Publication Wirtschafts- / Sozialpolitik - Rosalux International - Krieg / Frieden - Nordafrika Ein lukrativer Waffenmarkt

Das ägyptische Aufrüstungsprogramm und seine Folgen

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Isa Homann,

Published

September 2023

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Dem Putsch des Militärs vom 3. Juli 2013 folgte nicht nur eine in der ägyptischen Geschichte nie dagewesene Welle der Repression gegen revolutionäre Aktivist* innen, oppositionelle Demokrat*innen sowie Muslimbrüder und -schwestern. Auch außenpolitisch reklamierte das Militärregime einen regionalen Führungsanspruch. Wichtigstes Mittel der Machtdemonstration ist ein gigantisches Aufrüstungsprogramm. Zwar hatten bereits unter Husni Mubarak pensionierte Militärs lukrative Posten in der Zivilverwaltung und im staatlichen Wirtschaftssektor übernommen, sodass Beobachter wie Yazid Sayigh Ägypten als «Republik der Offiziere» bezeichneten. Das eigentliche Kerngeschäft des Militärs wurde unterdessen vernachlässigt. So telegrafierte der US-Botschafter in Kairo in einer (später geleakten) Depesche 2009 nach Washington, dass sich «die taktische und operative Bereitschaft der ägyptischen Streitkräfte (EAF) verschlechtert hat» – ein niederschmetterndes Urteil für das Selbstbild der Offiziere.

Isa Homann ist Journalistin und schreibt über die Region des Nahen und Mittleren Ostens.

Abdelfattah al-Sisi, der sich ein knappes Jahr nach der Machtübernahme des Militärs zum Präsidenten wählen ließ, erklärte, er werde dafür sorgen, dass sich die Ereignisse von 2011 nie mehr wiederholen würden. Heute dominiert die Armee, die unter Mubarak durch die Wirtschaftselite und die Sicherheitsorgane von ihrer einst dominierenden Position innerhalb der Herrschaftselite in die hintere Reihe verdrängt worden war, wieder alle Bereiche der Gesellschaft. Die neue Verfassung von 2014 spricht ihr die Rolle eines «Beschützers der Demokratie und der Verfassung, der Grundprinzipien des Staates und seiner zivilen Natur sowie der Rechte der Bürger» (Artikel 200) zu. Durch diese vage Formulierung wird das Militär über alle anderen Verfassungsorgane erhoben und die gewaltsame Absetzung von Präsident Muhammed Mursi posthum legitimiert. Zudem wurden Kompetenzen der Militärgerichtsbarkeit erweitert, sodass heute auch Zivilist*innen von Militärgerichten, gegen deren Urteile keine Berufung möglich ist, verurteilt werden können. Die Kontrolle über das Verteidigungsbudget wurde dem Parlament entzogen und einem «Nationalen Verteidigungsrat» übertragen, der bei der Verabschiedung aller Gesetze, die das Militär betreffen, zu konsultieren ist (Artikel 203).

Unter dem Sisi-Regime haben sich die ägyptischen Rüstungsimporte verdreifacht. Ägypten avancierte nach Indien und Saudi-Arabien zum weltweit drittgrößten Waffenimporteur. Schwerpunkt der Aufrüstung ist die Modernisierung der Luftwaffe – hier versucht Ägypten seit dem verlorenen Sechs-Tage- Krieg eine Parität mit Israel zu erreichen – sowie der massive Ausbau der Marine mit dem Ziel, das Operationsgebiet ins östliche Mittelmeer und bis ans Horn von Afrika auszuweiten. Nach Angaben von «Global Firepower» verfügt Ägypten heute zahlenmäßig über die größte Luftwaffe, die stärkste Marine und die meisten Panzereinheiten im Nahen Osten und auf dem afrikanischen Kontinent. Um sich mehr innen- und außenpolitischen Spielraum zu verschaffen und die starke militärische Abhängigkeit von den USA zu verringern, aus denen bis zum Sturz Mubaraks 80 Prozent der Waffenimporte stammten, wurden die Bezugsquellen diversifiziert. Heute sind Russland sowie die EU-Länder Frankreich, Deutschland und Italien noch vor den USA die wichtigsten Waffenlieferanten, deren Interessen das Sisi-Regime geschickt gegeneinander auszuspielen weiß, um seinen regionalen Einfluss zu erhöhen und seine Macht zu zementieren.

Welche Ziele verfolgt Ägypten mit dieser massiven Aufrüstungspolitik? Wo überschneiden sich strategische Interessen der Lieferländer mit den Machterhaltungsstrategien des Sisi-Regimes? Und welche Folgen hat die Militarisierung unter Sisi für die Sicherheitsarchitektur der MENA-Region?

Isa Homann