Lesung und Diskussion mit Dr. Williy Buschak (Historiker, Dresden)
Montag, 18.11.2013 | 18:30 Uhr | im Salon der Rosa Luxemburg Stiftung | Franz-Mehring-Platz 1, 10247 Berlin | Eintritt frei
Wie ist Europa in die Welt gekommen? Wo kommt die Idee her, die Zölle zwischen den europäischen Staaten aufzuheben, die Grenzbarrieren niederzureißen, eine Europäische Union zu gründen? Das geht alles auf die „Gründerväter Europas“ zurück, ist die übliche Antwort, auf die christlich-demokratischen Politiker, die in den 1950er Jahren das Fundament der europäischen Einigung im Nachkriegseuropa legten. Gelegentlich wird noch auf Richard Coudenhove-Kalergi und seine 1923 gegründete Paneuropa-Union verwiesen.
Die bedeutende Rolle der Arbeiterbewegung als Vorläufer der europäischen Integration wird bis heute völlig verkannt. Die überbordende Fülle von Vorschlägen und Ideen zur europäischen Einigung, die von Sozialdemokratischen Parteien des europäischen Kontinents, von den Gewerkschaften und pazifistischen Organisationen, auch aus den Reihen Kommunistischer Parteien kamen, wurden völlig verdrängt. Dabei sprachen sich der französische Sozialist Jean Jaurès und der deutsche Sozialdemokrat Max Cohen schon Ende des 19. Jahrhunderts für die europäische Einigung aus. Für Max Cohen war Europa eine Alternative zur wilhelminischen Weltpolitik, die Deutschland bekanntermaßen in die Katastrophe führte. Europa war die Hoffnung aller Kriegsgegner in den Jahren des Ersten Weltkrieges. Nach Kriegsende erlebte die Debatte um die europäische Integration eine ungeahnte Intensität. Die Einigung Europas erschien Gewerkschaftern und Sozialisten als die einzige Möglichkeit, den zerstörten Kontinent wieder aufzurichten und ihm eine Zukunft in der Welt zu geben.
Die vielfach vermisste europäische Öffentlichkeit – es gab sie in den 1920er Jahren. Um die Vereinigten Staaten Europas wurde nicht nur in kleinen politischen Zirkeln gerungen. Die Europabewegung der 1920er Jahre war eine Volksbewegung, die europäische Integration von unten her zu schaffen versuchte, die Sozialisten und Katholiken, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sowie Pazifisten und selbst Kommunisten gleichermaßen erfasste und begeisterte. Die Forderung nach Bildung der „Vereinigten Staaten von Europa“ war in der organisierten Arbeiterschaft ungemein populär. Europa war in der Zwischenkriegszeit mehr, als eine Angelegenheit von außenpolitischen Spezialisten.
Europa war die Hoffnung auf eine andere und bessere Zukunft. Diese völlig verschüttete Tradition wird vom Dresdner Historiker Willy Buschak in seinem neuen Buch „Die Vereinigten Staaten von Europa sind unser Ziel. Arbeiterbewegung und Europa im frühen 20. Jahrhundert“ wieder freigelegt.
Dr. Willy Buschak, geboren 1951, ist Mitarbeiter des DGB, Bezirk Sachsen und Autor des im Dezember erscheinenden Buches „Die Vereinigten Staaten von Europa sind unser Ziel. Arbeiterbewegung und Europa im frühen 20. Jahrhundert“ (Klartext-Verlag, Essen 2013).
Die MÜNZENBERG LEKTIONEN sind eine Gemeinschaftsreihe des Münzenberg Forum Berlin, der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Linken Medienakademie (LiMa), der Tageszeitung neues deutschland und der Grundstücksgesellschaft FMP1 mbH.