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Erleben wir die Institutionalisierung von PODEMOS oder eine Rückkehr der Demokratisierungsbewegungen? Spanien nach den Wahlen vom 20. Dezember.

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Raul Zelik,

Published

December 2015

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Bei den spanischen Parlamentswahlen am 20. Dezember hat sich die bereits während der Platzbesetzungen der 15M-Bewegung im Jahr 2011 beobachtete Entwicklung weiter fortgesetzt: Die Parteien, die das politische System seit dem Ende der Franco-Diktatur 1976 beherrschten, haben massiv an Glaubwürdigkeit eingebüßt und sind regelrecht implodiert. So kommen die rechtskonservative PP (Partido Popular) und die sozialdemokratische PSOE (Partido Socialista Obrero Español) zusammen nur noch auf 50 Prozent. Die regierende PP trifft es besonders hart: Sie verliert im Vergleich zur letzten Wahl 16 Prozentpunkte – etwa 3,7 Millionen WählerInnen – und kommt nur noch auf 28,7 Prozent. Als größte Partei vom spanischen Wahlsystem begünstigt, stellt sie in der kommenden Legislaturperiode zwar weiterhin noch 123 (von insgesamt 350 Sitzen), aber kann auch mit den neoliberalen, spanisch-nationalistischen Ciudadanos (Bürger) keine Regierung bilden.

Kaum weniger dramatisch fällt das Debakel der PSOE aus. Die Sozialdemokratie, die eine Schlüsselrolle in der kontrollierten Modernisierung Spaniens nach dem Ende der Diktatur spielte, fährt das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein und stellt mit 22 Prozent der Stimmen nur noch 90 Sitze im spanischen Parlament.

Eindeutiger Wahlgewinner ist hingegen die linkspopulistische, anti-neoliberale Bürgerpartei PODEMOS. Die erst 2014 gegründete Organisation, der Anfang des Jahres bei Umfragen noch bis zu 30 Prozent der Stimmen vorhergesagt worden war, hatte im Verlauf des Jahres massiv an Zustimmung eingebüßt, konnte in der Endphase des Wahlkampfs jedoch wieder stark aufholen. Sie kommt auf 20,6 Prozent der Stimmen und wird 69 Sitze im Parlament stellen. Davon entfallen allerdings 27 (bzw. 8 Prozent der gesamtspanischen Stimmen) auf die regionalen Bündnisse En Comú Podem (Katalonien), En Marea (Galicien) und Compromís-Podemos (Valencia), die das nationale Selbstbestimmungsrecht ihrer Regionen befürworten und von PODEMOS unabhängige Fraktionen im Madrider Parlament bilden werden.

Deutlicher schwächer als von den Umfrageinstituten vorhergesagt, schneiden die neoliberalen Cuidadanos ab. Mit 13,9 Prozent gewinnen sie nur 40 Parlamentssitze. Die Partei, die 2006 als prospanische Bewegung gegen die Autonomie- und Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien gegründet worden war, tritt nicht nur für die Fortführung einer wirtschaftsliberalen Politik ein, sondern will auch verhindern, dass es zu einer föderalistischen Neuordnung Spaniens oder gar zu einer Loslösung Kataloniens kommt.

Da verschiedene Regionalparteien sowie Izquierda Unida insgesamt über weitere 28 Sitze im Madrider Parlament verfügen, kommen praktisch nur eine – von der PSOE allerdings abgelehnte – große Koalition oder aber Neuwahlen in Frage. PODEMOS hat zwar schon am Wahlabend Gesprächsbereitschaft gegenüber der von Korruptionsskandalen gebeutelten Sozialdemokratie signalisiert. Doch die beiden Parteien könnten nur mithilfe der katalanischen und baskischen Parteien regieren, die im Gegenzug die Durchführung eines verbindlichen Unabhängigkeitsreferendums in Katalonien fordern würden. Diese Forderung aber ist in der spanischen Mehrheitsgesellschaft kaum durchsetzbar.

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