Publication Arbeit / Gewerkschaften - Ungleichheit / Soziale Kämpfe Dienstleistungspolitik in Ostdeutschland

Memorandum zu einer Gesprächs- und Veranstaltungsreihe der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Von Martin Beckmann und Horst Kahrs.

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Buch/ Broschur

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Martin Beckmann,

Published

September 2013

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Ein wesentliches Element des ökonomischen Strukturwandels der letzten Jahrzehnte ist der Bedeutungszuwachs der Dienstleistungen: Heute entfallen über 70 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse auf den Dienstleistungssektor, und sein Wertschöpfungsbeitrag hat einen vergleichbaren Umfang. Sein Wachstum in den letzten Jahren in Deutschland geht allerdings vornehmlich auf die gezielte Deregulierung des Arbeitsmarktes sowie die Liberalisierung und Privatisierung der Dienstleistungsmärkte zurück. Dies hatte zur Konsequenz, dass gerade in diesem Bereich viele prekäre Beschäftigungsverhältnisse entstanden sind. Laut DGB-Index «Gute Arbeit» von 2009 liegt bei 38 Prozent der in den Dienstleistungsbranchen Tätigen das monatliche Bruttoeinkommen bei 1.500 Euro oder sogar darunter (ver.di 2010a: 6).

Angesichts großer gesellschaftlicher Herausforderungen, wie zum Beispiel dem demografischen Wandel oder der Notwendigkeit einer ökologischen Verkehrswende, wäre es wichtig, statt einer Low-Road- eine High-Road-Strategie zur Gestaltung der zukünftigen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft einzuschlagen. Dafür wird die Entwicklung einer Dienstleistungspolitik benötigt, die auf gute Arbeit, soziale Innovationen, ökologische Nachhaltigkeit und eine Stärkung der Massenkaufkraft durch gerechtere Verteilungsverhältnisse setzt.

Im vergangenen Jahr hat sich auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di eine Runde von Expertinnen und Experten von ver.di und der Landtagsfraktionen der Partei DIE LINKE in Thüringen und Sachsen-Anhalt mehrmals getroffen, um gemeinsam zu beraten, wie eine solche Dienstleistungspolitik in den ostdeutschen Ländern aussehen und auf den Weg gebracht werden könnte. Begleitet wurden diese Gespräche von der Vorsitzenden des Gesamtpersonalrates der Stadt Halle, Simona König, und dem Bürgermeister von Hildburghausen, Steffen Harzer.

Auf einer ersten Tagung am 15. Mai 2012 in Erfurt ging es um die Eckdaten der bereits stattfindenden demografischen Entwicklungen und ihrer Dynamik und um die Auswertung des Sozialwirtschaftsberichts des Landes Thüringen hinsichtlich der Potenziale für eine gute Dienstleistungspolitik. Wie kommen Veränderungen in die Welt? Wer sind die Träger von Innovationen? Diese Fragestellungen standen im Mittelpunkt des zweiten Treffens am 26. Juni 2012 in Jena. Thema waren aber auch die berechtigten Bedenken gegenüber Innovationsprozessen, die häufig von oben angestoßen werden und aus der Sicht der Beschäftigten immer mit höherem Leistungsdruck und Personalabbau verbunden sind und aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger eher selten zu einem qualitativ besseren Dienstleistungsangebot führen.

Wie aber können partizipative Prozesse und Verfahren aussehen, die sowohl den Interessen der Bürgerinnen und Bürger und denen der Beschäftigen gerecht werden und in denen gemeinsam, sozusagen «von unten», ermittelt werden kann, was gesellschaftlich notwendig ist? Wie kann ein politischer Mainstream durchbrochen werden, der unter der Dominanz von «Haushaltskonsolidierung» und «Schuldenbremse» die für eine nachhaltige Gesellschaftsentwicklung notwendigen und wünschenswerten Dienstleistungsangebote auf die unter den gegebenen finanziellen Rahmenbedingungen «bezahlbaren» reduziert wissen will? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der weiteren Gesprächsrunde am 12. September 2012 in Jena und der abschließenden Fachtagung in Erfurt am 14. November 2012. Besonderes Augenmerk galt dabei der Frage, wie die modernen digitalen Techniken in
diesem Prozess unterstützend eingesetzt werden können, ohne dass die Qualität von Dienstleistungen und ihr spezifischer Charakter als Arbeit von, mit, an und für Menschen darunter leiden.

Dieser Bericht versteht sich als ein Zwischenergebnis und wirft möglicherweise mehr Fragen auf, als dass er Antworten enthält. Unser Ziel war es, eine Debatte zu verbreitern, in deren Mittelpunkt Dienstleistungspolitik aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger und der Beschäftigten steht. Denn ob eine Dienstleistung «gut» ist, entscheiden immer beide Seiten: Diejenigen, die sie erbringen, und diejenigen, für die sie angeboten werden. In diesem Sinne betrachten wir die Debatte für eröffnet, nicht für beendet. Die auf den Treffen und Tagungen gehaltenen Vorträge können, soweit sie dokumentiert sind, über die Rosa-Luxemburg-Stiftung bezogen werden.

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