Nachfolgend der Bericht von der Fachkonferenz “Silence et prise de parole. Les intellectuels communistes dans les sociétés de type soviétique” die vom 14. bis 15. Juni 2013 am Centre Marc Bloch, Friedrichstr. 191, 10117 Berlin stattfand. Verfasst hat ihn Sonia Combe.
Die Veranstalter waren Centre Marc Bloch, Berlin, Cercec-EHESS, l’ISP-CNRS und Ludwig Boltzmann Institut for European History and Public Spheres (Wien), Rosa Luxemburg Stiftung.
Die Fachtagung „Schweigen und das Wort ergreifen - Kommunistische Intellektuelle in Gesellschaften sowjetischen Typs“, brachte am 14. und 15. Juni 2013 mehr als zwei Dutzend Historiker, Soziologen und Philosophen aus den thematisierten Ländern am Centre Marc Bloch in Berlin zusammen (Die UDSSR und die ihr angeschlossenen Staaten sollen in einer weiteren Tagung zum Thema werden). Die Tagung wurde organisiert vom Centre Marc Bloch, Berlin, dem Institut des Sciences Sociales du Politique, Paris, dem CERCEC-EHESS, Paris und dem Ludwig Boltzmann Institut, Wien, und vom CIERA und der Rosa-Luxemburg-Stiftung mitgetragen.
Die Tagung hat sich einer bislang in der Forschung vernachlässigten sozio-politischen Kategorie zugewandt: die der kommunistischen Intellektuellen, die trotz Kritik in der Partei blieben und versucht haben, das Wort zu ergreifen. Für diese wird die vom ostdeutschen Soziologen Jürgen Kuczynski eingeführte Bezeichnung als provisorisches Konzept vorgeschlagen. Als wahrhaftiges Oxymoron erlaubt der Begriff „linientreuer Dissident“ sowohl die Frage nach dem Wortergreifen innerhalb der Partei - als auch die Frage nach dem Schweigen außerhalb aus Gründen der Loyalität zu stellen.
Aber was verstand man unter „Loyalität“ und in wie weit lassen sich solche Personen ausmachen in diesen Gesellschaften? Gesellschaften, in denen die kulturelle und politische Tradition, die historische Rolle der kommunistischen Parteien, die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs und der Grad an offener Dissidenz sich so stark unterscheiden - dies aufgrund von historischen Zäsuren (insbesondere 1956 und 1968), die den Blick auf die offizielle Ideologie stark prägten.
Auf diese Fragen wollten die Teilnehmer durch den Austausch ihrer verschiedenen Perspektiven und Erfahrungen Antworten finden. So wie man mehrere Beispiele von „linientreuen Dissidenten“ in der DDR findet, so findet man sie ebenfalls in jedem der anderen Länder – auch wenn die Lebensläufe offensichtlich verschiedene Formen annehmen.
Diese Persönlichkeiten helfen einem zu verstehen, wie die Gesellschaften sowjetischen Typs über ihre Unterschiede hinweg bezüglich des proklamierten (aber nicht zwangsläufig umgesetzten) Sozialmodells übereinstimmten. Sie verhindern die Verfestigung einer aus einem postkommunistischen Konsens heraus entstandenen vorherrschenden Vorstellung von ihrer Natur nach repressiven Gesellschaften und fördern eine neue Annährung an die kommunistischen Parteien Osteuropas. Eine Podiumsdiskussion bei der mehrere ehemalige „linientreue Dissidenten“ ihre Erfahrungen vor 50 ZuhörerInnen diskutiert haben, erlaubte es zum Ende der Tagung, Zeitzeugen das Wort zu überlassen, die genau wie die Historiker dazu beitragen, die Geschichte der nahen Vergangenheit zu schreiben.
Konferenzprogramm
Freitag 15. Juni 2013
9h30: Ouverture Patrice Veit, Directeur du Centre Marc Bloch
10h: Présentation (Keynote speaker): Sonia Combe, ISP, Paris / CMB, Berlin
Présidence: Catherine Gousseff, Cercec-EHESS, Paris
10h30: Helmut Fehr, Akademia techniczno-humanistycsna, Bielsko Biala, Pologne: Zwischen individueller und politischer Dissidenz – Haltungstypen von Intellektuellen in real-sozialistischen Gesellschaften (Polen, Tschechoslowakei, DDR)
11h00: Ondrej Matejka, Université Charles, Prague: Erika Kadlecova: Dissent as a way of life of the marxist founder of the Contemporary Czech sociology of religion
Discutante: Muriel Blaive, Ludwig Boltzmann Institute, Vienne
11h30-12h: Pause café
12h-12h30: Anne-Marie Losonczy, EPHE, Paris: Sandor Haraszti : un itinéraire d’un journaliste communiste hongrois emprisonné sous plusieurs régimes.
