Publication Ungleichheit / Soziale Kämpfe - Globalisierung - Westeuropa Die Europäische Zentralbank. Macht außer Kontrolle?

Beiträge zur Internationalen Konferenz im Nov. 2001 Manuskripte 23 der RLS

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Manuskripte

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November 2001

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Beiträge zur Internationalen Konferenz im Nov. 2001

Manuskripte 23 der RLS

Inhalt

Vorwort

Michael Heine/Hansjörg Herr: Zur Geldpolitik der Europäischen Zentralbank

Suzanne de Brunhoff: Central Banks - monetary policies: The legacy of deregulation and disinflation measures

Dean Baker: A Progressive Monetary Policy for the ECB: Lessons from the U.S. Experience

Helmut Matthes: Zu den wirtschaftspolitischen Grundlagen der EZB und zur Reform der internationalen Finanzarchitektur

Stefan Collignon: How to create an optimal policy mix in the European Union? Karl Betz: Leichtes Geld oder harte Währung?

Jörg Huffschmid: Monetarismus als supranationales Recht?

Denis Durand: Welche Zentralbanken in Europa für welche Geldpolitik?

Klaus Steinitz: EU-Osterweiterung und die Geldpolitik der EU - Anforderungen, Wirkungen, Alternativen

Marica Frangakis: The financial implications of EMU for the Central Eastern European countries with reference to the Greek case

Christa Luft: Ohne erfolgreiche Bekämpfung der Arbeitslosigkeit keine auf Dauer stabile Europäische Währungsunion – Schlussfolgerungen für die Geldpolitik der EU

Michael Schlecht: Mit ruhiger Hand energisch gegensteuern

Heiner Flassbeck: Die Europäische Zentralbank: Unabhängig und unzugänglich

Peter Wahl: Eine andere EZB ist möglich

Francis Wurtz: Die politische Verantwortung der EZB

Autorinnen und Autoren

Vorwort

Die vorliegende Publikation dokumentiert die Ergebnisse der internationalen Konferenz "Die Europäische  Zentralbank - Macht außer Kontrolle?", die am 8. und 9. November 2001 in Berlin stattfand. Die Referenten und Referentinnen der Konferenz haben schriftliche Fassungen ihrer Vorträge in Form von Thesenpapieren  bzw.  ausgearbeiteten  Beiträgen  vorgelegt oder bereits publizierte Texte zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise ergab sich eine bunte, dafür aber umfassende Sammlung der Blickwinkel und Argumente.

Ungefähr  150 Personen  aus Wissenschaft, Politik, sozialen Bewegungen und interessierter Öffentlichkeit  waren  der  Einladung  der  Fraktion  Vereinigte  Europäische  Linke/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL) und der Rosa-Luxemburg-Stiftung gefolgt. Am Vorabend des endgültigen Abschieds der nationalen Währungen zielten die Veranstalter der Konferenz auf eine Wiederbelebung  und Politisierung der Diskussion über die Geldpolitik in Europa, die nach Einführung des Euro im Januar 1999 vor allem innerhalb der Linken abgeebbt war. Es sollte ausgelotet  werden,  inwieweit  Geldpolitik  für  die  wirtschaftlichen  Probleme  in  Europa  mit verantwortlich ist und eine andere Politik zu deren Lösung entsprechend beitragen könnte.

Das überraschende Interesse am Thema der Konferenz ist zum einen sicherlich der attraktiven und internationalen Zusammensetzung der Podien zu verdanken. Zum anderen zeigt die hohe Teilnehmer(innen)zahl aber auch die gewachsene Unzufriedenheit mit der Wirtschaftspolitik in Europa, den  Fortschritten und Perspektiven der ökonomischen  Integration  und  insbesondere mit der Institution der Europäischen Zentralbank (EZB): Ein zunehmender Teil der Bevölkerung ist nicht mehr bereit, die angeblichen  und  selbst geschaffenen Sachzwänge  des Stabilitäts- und Wachstumspaktes unhinterfragt zu akzeptieren.

Entsprechend  bestand in den Vorträgen und  Diskussionen Einigkeit darüber, dass der EZB mehr Demokratie und Transparenz abzufordern ist. Unterschiedliche Ansichten und Schwerpunkte traten dagegen hinsichtlich der Einschätzung der "richtigen" geldpolitischen Strategie zutage. Der überwiegende Teil der Redner(innen) plädierte für eine pragmatischere und gegebenenfalls  auch expansive Geldpolitik nach dem Muster der US-Zentralbank, die im Konjunkturverlauf deutlichere Zinssignale setzt und damit die Wachstums- und Beschäftigungspolitik unterstützt. Ebenfalls vertreten wurde jedoch die Ansicht, dass Geldpolitik in erster Linie für die Stabilität der Währung verantwortlich ist. Auch dabei wurde aber kritisiert, dass keine überzeugende Strategie der EZB zu erkennen und das Inflationsziel von 2% willkürlich gewählt und zu starr ist.

