristet, kann aber anschließend verlängert werden.

Die ruandischen Streitkräfte kontrollieren die beiden wichtigsten Gasdistrikte, Palma und Mocimba da Praia; die Mission der SADC operiert in den Bezirken Mueda und Macomia. Der militärische Einsatz konnte zwar die Aufständischen zurückdrängen und Gebietsgewinne erzielen; für einen militärischen Sieg reichte jedoch es nicht. Vielmehr agieren die terroristischen Kämpfer seitdem in Form kleiner, flexibler Gruppen.

Die Rolle der EU

Als dritter großer Akteur trat schließlich die EU in den Konflikt in Cabo Delgado ein. Am 12. Juli 2021 – und damit zu einem Zeitpunkt, als Ruanda seine militärische Präsenz in dem Land bereits verstärkt hatte – beschloss der Europäische Rat die Einrichtung einer militärischen Ausbildungsmission der EU in Mosambik. Die für zwei Jahre beschlossene EUTM Mozambique ist vor Ort mit 140 Personen vertreten. Die jetzt bewilligten Maßnahmen bedeuten eine drastische Erhöhung der am 30. Juli 2021 bewilligten Sofortmaßnahme in Höhe von 4 Mio. Euro.

Als Ziel ihrer Mission nennt die EU die militärische Ausbildung einer künftigen schnellen Eingreiftruppe, die insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und zum Schutz der Zivilbevölkerung eingesetzt werden soll. Darüber hinaus soll die Mission ihre Ausbildungsaktivitäten aber auch auf Einheiten der mosambikanischen Armee und Marine ausweiten. In diesem Jahr werden zwei Kompanien durch portugiesische Soldaten ausgebildet, im nächsten Jahr dann drei weitere Kompanien. Insgesamt sollen elf Kompanien mit insgesamt bis zu 2.000 Soldaten der mosambikanischen Armee und Marine von der EUTM geschult werden und anschließend eine schnelle Eingreiftruppe bilden.

Aber warum greift die EU militärisch in einen Konflikt ein, der weit außerhalb Europas ausgetragen wird? Die Antwort liegt auf der Hand: Seit im Jahr 2010 vor der Küste von Cabo Delgado riesige Erdgasvorkommen entdeckt wurden, sind Mosambik und im weiteren Sinne die SADC-Region von geopolitischem Interesse. Die Rohstofffunde haben den Appetit der großen transnationalen Energieunternehmen, sich die Taschen mit Gasdollars zu füllen, erheblich gesteigert.

Insbesondere Portugal und Frankreich drängen bereits seit langem auf ein stärkeres sicherheitspolitisches Engagement der EU in Mosambik. Portugal, die ehemalige Kolonialmacht Mosambiks, hatte seine Unterstützung schon Monate vor dem Einsatz angeboten. Die portugiesische Regierung gibt eine einfache Erklärung für ihre Beteiligung: Sie behauptet, keinen direkten wirtschaftlichen Nutzen aus ihrem Engagement zu ziehen, sondern lediglich dabei helfen zu wollen, eine radikale islamistische Bedrohung in einem Land zu bekämpfen, mit dem es tiefe historische Verbindungen hat (Solidarität und historische Verantwortung). Während die Portugiesen die Sprache und die Geschichte mitbringen, haben die Franzosen das Geld. Es überrascht daher nicht, dass ein französischer und ein portugiesischer Offizier die EU-Mission leiten.

Frankreich verfolgt demgegenüber mit seinem Engagement handfeste Wirtschaftsinteressen. Die Geschäfte des französischen Energieriesen Total sind durch den Konflikt stark beeinträchtigt worden, der Krieg hat sein 20-Milliarden-Euro-Investitionsprojekt zum Stillstand gebracht. Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass, abhängig der Sicherheitslage, Total-Mitarbeiter*innen ihre Arbeit im nächsten Jahre wiederaufnehmen sollen; Meldungen sprechen von einem Produktionsstart der Gasverflüssigung im Jahr 2026 oder 2027.

Neben Portugal und Frankreich wird die Mission von Finnland, Spanien, Italien, Griechenland, Rumänien, Belgien, Luxemburg und Estland getragen. Deren Engagement umfasst nicht unbedingt den Einsatz von Personen vor Ort, sondern beispielsweise auch zur logistischen Unterstützung, etwa bei der Satellitenkommunikation.

«Friedensmacht Europa»?

Die militärische Ausbildungsmission in Mosambik findet im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU statt. Auf dem Papier ist die GSVP vor allem auf Krisenprävention ausgerichtet; sie ist aber auch Ausdruck eines Militarisierungsprojekts der EU, das Ende der 1990er Jahre begann.

Das Engagement in Mosambik ist eingebettet in die aktuelle Neuausrichtung der GSVP. Dazu gehört insbesondere die European Peace Facility (EPF, Europäische Friedensfazilität) als das neue Finanzierungsinstrument, das alle außenpolitischen Maßnahmen der EU mit militärischem oder verteidigungspolitischem Bezug im Rahmen der GSVP abdeckt. Nach dem EU-Vertrag ist es nicht gestattet, militärische Maßnahmen aus dem EU-Haushalt zu finanzieren. Um dieses Verbot zu umgehen, wird ein Budget für die Militärfinanzierung außerhalb des EU-Haushalts geschaffen, das für den Zeitraum 2021-2027 mit rund fünf Milliarden Euro ausgestattet werden soll.

