Paul Levi (11. März 1883 bis 9. Februar 1930)
Als vor 75 Jahren Reichstagspräsident Paul Löbe die Abgeordneten bat, sich zu einer Gedenkminute für ihren tödlich verunglückten Kollegen Paul Levi zu erheben, verließen die Fraktionen von NSDAP und KPD demonstrativ den Saal. Die Nazis zogen aus, weil sie dem scharfzüngigen Sozialisten, Antimilitaristen und unbestechlichen Antifaschisten in der Debatte nie gewachsen gewesen waren; außerdem gedachten sie keines Juden. Die KDP-Abgeordneten hingegen konnten Levi nicht verzeihen, dass er ihr erster regulärer Parteivorsitzender gewesen war und damit für eine Vergangenheit stand, in der Rosa Luxemburg noch nicht in der von ihr mitbegründeten Partei als „Luxemburgistin“ besudelt und diffamiert wurde. Paul Levi war ein politisch Heimatvertriebener, ein „heimatloser Linker“.
Erstmals reichsweit bekannt geworden war der Rechtsanwalt im Februar 1914, als Rosa Luxemburg dem 30jährigen linken Sozialdemokraten das Mandat für ihre Verteidigung in einem Prozess übertragen hatte, in dem sie wegen einer antimilitaristischen Rede im Titania-Saal in Frankfurt am Main angeklagt war. Über Levis Aufsehen erregendes Plädoyer wurde in der Presse nicht nur berichtet; es wurde auch auf den Titelseiten sozialdemokratischer Blätter abgedruckt.
Die Liebe zwischen ihm und Rosa währte zwar nur wenige Monate; politisch aber hatte er sich ihr ein Leben lang versprochen. Levi hielt nicht nur 1919 die beiden Trauerreden auf die mutige Revolutionärin aus Zamosc, 1929 entlarvte er auch Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts Mörder. Carl von Ossietzky schrieb: „Sein Plaidoyer im Jornsprozeß war eine Rede von einem wahrhaft dantonschen Format. [...] Ich frage, wer in Deutschland seit Ferdinand Lassalle diese fegende Vehemenz der Rede hatte.“ Nicht weniger freundliche Worte fand der ihm verbundene Albert Einstein, mit dem Levi noch zwei Tage vor seinem Tod letztmalig den Abend verbrachte.
1917 hatte Levi als der Vertreter der Spartakusgruppe die Ehrenerklärung für Lenin und Genossen unterzeichnet, die die in der Schweiz versammelten linken Weltkriegsgegner aus ganz Europa für die durch das feindliche Deutschland im Eisenbahnwaggon reisenden russischen Revolutionäre abgegeben hatten. Von der Februarrevolution waren er und Karl Radek zuvor im schweizerischen Davos überrascht worden. Radek sah er erst während der Novemberrevolution wieder. Da war Levi schon eines der „Drei L“, die von der Reaktion gejagt wurden: Liebknecht, Luxemburg, Levi. Paul Levi überlebte als Einziger – denn er saß seit dem 13. Januar als Häftling in Moabit, damals noch ein sicherer Ort in Berlin; ein paar Zellen weiter saß Karl Radek.
In den beiden folgenden Jahren arbeiteten beide eng zusammen: sowohl beim Aufbau der KPD als auch bei der Vereinigung mit der Mehrheit der USPD im Dezember 1920. In der Frage der putschistischen KAPD – einer „linken“ Abspaltung von der KPD, die zeitweilig aber viel größer war als Levis Partei – kam es 1920 zum Bruch; Moskau wollte die KAPD in die Kommunistische Internationale aufnehmen und zugleich die linksradikalen Kräfte in der KPD an die Führung bringen. Internationale Fragen verschärften die Auseinandersetzungen zusätzlich.
Zwar dachte Paul Levi in den Kategorien des Klassenkampfes zwischen Kapitalherrschaft und Arbeiterklasse. Auch sah er wie Rosa Luxemburg und Lenin in der Partei den aufgeklärtesten Teil der Klasse; anders aber als Lenin meinte er – gemeinsam mit Rosa Luxemburg –, dass die Partei nicht für die Klasse entscheiden, sondern ihr nur Vorschläge zur Entscheidung vorlegen dürfe, weil sonst die Partei irgendwann unweigerlich in Widerspruch zur Klasse geraten und damit alles verderben würde. Er hielt es für besser Fehlentscheidungen der Klasse zu ertragen, als eine Parteidiktatur, die den Sozialismus nur karikieren würde.
Im Februar 1921 trat Levi mit der Mehrheit des Parteivorstandes – von Radeks Intrigen entnervt – zurück; wegen seiner scharfen Kritik am putschistischen Vorgehen der neuen KPD-Führung während der mitteldeutschen Märzkämpfe wurde er am 15. April 1921 auch aus der Partei ausgeschlossen. Denen, die seinen Ausschluss besonders betrieben – Brandler, Thalheimer, Radek – erging es wenige Jahre später noch schlimmer.