Die Vorträge der Konferenz waren auf fünf Podien verteilt, die der Natur der Sache entsprechend Überschneidungen aufwiesen. Die ersten beiden Blöcke thematisierten unter den Überschriften "Spielräume der Geldpolitik - Einschätzungen im internationalen Vergleich" und "Das unfertige Haus: Geld-, Fiskal- und Beschäftigungspolitik in Europa" allgemeine Grundlagen, Reichweite und Möglichkeiten von Geldpolitik: Der Beitrag  von Michael Heine  und Hansjörg Herr erörtert Konzeption, Spielräume und Reformbedarf der Geldpolitik der EZB, Suzanne de Brunhoff geht auf die neoliberale Grundlage der gegenwärtigen Geldpolitik ein, Dean Baker zieht Lehren aus den Erfahrungen mit der US-Zentralbank und Helmut Matthes stellt die EZB-Politik in den breiteren Zusammenhang der Notwendigkeit einer Reregulierung der internationalen Finanzmärkte. Auf  die Ebene  der  europäischen Wirtschaftspolitik  begibt sich  Stefan Collignon mit seinem Beitrag über einen optimalen policy mix und einen Kontrapunkt setzt schließlich Karl Betz mit seiner Einschätzung, dass die langfristig expansivste Geldpolitik eine Politik der harten Währung ist.

Die folgenden Podien "Unabhängigkeit und Demokratie" und "Neue Ungleichheiten? Osterweiterung und Regionalentwicklung" umfassten jeweils zwei Beiträge: Den undemokratischen Charakter der europäischen Geldpolitik beschreibt Jörg Huffschmid, und Denis Durand hinterfragt den Begriff der Unabhängigkeit. Beide  benennen konkrete Alternativen, die teilweise bereits ohne Veränderung des Vertrages über die Europäische Union realisiert werden könnten. Klaus Steinitz stellt die Auswirkungen der EU-Wirtschafts- und Geldpolitik auf die mittel- und osteuropäischen Beitrittskandidaten und die besonderen Herausforderungen für beide Seiten dar, Marica Frangakis zieht Lehren für die Osterweiterung aus dem Integrationsprozess des Finanzsektors in Griechenland.

Das Abschlusspodium diskutierte über  "Europäische  Beschäftigungspolitik  -  Herausforderungen an die Politik". Geldpolitik alleine kann keine Wende hin zu  einer expansiveren beschäftigungsorientierten Wirtschaftspolitik bringen - deswegen stellen Christa Luft fiskal- und strukturpolitische Impulse und Michael Schlecht eine grundlegende Änderung in der Verteilungspolitik in den Vordergrund ihrer Beiträge. Zentralbanken sind jedoch - und die EZB ist in dieser Hinsicht für Heiner Flassbeck besonders unbelehrbar - die strategische Institution, die solche Initiativen mit restriktiver Politik blockieren oder zunichte machen kann.

Peter Wahl schließlich begründet, warum er gegenwärtig Chancen auf eine Reform der EZB sieht. Abgerundet wurde die Konferenz mit einem Statement zur politischen Verantwortung der EZB von Francis Wurtz.

Wir danken allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Konferenz, die mit ihren Referaten und Statements aus dem Publikum zu einer lebendigen und mitunter  auch kontroversen Diskussion beigetragen und gezeigt haben, dass Geldpolitik nicht allein eine Angelegenheit der selbst ernannten neoliberalen Expert(inn)en ist. Es bleibt zu hoffen, dass sowohl die geldpolitische Strategie wie der  gesamte stabilitäts- und wachstumsorientierte Kurs in Europa auch künftig auf dem Monitor einer kritischen Öffentlichkeit bleiben, die gerade auch in Hinblick auf den Beitritt der mittel- und osteuropäischen Länder die Verantwortung der Europäischen Institutionen inklusive EZB für Beschäftigung und sozialen Ausgleich einfordert. Bedanken möchten wir uns schließlich ebenfalls für die tatkräftige Unterstützung, die bei der Vorbereitung und Durchführung der Konferenz von den Kolleginnen und Kollegen der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Fraktion GUE/NGL geleistet wurde.

Berlin im Mai 2002

Dr. Hilde Ettinger und Dr. Sabine Reiner