Gramsci ist immer noch in Mode, wenn nicht sogar ein Pop-Star in der intellektuellen, gesellschaftlichen Linken. Er war, geboren 1891 auf Sardinien, Abgeordneter, Redakteur, Vertreter der italienischen kommunistischen Partei PCI bei der Kommunistischen Internationale. Vor allem aber schrieb Gramsci. Von seinen nur 46 Lebensjahren verbrachte er allerdings elf im Gefängnis, von diesen elf wiederum zwei mit Schreibverbot. Gramsci hat nie ein Buch veröffentlicht, seine wichtigsten Texte schrieb er in Gefangenschaft, in relativer Isolation, ohne Zugang zu wichtiger Literatur und unter Bedingungen der Zensur. Eine Einführung in das Denken von jemand zu verfassen, der oftmals nicht einfach geschrieben hat und zweitens aus nachvollziehbaren Gründen, verklausuliert schreiben musste, ist eine anspruchsvolle Aufgabe.
Barfuss/Jehle gehören zum engeren Kreis um den Verlag und die Zeitschrift „Das Argument“. Jene/r hat sich um die Gramsci-Rezeption im deutschsprachigen Raum verdient gemacht, sie aber auch strukturiert, wenn nicht versucht, sie zu dominieren. Ihr neuer Band zeigt, dass sie für eine Einführung zu nah am Gegenstand, wenn nicht befangen sind. So lösen sie ihr Vorhaben nur bedingt ein. Sie referieren zwar vieles aus dem Werk von Gramsci, Stichworte sind Revolution und Politik, der Alltagsverstand (als historisches Produkt und in all seiner Widersprüchlichkeit), die Intellektuellen („Alle Menschen sind Intellektuelle, Aber nicht alle Menschen haben in der Gesellschaft die Funktion von Intellektuellen) und, na klar, die Hegemonie in ihrer eigentümlichen Mischung aus Zwang und Konsens. Größeren Raum nimmt auch die Rolle der Religion ein. Zum Schluss des Buches streifen sie noch die Spätwirkungen von Gramsci, in den Cultural Studies (v.a. am von Stuart Hall geprägten Centre for Contemporary Cultural Studies in Birmingham) und in der neuen Internationalen Politischen Ökonomie. Die beiden verwenden relativ viele Originalzitate, ordnen das Denken von Gramsci aber nur wenig in seine Zeit und seinen Entstehungskontext ein. Ihr Buch ist keine wirkliche Einführung, da es an vielen Stellen, v.a. in den Exkursen zu speziell und damit zu voraussetzungsvoll ist. Es zeigt– unbeabsichtigt? – wie viele der Themen Gramscis mit seiner eigenen Biografie zusammenhängen. Augenscheinlichste Beispiele sind die Fragen der Religion wie allgemein der emanzipatorischen Überwindung rückständiger Denk- und Lebensweisen.
Eine Zeittafel, sowie ein Sach- und Personenregister schließen den Band ab. Mehr über den Menschen Gramsci ist in Briefe 1908 – 1926. Eine Auswahl (hrsg. von Antonio A. Santucci. Aus dem Ital. von Klaus Bochmann), Europaverlag, Wien/Zürich 1992 zu erfahren. Eine brauchbare, ältere Einführung ist Ulrich Schreiber: Die politische Theorie Antonio Gramscis, Argument-Verlag, Berlin 1982 (Argument-Studienhefte; SH 55).
Thomas Barfuss/Peter Jehle: Antonio Gramsci zur Einführung, Junius Verlag, Hamburg 2014, 190 S., 13,90 EUR