Am 13. Oktober 2010 verfolgten hunderte Millionen von Menschen in 36 Ländern die Live-Übertragung der Rettung von 33 chilenischen Bergleuten, die 69 Tage in einem winzigen Rettungsraum knapp 700 Meter unter der Erdoberfläche eingeschlossen waren.
Freude, Erleichterung, Stolz – Gefühle, die überall in Chile, und weit über das Land hinaus, geteilt wurden. Der chilenische Präsident Sebastián Piñera hatte die Rettungsaktion zu seiner persönlichen Aufgabe gemacht: «Die Rettung wird nicht nur eine wahrhaftige Wiedergeburt der 33 Bergleute sein, sondern auch die Wiedergeburt eines Geistes der Einheit, der Kraft, des Glaubens und der Hoffnung.» Präsidenten, die ansonsten wenig Gemeinsamkeiten aufweisen, lobten Pinera: «Ich möchte Ihnen meine Glückwunschwunsch für diese außerordentliche Rettungsaktion aussprechen.», so der brasilianische Staatschef Lula. «Diese Rettungsaktion ist nicht nur ein Verdienst der Arbeiter der Rettungsmannschaft und der Regierung, sondern auch der Einheit des Volkes» erklärt Barack Obama. Hugo Chávez, Cristina Kirchner, Evo Morales schlossen sich mit ähnlichen Statements an.
Dennoch hinterlässt die mediale Kampagne rund um das Schicksal der 33 Männer auch den bitteren Nachgeschmack einer Inszenierung, die Wochen vorher begann. «Wir leben in einer Gesellschaft des Spektakels, und das Bergwerk San José und seine «Darsteller» wurden zum Theaterstück, mit Guten und Bösen, mit Opfern und Tätern. Aber bitte, ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit und Vernunft, lasst uns die höllische Realität, die die Bergleute und ihre Familien leben, nicht verstecken – sie ist real,» analysiert der Anthropologe Cristián Leporati.
[...]