Publication Bildungspolitik - Demokratischer Sozialismus - Gesellschaftstheorie - International / Transnational - Europa Postsowjetischer Marxismus in Russland: Antworten auf die Herausforderungen des XXI. Jahrhunderts

Thesen zur Formierung einer wissenschaftlichen Schule. von Alexander Buzgalin und Andrej Kolganov (Hrsg.). Aus dem Russischen.

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RLS Papers

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January 2007

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Thesen zur Formierung einer wissenschaftlichen Schule


In der vorliegenden Arbeit geben die Autoren eine knappe Darstellung jener Ideen, die in dem Buch Das globale Kapital (russ.), Moskau 2004 formuliert worden sind. Die Autoren versuchen, ihre Lösungsvorschläge zu einer Reihe von aktuellen Problemen darzulegen, die sowohl mit der Entwicklung des zeitgenössischen Kapitalismus und der kapitalistischen Globalisierung zusammenhängen als auch mit den sozial-ökonomischen Transformationen im postsowjetischen Russland.
Dabei stützen sich die Autoren auf die Entwicklung der marxistischen Methode der Gesellschaftsanalyse und ihre Anwendung auf die gegenwärtige Realität. Die Autoren untersuchen die Evolution des zeitgenössischen Marktes und des Kapitals, die Entwicklung seiner globalen Hegemonie, die Veränderungen der Ausbeutungsmechanismen. Die Hauptlinie der Analyse - die Suche nach den in den Widersprüchen und Typen des zeitgenössischen globalen Kapitalismus real gegebenen Grundtendenzen der Transformation des „Reiches der Notwendigkeit“ in das „Reich der Freiheit“.

Zu der vorliegenden Arbeit existiert ein Kommentar der Autoren Günter Mayer/Wolfgang Küttler ("interner Link folgt Zu den programmatischen Positionen von Alexander Busgalin und Andrej Kolganow")


Inhalt

Einführung

1. Die Rehabilitierung und Entwicklung der dialektischen Methode

2. Die humanistische Philosophie der Geschichte

3. Der Neomarxismus als Theorie des Übergangs „jenseits“ der im engeren Sinne materiellen Produktion: Die Betrachtung der postindustriellen Voraussetzungen der Genesis des „Reiches der Freiheit“

3.1 Wenn die Theorie durch die Praxis nicht bestätigt wird, um so schlimmer für die Praxis

3.2 Der Wechsel der Dominanten: von den materiellen Ressourcen und Nützlichkeitsbedürfnissen zu den kulturellen Werten.

3.3 Der Wechsel der Dominanten: vom reproduktiven zum schöpferischen Inhalt der Tätigkeit

4. Das „Kapital des 21.Jahrhunderts“: zur Theorie der globalen Hegemonie des Kapitals

4.1 Der totale korporativ-vernetzte Markt („Der Markt der Spinnennetze“)

4.2 Das virtuelle Geld

4.3 Die totale Unterordnung des Menschen unter das Kapital

5. Das „Reich der Freiheit“ und die Voraussetzungen der Gesellschaft der Zukunft: Die neomarxistische Behandlung der Revolutionen, Reformen und des Sozialismus

6. Das Phänomen des „realen Sozialismus“ und die Perspektiven der sozialen Befreiung im 21. Jahrhundert

7. Russland an der Grenze der Jahrhunderte: Die neomarxistische Behandlung der sozial-ökonomischen Transformationen

Nachwort: Zur Situation des postsowjetischen Marxismus in Russland von Günter Mayer

Kurze Bibliographie von grundlegenden Monographien der Autoren

Anhang I: Biographische Angaben zu den Autoren

Anhang II: Namen und Institutionen der aktiven Teilnehmer an der akademischen Diskussion


Einleitung
Die Krise und Selbstzerstörung des sogenannten „realen Sozialismus“ in der UdSSR und der Mehrheit der anderen Länder des sozialistischen Weltsystems führte zu einem globalen Umschwung in der Sozialtheorie. Die dominierenden Funktionen in der Philosophie (besonders deutlich in der Lehre in Erscheinung tretend) hatten der Neopositivismus und der Neoliberalismus in eigentümlicher Verquickung mit dem Postmodernismus; in der Ökonomie die Neoklassik und der Neoinstitutionalismus usw. In den letzten Jahren, jedoch, machte eine „slawophile“ Tendenz von sich reden, die von den Arbeiten Berdâjevs, Bulkovs u.a. ausging. Der Zusammenbruch des Marxismus in Russland kann dafür, wie es scheint, nicht verantwortlich gemacht werden.

