News | Kultur / Medien Podiumsdiskussion "Zeitumstände" zum 100. Geburtstag von Erwin Strittmatter

Dr. Knut Strittmatter, Renate Brucke (Vorsitzende des Erwin-Strittmatter-Vereins), Dr. Detlef Nakath (Historiker, Geschäftsführer der Rosa Luxemburg Stiftung Brandenburg) und Prof. Dr. Carsten Gansel (Literaturwissenschaftler am Institut für Germanistik der Justus-Liebig-Universität in Gießen) diskutierten am 5. Juli 2012 im Kulturschloss Spremberg untereinander und mit dem Publikum.

Die vielen Gäste, darunter vor allem langjährige Bürger und Bürgerinnen aus Spremberg und Umgebung, wurden von Moderator Hellmuth Henneberg durch die Veranstaltung geführt. Unter den Podiumsteilnehmern waren die Vorsitzende des Erwin-Strittmatter-Vereins, Renate Brucke, der Historiker und Geschäftsführer der Rosa Luxemburg Stiftung Brandenburg, Dr. Detlef Nakath, der Sohn Strittmatters, Dr. Knut Strittmatter sowie der Literaturwissenschaftler, Prof. Dr. Carsten Gansel.

Hellmuth Henneberg fragte die Teilnehmer nach den Gründen für die Heftigkeit der Diskussion über Strittmatter. Gerade darüber war Knut Strittmatter erschrocken und besorgt. Er freue sich aber über die Unterstützung von Seiten der Spremberger Bürgerinnen und Bürger. Dr. Nakath erkläre sich die Heftigkeit als geradezu typisch für das heutige Deutschland, wo Auseinandersetzungen über Biografien gern in einem Schwarz-Weiß-Raster abliefen. Differenzierungen seien vielen zu kompliziert und erschwerten zumeist einfache Schuldzuweisungen.

Prof. Gansel stellte die Heftigkeit vielmehr in Frage; außerhalb Sprembergs würde darüber normal diskutiert werden. Vielmehr ist es legitim, dass neue Fakten offengelegt und beredet werden. Dabei muss aber auch sachlich und analytisch mit dem Wissen umgegangen und bedacht werden, dass es unterschiedliche Erinnerungsgemeinschaften mit subjektiven Erfahrungen gebe.

Frau Brucke betonte, dass sich der Erwin-Strittmatter-Verein über eine Welle der Sympathie erfreue. Die Motivation der Menschen, sich dem Strittmatter-Verein anzuschließen, gilt in erster Linie der Würdigung der Literatur und des Autors.

Die Bücher Strittmatters nicht mehr zu lesen, sei auch gar nicht Gegenstand der Diskussion für Prof. Gansel. Auch ginge es nicht darum, Strittmatter als Ehrenbürger der Stadt Spremberg nicht zu ehren. Vielmehr betonte er, dass nur Kritik einen Autor am Leben erhalte und er erinnerte an die Auseinandersetzung um Günter Grass. Neue Aspekte zu analysieren, heißt nicht, dass der Autor angegriffen wird. Es muss als intellektuelle Pflicht der nachgeborenen Generation gelten, sich mit neuem Wissen auseinanderzusetzen.

Die Moralauslegung – so Dr. Nakath - sei problematisch, denn jeder Mensch muss in seiner Zeit verstanden werden. Kritik sei notwendig. Er sehe vielmehr ein Problem der offiziellen Politik in der Stadt Spremberg, die ihrem Ehrenbürger eine offizielle Würdigung zum 100. Geburtstag verweigern wolle.

In seinen Abschlussworten betonte Knut Strittmatter, dass er sich in der Verteidigerrolle für seinen Vater als herausragenden Autor sieht. Er wünscht sich Gerechtigkeit für seinen Vater und freute sich über die Unterstützung der Spremberg.

„Autoren sollen provozieren“, so die Aussage von Prof. Gansel. Es geht nicht darum, dass alle einer Meinung sein müssen. Die unterschiedlichen Erinnerungsgemeinschaften in der Stadt müssen in Diskussion gebracht werden um konstruktive Wirkung zu entfalten.

Das Fehlen der Stadtverordneten aus Spremberg, die sich gegen die Ehrung Strittmatters stellen, kritisierte Frau Brucke in ihren abschließenden Worten. Es müsse auch ein Punkt gesetzt werden, um das Positive nicht zu übersehen.

Trotz der schwülen und gewittrigen Stimmung am Abend, kamen Podiumsteilnehmer und Gäste miteinander ins Gespräch und kamen zum Schluss, dass der hier begonnene Mienungsaustausch unbedingt fortgeführt werden sollte.


Ein Mittschnitt der Veranstaltung wird am Freitag, dem 13. Juli 2012, in SprembergTV gezeigt.