Documentation Gute Arbeit hat ihren Preis!

Aufwertung in den Sozial- und Erziehungsdiensten jetzt!

Information

Event location

Kulturzentrum Schlachthof e.V.
Mombachstraße 12
34127 Kassel

Date

18.04.2015

Organizer

Hannah Schurian,

With

Alexander Wegner (Bundesfachgruppenleiter Sozial-, Kinder- und Jugendhilfe), Hansi Weber (ver.di-Landesfachgruppenvorsitzende Sozial-, Kinder- und Jugendhilfe Baden-Württemberg), Bernd Riexinger (Bundesvorsitzender DIE LINKE), Kristin Ideler (ver.di Hessen, Gewerkschaftssekretärin für Sozial-, Kinder- und Jugendhilfe) u.a.

Themes

Ungleichheit / Soziale Kämpfe, Arbeit / Gewerkschaften

Zu einem Ratschlag Sozial- und Erziehungsdienste (SuE) trafen sich rund 70 Beschäftigte, UnterstützerInnen sowie haupt- und ehrenamtliche GewerkschafterInnen am 18.04.2015 in Kassel. Unter der Überschrift „Gute Arbeit hat ihren Preis! Aufwertung in den Sozial- und Erziehungsdiensten jetzt!“ diskutierten sie die gesellschaftspolitische Relevanz der aktuellen Tarifauseinandersetzung, gewerkschaftliche Ansätze einer Aufwertung sowie Chancen und Herausforderungen einer breiten Solidaritätsarbeit.

Wenn Beschäftigte in den Sozial- und Erziehungsdiensten streiken, richten sie keinen ökonomischen Schaden an. Gerade deshalb sei es so wichtig, parallel zu den Streiks die Politik unter Druck zu setzen – betonte Bernd Riexinger, Vorsitzender der Partei DIE LINKE, in seinem Einleitungsvortrag. „Wir haben genug Geld, aber sparen an Kindern und Jugendlichen, die dringend unsere Unterstützung benötigen“, kritisierte anschließend Sabine Schwendner, Personalrätin Allgemeine Soziale Dienste (ASD) im Kreis Offenbach.

In dem Workshop „Keine Aufwertung ohne Umfairteilung“ erläutert Professor Michael Klundt,  dass die Schere zwischen Reich und Arm in den letzten zehn Jahren kontinuierlich auseinanderging. Während die Reichen nicht wüssten, wo sie ihr Geld noch investieren könnten, wirke sich in der Jugendarbeit und dem gesamten Bereich der SuE die Schuldenbremse aus. Diese Form der öffentlichen Armut sei eine bewusste ökonomische Strategie, so Klundt. Faktisch finde im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe mit der Schaffung eines Marktes für freie und gewerbliche Anbieter eine Verschlechterung der Leistungen statt. Diese bieten Paketlösungen an, die zwar auf die Ausschreibung hin orientieren, aber nicht zielführend im Interesse der Familien und der Kinder seien.
Diese Beobachtung bestätigten auch die beiden Personalrätinnen Runa Pal und Sabine Schwendner, die in dem Workshop „Gute Sozial- und Erziehungsdienste für alle Kinder“ über die Veränderungen im Bereich der ASD berichteten. Der hohe Erwartungsdruck an die Mitarbeiter zerstöre die Motivation und führe zu einer hohen Fluktuation. Die Fälle sollen zunehmend nach Standards abgearbeitet werden. Jede Familie habe aber ihre eigenen individuellen Herausforderungen und ein Schema F sei da wenig hilfreich – so die Sozialarbeiterinnen.
Im zweiten Teil des Workshops diskutierten dann Bernhard Eibeck, Referent für Jugendhilfe & Sozialarbeit beim GEW-Hauptvorstand sowie Dr. Rosemarie Hein, MdB und bildungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE über die Chancen eines Kita-Qualitätsgesetzes. Eibeck beklagte, dass durch den Fokus auf den Ausbau von Plätzen für unter 3-Jährige Fragen der Qualität zunehmend in den Hintergrund geraten seien. Dabei stand Qualität kurz nach der Veröffentlichung der PISA-Ergebnisse schon einmal im Vordergrund. Allerdings habe die Frage, warum die skandinavischen Länder so viel besser abschnitten, nicht dazu geführt, die Schulen zu verbessern, sondern dazu, dass man heute bereits bei den Kleinkindern ansetze.
Im Workshop „Strategien für höhere Löhne und mehr Personal“ begann Hansi Weber,  Erzieherin und Sozialarbeiterin sowie ver.di-Landesfachgruppenvorsitzende Sozial-, Kinder- und Jugendhilfe Baden-Württemberg mit einem Rückblick, wie die überwiegend weiblichen Beschäftigten in den SuE streikfähig wurden. Hansi Weber betonte, dass Frauen im Streik einen emanzipatorischen Prozess durchlaufen. Dies wirke sich nicht nur auf sie selbst, sondern auch auf die Kinder aus: „Wenn Menschen für sich selber eintreten können und demokratische Rechte wahrnehmen, dann können sie das auch den Kindern vermitteln.“ Auch Kristin Ideler, Gewerkschaftssekretärin für Sozial-, Kinder- und Jugendhilfe, arbeitete heraus, dass es die Verhältnisse zwischen den Geschlechtern in den Gewerkschaften grundlegend verschiebe, wenn Frauen in den SuE so selbstbewusst auftreten. Sie erhoffe sich von dem Streik einen „feministischen Fahrstuhleffekt“. Wenn in diesem Bereich der feminisierten Sorgearbeit Verbesserungen erreicht werden, dann könne sich dies auch auf andere Bereiche wie zum Beispiel die Pflegebranche auswirken.

