Schon in der Frühphase sind internationale Solidarität und der Wunsch zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wichtig. Anfangs ist die Tätigkeit außerhalb der Bundesrepublik allerdings noch bescheiden.
Die 1990-Jahre sind für den Verein «Gesellschaftsanalyse und politische Bildung» durch knappe Finanzen und wenig Personal gekennzeichnet. In den turbulenten Jahren nach 1989 sind zudem viele internationale Kontakte zwischen linken Organisationen abgebrochen, die Bewertung früherer politischer Vorgehensweisen hat sich geändert, Verantwortung war auf andere Personen übergegangen. Mitunter herrschte auch Argwohn und Misstrauen unter ehemaligen Freunden. Dennoch realisiert die Stiftung schon früh zwei Auslandsprojekte. Im Jahr 1995 werden medizinische Geräte für palästinensische Gesundheitseinrichtungen beschafft und vor Ort übergeben. Initiiert haben die Vorhaben maßgeblich Geschäftsführerin Evelin Wittich und Fritz Balke, ein Pionier der Auslandsarbeit der Stiftung. Unterstützt werden sie dabei von der Stiftung Nord-Süd-Brücken.
Der eigentliche Aufbau der Auslandsarbeit beginnt erst einige Jahre später, anfangs unter dem Dach des Bereiches «Politische Bildung». Weil die Möbel für das neue Büro noch nicht geliefert wurden, bringt Fritz Balke im Jahr 1999 aus seiner Laube einen alten Gartentisch, zwei Stühle und einen Wasserkocher in das Quartier am Franz-Mehring-Platz mit. Von dort geht es in die internationale Arena. Die ersten Monate nutzen wir zu Gesprächen mit verbliebenen Kontaktpartnern. Ilona Schleicher gibt wichtige Anregungen für unser erstes Projekt in Südafrika, und ohne Barbara Röber wäre unser Weg nach Indien viel länger gewesen. Achim Wahl und Wolfgang Grabowski stellen ihre Erfahrungen aus Lateinamerika und den neuen GUS-Staaten zur Verfügung. Sie werden später zu den ersten Auslandsbüroleitern gehören. Ernesto Kroch vom Brecht-Haus in Montevideo (Uruguay), der große «alte Mann» der Entwicklungstheorie Samir Amin und bald auch Denis Goldberg, enger Wegbegleiter von Nelson Mandela, geben uns wertvolle Hinweise – ebenso viele weitere Menschen, die ehrenamtlich, offen und ehrlich ihr umfangreiches Wissen mit uns teilen.
Die ersten Projekte starten im Jahr 2000 mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Das Budget beträgt eine halbe Million D-Mark – seinerzeit ein sehr hoher Betrag für die entstehende Auslandsabteilung einer linken politischen Stiftung. Beim ersten Vorhaben in Guatemala geht es um die Unterstützung des Friedensprozesses. Partner ist ein Forschungsinstitut, das der aus den Befreiungsbewegungen hervorgegangenen Partei nahe steht. Die Partner für die weiteren Projekte des Jahres kommen aus Palästina, Senegal, Südafrika und Uruguay. Mit einigen von Ihnen arbeiten wir noch heute zusammen.
Im November wird der Bereich Ausland unter seinem ersten Direktor Michael Brie eigenständig. Im Jahr 2003 entstehen die ersten vier Auslandbüros in Brasilien, Polen, Russland und Südafrika. Aufgrund der Ergebnisse der Bundestagswahl 2002 und sich einer daraus ergebenden Unsicherheit für die künftige Entwicklung der Stiftung, kommen weitere Büros erst ab dem Jahr 2007 hinzu.
Ende 2010 verfügt die Stiftung über 14 Auslandsbüros, ist in 54 Ländern tätig und arbeitet weltweit mit 180 Projektpartnern zusammen. Der alte Gartentisch von Fritz Balke ist inzwischen wohl auf einer Müllhalde begraben, und den Wasserkocher hat der Kalk zerfressen. Neue Ideen gibt es aber immer noch: Bis 2012 werden zwei Büros entstehen – in Dar es Salaam und New York.
JÖRG SCHULTZ IST STELLVERTRETENDER DIREKTOR DES ZENTRUMS FÜR INTERNATIONALEN DIALOG UND ZUSAMMENARBEIT