Die vorliegende Arbeit ist eine kurze Darlegung der Grundideen unserer Monographie "Das globale Kapital" (russ.), Moskau 2004. Diese ist eine der wenigen Arbeiten im gegenwärtigen Russland, die sich selbst begreifen als zeitgenössische marxistische Untersuchungen, die die Ausarbeitung neuer Aspekte dieser Theorie zum Ziele haben und auf die Herausforderungen der neuen Epoche zu antworten versuchen – auf die Genesis der Informationsgesellschaft, der Globalisierung und der Keime des Protoimperiums.

Es ist auch zu berücksichtigen, dass im Verlauf des letzten Jahres in zentralen Verlagen eine Reihe von Arbeiten erschienen ist (darunter von bekannten Liberalen), und im wissenschaftlichen Bereich gibt es eine Reihe von Diskussionen, in denen die Frage nach der Rolle und Aktualität des Marxismus im XXI. Jahrhundert aktiv reflektiert wird. Dabei wird der Marxismus gewöhnlich mit seiner dogmatischen Stalin’schen Version identifiziert. Indessen entwickelt sich neben dem sich in unserem Lande (wie auch in der ganzen Welt) sich erhaltenden orthodoxen Marxismus eine neue Tendenz, die wir als „postsowjetischen Marxismus“ bezeichnen.

Diese Bezeichnung hat sich noch nicht durchgesetzt, aber sie verweist auf die sozialräumliche und die sozial-zeitliche Positionierung dieser Schule, und darauf, dass sie aus der Kritik sowohl der alten dogmatischen Versionen des Marxismus und des Popper’schen Liberalismus des XX. Jahrhunderts als auch der zeitgenössischen Varianten des Neostalinismus („Philosophie des Reiches“, der Macht) sowie der postmodernistischen „Diskurse“ hervorgegangen ist.

Unterscheidungsmerkmale der sich formierenden Schule des postsowjetischen Marxismus sind:

  • Kritisches Beerben der Errungenschaften des klassischen Marxismus und seiner humanistischen, je inländischen Strömungen der zweiten Hälfte des XX. Jahrhunderts
  • Kritik der dogmatischen Stalin’schen Version des Marxismus und die Entwicklung, die Überprüfung einer Reihe von Thesen auf der Grundlage der Erfahrungen der letzten Jahrzehnte;
  • Offener Dialog mit anderen Schulen, vor allem (aber nicht nur) mit dem Existentialismus und anderen humanistischen Strömungen, mit dem klassischen Institutionalismus usw.;
  • den Akzent legen auf das Begreifen der zeitgenössischen (im weiten Sinne des Wortes, beginnend mit dem XX. Jahrhundert) Wirklichkeit als Epoche der globalen,  qualitativen Basisveränderungen des gesellschaftlichen Lebens, in denen die Voraussetzungen für die Genesis nicht nur der post-kapitalistischen, sondern auch der post-industriellen, der postökonomischen Gesellschaft (des „Reiches der Freiheit“) geschaffen werden. In diesem Sinne können wir unsere Strömung bezeichnen als „Marxismus der post-industriellen Epoche“.
  • dialektisches Verhältnis zu den Erfahrungen des “realen Sozialismus” als widersprüchlichem Phänomen, einerseits aus Zügen des typisch autoritär-bürokratischen Systems gebildet andererseits progressive Keime sozialistischer Verhältnisse aufweisend.

Ein solche Herangehen macht es uns möglich, das zeitgenössische sozial-ökonomische Leben ganzheitlich, systemdialektisch, im Kontext seiner historischen Entwicklung zu betrachten.

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