Publication Wirtschafts- / Sozialpolitik - Kapitalismusanalyse - Ungleichheit / Soziale Kämpfe Politische Zielkonflikte bei der Umsetzung der Schuldenbremse auf Bundes- und Länderebene

Reihe «Studien» von Dieter Vesper.

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Series

Studien

Author

Dieter Vesper,

Published

March 2012

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Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat im vergangenen Jahr eine Studie zur Problematik der Schuldenbremse in Auftrag gegeben. Der Autor Dieter Vesper fasst seine Untersuchungen folgendermaßen zusammen:

«Die Auseinandersetzung mit der sog. Schuldenbremse hat durch die jüngste Finanzmarktkrise Aktualität gewonnen. Viele sehen die Lösung der Krise darin, dass Europa das Modell der Schuldenbremse übernimmt. Doch wird die Implementierung dieser Bremse gravierende ökonomische wie politische Konsequenzen nach sich ziehen. Nicht die Existenz einer Schuldenbremse ist notwendige Voraussetzung für eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, sondern ein Konjunkturaufschwung. Eine Austeritätspolitik höhlt indes die gesamtwirtschaftlichen Grundlagen aus und bewirkt im Zweifel das Gegenteil einer Konsolidierung. Die «Rationalität» der Schuldenbremse erschließt sich nicht ohne Diskussion der wesentlichen Pro- und Contra-Argumente bezüglich der Staatsverschuldung. In einem zweiten Schritt werden die Funktionsmechanismen der Schuldenbremse skizziert. Die zentrale Schwachstelle des Konzepts ist, dass für die Trennung von «strukturellen» und «konjunkturellen» Defiziten kein robustes Berechnungsverfahren existiert, damit aber politisches Handeln auf eine höchst wackeligen
Grundlage gestellt wird. In einem weiteren Schritt werden die finanziellen Perspektiven der öffentlichen Haushalte in Deutschland aufgezeigt. Deutlich wird, dass der geforderte Defizitabbau nur gelingt, wenn die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen günstig sind und eine äußerst zurückhaltende Ausgabenpolitik verfolgt wird. Die Lage der finanzschwachen Länder ist indes ausweglos. Die Ausgabekürzungen werden die Infrastrukturlücke vergrößern. Betroffen von Kürzungen werden vor
allem die Ausgaben für Bildung sein. Dies birgt nicht nur Gefahren für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Bereits in der Vergangenheit
ist Deutschland bei der Qualifizierung des Humankapitals im internationalen Vergleich zurückgefallen. Weitere Einbußen wären verhängnisvoll. Auch für die Integrationsbemühungen in der Gesellschaft würden weitere Barrieren aufgebaut: Der Zugang zum Bildungssystem ist Voraussetzung für die Integration in die Gesellschaft und für die Erzielung eines hinreichenden Erwerbseinkommens.»

Vesper untersucht die Probleme, die mit der Schuldenbremse verbunden sind, beispielhaft an den Ländern Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein. In den Projektionen der möglichen Entwicklung berücksichtigt er bei der Abschätzung der weiteren Entwicklung eine optimistische und eine pessimistische Variante (real 1,5 Prozent bzw. 0,5 Prozent Wachstum des Bruttoinlandsprodukts) und vergleicht dies mit der Entwicklung der letzten 10 Jahre (etwa 1,15 Prozent). Er geht weiter davon aus, dass sich die Verteilung zwischen Löhnen und Gewinnen nicht weiter verschlechtert (wie das im Jahrzehnt zuvor der Fall war), dass aber die Lohnentwicklung im öffentlichen Dienst erneut hinter der allgemeinen Lohnentwicklung zurückbleibt. Vorausgesetzt wird weiter, dass die Beschäftigtenzahl
im Öffentlichen Dienst weiter rückläufig ist (um 1 Prozent pro Jahr), wie das in den meisten Ländern auch angestrebt wird. Vesper zeigt damit, dass in der gegenwärtigen Finanzverfassung, die eben durch die Schuldenbremse geprägt ist, letztlich Kürzungspolitik angelegt ist. Damit sind die Konfliktfelder der nächsten Jahre deutlich bestimmt. Von oben wird die Umverteilungsfrage gestellt. Die konstatierte Ausweglosigkeit der Lage der finanzschwachen Länder bedeutet Abbau öffentlicher Leistungen. Nach den langen Erfahrungen führt dies wiederum zu einer Abwärtsspirale auch in den finanzstarken Ländern. Die Szenarien gehen realistisch davon aus, dass der Öffentliche Dienst eben nicht entwickelt wird. Weder im Umfang noch in der Bezahlung. Für die weitere Diskussion werden damit wichtige Richtungen markiert. Die Gewalt, die heute gegen das griechische Volk ausgeübt wird, soll subtiler auch hier angewandt werden. Die Schuldenbremse ist ein zentrales Instrument dabei.

STUDIEN wird herausgegeben von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und erscheint unregelmäßig
V. i. S. d. P.: Marion Schütrumpf-Kunze
Franz-Mehring-Platz 1 · 10243 Berlin · Tel. 030 44310-127 · Fax -122
m.schuetrumpf@rosalux.de · www.rosalux.de
Redaktionsschluss: Januar 2012