3.12.2015 | 16:45-18:15 Uhr | Civil Society Space "Climate Generations" / World of Work Pavilion, Le Bourget | Saal 5
Seit einigen Jahren engagieren sich Gewerkschaften zunehmend im Kampf gegen den Klimawandel - einerseits aus der Einsicht heraus, dass es auf einem "toten Planeten keine Jobs geben wird", andererseits motiviert durch die Erkenntnis, dass die Transformation zu einem post-fossilen Wirtschaftssystem aktiv gestaltet werden muss. Ein zentraler Akteur hierbei ist die 2012 gegründete Trade Unions for Energy Democracy (TUED), der mittlerweile Gewerkschaften aus 13 Ländern angehören und die auch vom New Yorker Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung gefördert und unterstützt wird.
Widerstand leisten - Zurückfordern - Umstrukturieren
"Die Strategie von TUED besteht in dem Dreiklang 'Widerstand leisten - Infrastruktur zurückfordern - Energiesystem umstrukturieren'", bringt es der Gewerkschafter und TUED-Mitgründer Sean Sweeney während der Veranstaltung am Rande des Pariser Klimagipfels auf den Punkt. Der Widerstand zielt auf die weitere Förderung fossiler Rohstoffe, vor allem aber auf extreme Formen des Extraktivismus wie das extreme umwelt- und klimaschädliche Fracking oder die Förderung von Teersanden. Die Energieinfrastruktur, das heißt Erzeugungsanlagen und Übertragungsnetze, wollen die Gewerkschafter wieder in den öffentlichen Besitz überführen.
Die zentralen Anliegen der Restrukturierung des Energiesektors sind der Rückbau der fossilen Energieerzeugung und der Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie die Demokratisierung des gesamten Sektors. "Dass wir einen gerechten Übergang in die post-fossile Gesellschaft brauchen und dass nur möglich ist, wenn der Energiesektor in öffentlicher Hand ist, ist ein Punkt, der bei den Pariser Verhandlungen vollkommen außer Acht gelassen wird", so Sweeney. Es reiche nicht aus, dass der Staat Anreize für den Ausbau der Erneuerbaren Energien setzt und man sich ansonsten darauf verlasse, dass der Markt den Rest schon erledige. Ebenso wenig aber seien reine Staatsunternehmen geeignet, die Transformation zu organisieren. Welche Strukturen es dazwischen genau braucht und welche Rolle die Gewerkschaften hierbei spielen, ist Gegenstand intensiver Diskussionen innerhalb der Gewerkschaftsbewegung weltweit.
Just Transition nur mit den ArbeiterInnen
Die Gewerkschaften können und müssen eine zentrale Rolle in diesem Prozess spielen, so in jedem Fall der Tenor auf dem Podium. Sie können entscheidend dazu beitragen, dass der Rückbau der fossilen Energieerzeugung nicht losgelöst vom Ausbau der Erneuerbaren Energien stattfindet, so wie es beispielsweise im US-Bundesstaat Massachusetts der Fall ist, wie es Peter Knowlton von der US-amerikanischen Gewerkschaft United Electrical Workers berichtete. Dort werde 2017 das größte Kohlekraftwerk dichtgemacht - allerdings ohne den ArbeiterInnen eine Perspektive für alternative Arbeitsplätze innerhalb klimaverträglicher Sektoren zu bieten. "Bislang gibt es hier keine Verbindungen", so Knowlton. "Die wollen wir jetzt aber schaffen."
Dass die ArbeiterInnen ein Recht darauf haben, an der Gestaltung des Übergangs in eine post-fossile Gesellschaft beteiligt zu werden, betonte Jan Rude'n von der schwedischen Gewerkschaft SEKO. Die Entscheidungen müssten mit den ArbeiterInnen gemeinsam getroffen, niemand dürfe zurückgelassen werden. Das ist mit Sicherheit kein einfacher Prozess, aber das Potenzial an Arbeitsplätzen in klimafreundlichen Sektoren ist sehr groß, wie Rude'n ebenfalls unterstrich. "Weltweit entstehen Millionen von Jobs, wenn wir die Gesellschaft zu einer nachhaltigen umbauen."
Klar ist, dass diese Diskussion sehr umfassend geführt werden muss, weil es nicht allein um den Umbau des Energiesektors geht, sondern weil es - so betont es Sean Sweeney - auch eine Diskussion über das Wirtschaftssystem und die Art, wie wir als Gesellschaft leben wollen, geben muss.
"Wir brauchen eine demokratische Kontrolle"
Allerdings drängt die Zeit, weil der Klimawandel im drastischen Ausmaß voranschreitet. Um den Transformationsprozess des Energiesektors zu beschleunigen, braucht es erhebliche Investitionen. Genau hierin sehen die GewerkschafterInnen ein zentrales Argument dafür, den Energiesektor in die öffentliche Hand zu überführen. Nur so sei es möglich, dafür zu sorgen, dass die Gewinne tatsächlich in den massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien investiert würden. Dass es jedoch nicht ausreicht, die Energieversorgungsstruktur in öffentlicher Hand zu haben, zeigt der Bericht aus Korea. Dort, berichtete Yuna Song vom KPTU-Public Policy Institute for People, verhielten sich die Staatsunternehmen inzwischen ebenfalls wie private Konzerne - indem sie beispielsweise Gewinne nicht der Allgemeinheit zukommen ließen, sondern stattdessen in den Ausbau von Aktivitäten im Ausland steckten. "Was wir brauchen, ist eine wirklich demokratische Kontrolle", so Yuna Song, "wir brauchen nicht nur die richtige Form, sondern auch den richtigen Inhalt." Ein Diskussionspunkt hierbei ist, auf welchen Ebenen - lokal, regional, national - auch die Zivilgesellschaft einbezogen werden kann und muss. Was genau demokratische Rolle beinhaltet, kann sich von Land zu Land unterscheiden, zeigte die Diskussion.
Um die Transformation beziehungsweise den Dreiklang aus 'Widerstand leisten - Infrastruktur zurückfordern - Energiesystem umstrukturieren' schnell genug voranzubringen, ist es vor allem wichtig, sich über erfolgreiche Strategien und Erfahrungen auszutauschen, zeigten sich mehrere Diskussionsteilnehmer überzeugt. Gute Beispiele lassen sich in verschiedenen Staaten weltweit finden. Es müsse darum gehen zu zeigen, so Sweeney, dass es Alternativen zum Bisherigen und einen Weg aus der Klimakrise heraus gibt.