News | Geschichte - Ungleichheit / Soziale Kämpfe Die Rosa-Luxemburg-Stiftung würdigte die Sorbin Maria Grollmuß

Philosophieabend zu Maria Grollmuß im Rahmen der Brandenburgischen Frauenwoche

Bericht von Renate Hensel (Senftenberg)

Es war ein außergewöhnlicher Erinnerungsabend. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Senftenberg würdigte im Rahmen der Philosophieabende anlässlich der 24. Brandenburgischen Frauenwoche eine Frau, die zu ihrer Zeit den Mut hatte, sich vorbehaltlos in die Politik einzumischen und ihr freiheitliches Denken uneigennützig lebte. Maria Grollmuß (1896-1944), Sorbin, katholische Christin, Sozialistin, Lehrerin, studierte Soziologin, promovierte Philosophin, Frauenrechtlerin und Widerstandskämpferin  gehört zu den mutigen Frauen, die in kein Schema passt.

Als gläubige Katholikin war sie auf der Suche nach Gerechtigkeit, sozialdemokratischen und sozialistischen Kreisen nicht nur ideell, sondern auch in ihrem Wirken eng verbunden. Die Welt der Nazis lehnte sie ab, arbeitete illegal bei der Verbreitung von Flugschriften und der Rettung Verfolgter. Auf Grund ihres Kontaktes zu Widerstandsgruppen wurde sie 1934 verhaftet, des Hochverrats angeklagt und zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach der Inhaftierung in Dresden und Waldheim folgte das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, für die sensible Intellektuelle die größte Demütigung. Ihr christlicher Glauben und ihre Überzeugung, dass nur eine sozialistisch geprägte Gesellschaft Menschlichkeit ermöglicht, versetzte sie in die Lage, mit der Kraft des Wortes den Inhaftierten Stärke zum Überleben zu geben. Als Spitzel in sorbischen Widerstandgruppen zu arbeiten und sich damit freizukaufen, kam für sie nicht in Frage.

Maria Grollmuß passt in kein Schema, früher nicht, heute nicht. Deshalb ist es nicht so selbstverständlich, dass früher wie heute Straßen und Schulen nach ihr benannt sind. „Aber was ist nun keine Selbstverständlichkeit? Dass Straßen und Schulen in der DDR nach einer Katholikin benannt wurden? Oder dass noch immer Straßen und Schulen nach einer Sozialistin benannt sind?“, fragt Gerd-Rüdiger Hofmann in der von ihm erarbeiteten Lesung, mit vorgetragen von den Schauspielern der NEUEN BÜHNE Senftenberg, Catharina Struwe und Hanka Mark, selbst Sorbin. Wenn sie die Gedanken von Maria Grollmuß in sorbischer Sprache vorträgt, spüren die Zuhörer zugleich die Empfindlichkeit einer Frau, die versuchte, ihren weiblichen Beitrag zu Vereinigung demokratischer Kräfte zu geben.

In ihrer Schrift „Die Frau und die junge Demokratie“ aus dem Jahre 1925 stellte sie schon damals fest: „Es ist nicht wahr, dass die unruhigen und betriebsamen und handfesten Frauen die Frauen der Politik sind - nicht Frauen, die an der Grenze des Männlichen stehen, sind es.“

Es ist das Kontrastprogramm zum zeitgenössischen Powerfrauen-Mythos, eine auch heute gültige und oft unterschätze Anerkennung all derer, die im Kleinen kritisch und selbstlos in Kommunen und im Land politisch wirken. 

An diesem Abend wurde ihr Lebenswerk dem Vergessen entrissen, ihrem facettenreichen Tun ein Denkmal gesetzt, das es früher nicht gab und auch heute nicht im Fernsehen vorkommt.

Die Lesung, welche mit historischen Dokumenten das Thema des Abends “Über die weibliche Form der Politik“ bildhaft hinterlegte, eröffnete den Zuhörern zugleich ein Stück Zeitgeschichte.

Für die zahlreich anwesenden sorbischer Bürger aus der Region gab der Philosophieabend die lang vermisste, besondere Würdigung dieser außergewöhnlichen Frau.
 
Unter den Gästen waren zum Beispiel Milena Vettraino (Intendantin des Sorbischen Nationalensembles Bautzen), Angela Schurmanowa (Mitglied des Rates für Sorbische/Wendische Angelegenheiten beim Landtag Brandenburg, Cottbus), Sabine Sieg (Stellvertretende Direktorin der Stiftung für das Sorbische Volk, Cottbus) und Günter Paulisch (Vorsitzender der Domowina-Gruppe Senftenberg/Zły Komorow).