Discutante : Marie-Elisabeth Ducreux, CMB, Berlin / CNRS, Paris
13h-14h30: Pause déjeuner
Présidence : Marie-Elisabeth Ducreux, CMB, Berlin / CNRS, Paris
14h30-15h: Libora Oates-Indruchova, Ludwig Boltzmann Institut, Vienne: Censorship, Social Capital and Authorship in Czech Akademia during Normalization
15h-15h30: Kristin Schulz, HU Berlin: “Du kannst DDR zu mir sagen”. Heiner Mullers Positionierungen gegenüber der DDR 1949-1995.
Discutant : Jens Gieseke, ZZF, Potsdam
16h-16h30: Pause café
17h-17h30 : Artan Fuga, Université de Tirana: Jusqu’où peut-on croire aux récits libres des „dissidents staliniens“? Une dissidence à part en Albanie à travers des mémoires et autobiographies.
17h30-18h: Kacper Sulecki, Hertie School of Governance, Berlin: On belief and guilt: Central European left-wing Intellectuals voyage towards and away from Communism.
Discutant: Jean-Charles Szurek
Samstag, 15. Juni 2013
Présidence: Muriel Blaive, Ludwig Boltzmann Institut, Vienne
10h-10h30: Ştefan Bosomitu, The Institute for the Memory of the Romanian Exile, Bucharest: The “Unaccomplished de-Stalinization”: Miron Constantinescu and His “Impossible Heresy”
10h30-11h: Horvath, Zsolt, Université Elte, Budapest: Dissidence, pédagogie et la création de communautés. Le cas du psychologue Ferenc Merei après 1956 en Hongrie.
Discutante: Aurélie Denoyer, Centre Marc Bloch
11h15-11h30: Pause café
11h30: Kuligowska, Klinga, Doctorante, Marburg Institut: Polnische Geister- und Sozialwissenschaftler im Westen, die infolge der Märzunruhen von 1968 aus der Volksrepublik Polen ausreisten: die Warschauer Schule der Ideengeschichte u.a. Leszek Kołakowski, Bronisław Baczko, Maria Hirszowicz und Zygmunt Bauman.
Discutante: Sandrine Kott, Université de Genève
12h30-14h: Pause déjeuner
Présidence: Béatrice von Hirschhausen, Centre Marc Bloch
14h-14h30: Ana-Maria Cătănus, The National Institute for the Study of Totalitarianism Romanian Academy: “The Road to Freedom Goes through Dissidence”. Mihai Botez and the Scientific Critique of Communism.
14h30-15h: Renate Reschke, Friedrich-Nietzsche Stiftung, Naumburg: Wolfgang Heise – Marxistisches Denken zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit
15h30-16h: Ivaylo Znepolski, Université de Sofia: Conflit entre la science et l’idéologie en Bulgarie après le 20e congrès et la chute de Khrouchtchev. Un groupe de philosophes « révisionnistes » à la recherche de l’autonomie scientifique.
Discutante: Sonia Combe, ISP, Paris / CMB, Berlin
16h30-17h: Pause café
17h-17h30: Jean-Charles Szurek, ISP-CNRS: Jerzy Tepicht (1908-1973): un dissident théorique
Discutante : Catherine Gousseff, Cercec-EHESS, Paris
17h30-18h: Conclusion: Michel Dobry, Université La Sorbonne- Paris 1
20h: Table ronde et réception (Platzhaus auf dem Teutoburgerplatz, Prenzlauer Berg)
Dissidents dans le Parti: jusqu’où pouvait-on prendre la parole? Des intellectuels témoignent: Annette Leo (Berlin), Daniel Passent (Varsovie), Régine Robin (Montréal/Paris), Ivaylo Znepolski (Sofia)
Modération : Sonia Combe, ISP, Paris / CMB, Berlin