Ein Schwerpunkt der weiteren Diskussion drehte sich um die Frage der Elternarbeit. Es sei wichtig, die Eltern frühzeitig zu informieren und Notdienstvereinbarungen mit den Arbeitgebern auszuhandeln. Gerade jene Eltern, die ihre Kinder in die Notdiensthäuser bringen, stehen häufig unter einem hohen Druck. Gerade die Notdiensthäuser müssten mit StreikbefürworterInnen besetzt seien, die mit den Eltern sich auseinandersetzen können, so Hansi Weber.

Die Herausforderungen der Elternarbeit war auch Gegenstand im Workshop „Gemeinsam gewinnen – Unterstützungsbündnisse und Öffentlichkeitsarbeit“. Michael Suntrup vom Landeselternbeirat in NRW führte in die Struktur und Arbeitsweise des Landeselternbeirats ein, der während der Streikbewegung 2009 entstanden ist. Daniel Anton vom SDS Freiburg berichtete über die Zusammenarbeit des Unterstützungsbündnisse mit dem Gesamtelternbeirat, der als Multiplikator fungiert und Informationsmaterialien an die Eltern weiterleite. Der Erfahrungsaustausch von VertreterInnen von Bündnissen aus Kassel, Darmstadt, Leipzig, Freiburg, Hamburg und München zeigte allerdings auch, dass die Elternarbeit eine der zentralen Herausforderungen ist. Nur selten gehen Eltern von sich aus auf die Bündnistreffen. Stattdessen suchten die UnterstützerInnen die Eltern dort auf, wo sie sie an Streiktagen zu finden vermuten – wie zum Beispiel am Eingang des Münchner Zoos. Auch Bedingungen für eine gute Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft waren Gegenstand der Debatte. Es wurde offensichtlich, dass den GewerkschaftssekretärInnen häufig selbst die zeitlichen Ressourcen fehlen, um Bündnisse anzustoßen. Wichtige Voraussetzungen für eine Kooperation sind, dass Vertrauen zunächst behutsam aufgebaut wird und auch eine klare Arbeitsteilung eingehalten wird. Ronny Pries betont zudem die Vorteile einer langfristigen Netzwerkarbeit. Der Arbeitskreis Kinder und Jugendliche in Hamburg sei Beispiel für eine kontinuierliche Arbeit zwischen Elternbeiräten, Gewerkschaften und Partei DIE LINKE. Darin verstehe sich DIE LINKE als eine lernende Partei, die in der Stadt verankert ist und mit dem AK einen Ort geschaffen hat, in dem voneinander gelernt werden kann. Wie gut dieses Modell angenommen wird, zeige die breite Beteiligung an den Treffen des AK´s.

Der Ratschlag hat Mut gemacht für die kommende Auseinandersetzung. Es wurde deutlich wie wichtig es ist, eine kritische Öffentlichkeit herzustellen und insbesondere auch die Frage der Finanzierung offensiv anzugehen.

Programm des Ratschlags

Vorträge

Weiterführende Informationen und Materialien

Ankündigungstext

Die Anforderungen an pädagogische Fachkräfte sind hoch und steigen stetig. Dies spiegelt sich jedoch weder in der Bezahlung noch in den Arbeitsbedingungen wider. Das durchschnittliche Einstiegsgehalt einer Erzieherin liegt bei ca. 2.220 Euro. Viele arbeiten zudem in Teilzeit, so dass das Armutsrisiko in diesen so genannten Frauenberufen hoch ist. Gleichzeitig ist die Arbeitsbelastung und Verantwortung in den Sozial- und Erziehungsdiensten enorm. Die Folge der prekären Arbeitsbedingungen ist ein Fachkräftemangel: Etwa 40 Prozent der ausgebildeten ErzieherInnen und KinderpflegerInnen wandern im Berufsverlauf ab.

Beschäftigte und Gewerkschaften fordern deshalb eine materielle Aufwertung: Gute Arbeit hat ihren Preis! Es geht bei dieser Auseinandersetzung aber nicht nur um eine bessere Bezahlung, sondern auch um die gesellschaftliche Anerkennung von feminisierter Arbeit. Es geht um die Chancen von Kindern und Jugendlichen, dass für sie gesorgt wird und sie eine gute Bildung erfahren. Letztendlich ist es eine politische Frage, was einer Gesellschaft gute Arbeit und gute Bildung wert ist.

Viele Kommunen und Städte sind allerdings infolge der Kommunalisierung – also dem Delegieren sozialstaatlicher Aufgaben an die Kommunen – sowie sinkenden Steuereinnahmen verschuldet. Doch Geld ist genug da – wir müssen es nur richtig umverteilen! Ein weiteres Zurückdrängen öffentlicher Infrastruktur und ein Qualitätsverlust vertiefen dagegen soziale Ungleichheiten.

Gemeinsam mit Beschäftigten, ehrenamtlichen und hauptamtlichen GewerkschafterInnen, KommunalvertreterInnen, Studierenden und Eltern möchten wir diskutieren, wie wir die aktuellen Tarifauseinandersetzungen in den Sozial- und Erziehungsdiensten politisch unterstützen können.