Mit der EPF strebt die EU eine größere Flexibilität an, die es ihr ermöglicht, die Afrikanische Union zu umgehen und finanziell direkt für nationale und subregionale militärische Initiativen aufzukommen. So erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, dass die EPF «die EU weltweit zu einem noch effektiveren Sicherheitsanbieter machen» werde. Die Mission in Mosambik ist eines der ersten sichtbaren Zeichen für diesen Schritt und überhaupt erst die dritte Unterstützungsmaßnahme, die der Rat seit Einrichtung der EPF angenommen hat. Im Juli 2021 wurde die Unterstützung der Afrikanischen Union für deren Mission in Somalia (AMISOM) und der somalischen Nationalarmee gebilligt. Anfang November erfolgte die Zusage für eine Maßnahme der Streitkräfte von Bosnien und Herzegowina.

Die EPF ersetzt die frühere African Peace Facility (Afrikanische Friedensfazilität), die zuvor das Hauptinstrument war, mit dem sich die EU an der Finanzierung von Maßnahmen unter Leitung der Afrikanischen Union oder afrikanischer Regionalorganisationen beteiligte. Darüber hinaus will die EU mit der EPF Waffenlieferungen in Krisenregionen erleichtern sowie Ausbildung und Ausrüstung für nationale Armeen direkt finanzieren. Nach Ansicht der International Crisis Group und internationaler Nichtregierungsorganisationen könnte dies die angespannte Lage in fragilen Staaten noch verschärfen.

Fest steht bereits jetzt, dass die EU-Ausbildungsmission massiv in die mosambikanische Innenpolitik eingreift. Sie wird die Position der Armee gegenüber den polizeilichen Sicherheitskräften und lokalen Milizen stärken – was nicht ohne Konflikte gehen wird. Eine Stärkung der Armee ist auch die Mission des neuen mosambikanischen Verteidigungsministers, Cristóvão Chume. Der Berufssoldat arbeitete bereits mit Präsident Nyusi zusammen, als dieser noch Verteidigungsminister war. In seiner Rede bei Chumes Vereidigung betonte Nyusi am 12. November nicht nur die Notwendigkeit, die Streitkräfte zu modernisieren, sondern auch alle militärischen Aktivitäten, die mit dem Konflikt in Cabo Delgado zusammenhängen, dem Verteidigungsministerium zu unterstellen.

Politisch gesehen bietet der Krieg der Regierung eine gute Gelegenheit, von ausländischen Ressourcen zu profitieren und die militärischen Kapazitäten der FRELIMO auszubauen, die auch für andere, potenziell undemokratische Aktivitäten genutzt werden können, wie die Unterdrückung der lokalen Zivilgesellschaft und der politischen Parteien.

Die EU hat sehr lange auf präventive und zivile Konfliktlösungsmechanismen in Cabo Delgado verzichtet. Wenig hilfreich ist es, wenn die militärische Karte nun als «Instrument eines integrierten Ansatzes» präsentiert und durch Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit flankiert wird, die die EU in den letzten Wochen intensiviert hat. Von einer wirklichen Priorisierung ziviler Ressourcen gegenüber militärischen Mitteln kann indes nicht die Rede sein. Eine aktuelle Einschätzung des «Cabo Delgado Monthly» kommt zu dem Schluss, dass der am 21. September verabschiedete Wiederaufbauplan für Cabo Delgado vor allem die Stellung Maputos in der Provinz stärken wird.

Mosambik stehen unruhige Zeiten bevor

Unter dem enormen Druck der mosambikanischen Armee, der ruandischen Truppen und der lokalen Milizen haben sich die Aufständischen, wie erwähnt, zurückgezogen und als Guerillabewegung reorganisiert. Die nunmehr wesentlich kleineren Einheiten verfügen über geringere militärische Schlagkraft und können nur noch kleinere Angriffe durchführen. Man sollte sich davon aber nicht täuschen lassen: Die neue Lage kann zwar zu einer relativen Stabilität in der Region führen und die Wiederaufnahme wirtschaftlicher Aktivitäten ermöglichen, darf jedoch nicht als das Ende des Konflikts angesehen werden. Denn da Mosambik militärisch nicht in der Lage ist, diesen Guerillakrieg zu gewinnen, steht zu erwarten, dass die Terroristen noch lange aktiv bleiben können und werden. Dies wirft die Frage auf, was geschehen wird, wenn die ausländischen Truppen die Verantwortung für die Bekämpfung der Aufständischen zurück in die Hände Mosambiks legen.

Eine militärische Lösung, die die komplexen Ursachen des Konflikts übergeht – zu denen auch die Wechselwirkung von Kolonialismus, Modernisierung und Extraktivismus mit der lokalen Gesellschaft von Cabo Delgado zählt –, verspricht keinen Erfolg. Nur eine umfassende Lösung, die auf einen langfristigen Zeitraum ausgerichtet ist, kann die Lage nachhaltig verbessern. Davon allerdings ist die auf eine militärische Lösung fixierte Regierung in Maputo weit entfernt. Dem Land stehen deshalb weiter unruhige Zeiten bevor.