News | Südliches Afrika - Ernährungssouveränität Welternährungstag 2022: Hungerzahlen steigen erneut

Afrikanische Ernährungssysteme leiden besonders unter den Folgen des Krieges in der Ukraine

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Jan Urhahn,

Bäuerin in Südafrika
Foto: Andréa Gema

Die Folgen der russischen Invasion in der Ukraine haben zum dritten Mal in nur wenigen Jahren die Schwächen der weltweiten Ernährungssysteme offenbart. Eine rapide Verschlechterung der globalen Ernährungslage scheint unausweichlich. In vielen Teilen der Welt setzen die steigenden Lebensmittelpreise einkommensschwache Bevölkerungsgruppen unter immensen wirtschaftlichen Druck, während in den Ländern des globalen Südens viele Menschen unter akutem Hunger leiden. Dies ist nicht neu. Seit sechs Jahren steigen sowohl der chronische Hunger als auch die Anzahl der Menschen, deren Ernährung unsicher ist, an. 2021 hungerten etwa 828 Millionen Menschen. Die Zahl der Menschen, die als ernährungsunsicher gelten, hat sich seit 2014 um mehr als 750 Millionen auf 2,3 Milliarden Menschen erhöht. Ein Drittel der Weltbevölkerung hat somit nicht genügend zu essen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird sich in den kommenden Jahren die unzureichende Ernährungssituation durch zahlreiche politische, wirtschaftliche und ökologische Krisen weiter verschärfen. Obwohl der Hunger bisher oft ein Problem der Verteilung war, könnte er bald zu einer Frage der globalen Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln werden.

Jan Urhahn leitet das Programm für Ernährungssouveränität der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Johannesburg, Südafrika.

Der Krieg in der Ukraine: Afrikanische Länder im Fokus

Kurz vor dem Welternährungstag am 16. Oktober haben die Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Johannesburg und in Genf einen Bericht über den Zustand afrikanischer Ernährungssysteme angesichts der aktuellen globalen Ernährungskrise veröffentlicht. 25 afrikanische Länder beziehen mindestens 30 Prozent ihres Weizens aus Russland und der Ukraine, 16 dieser 25 Länder importieren gar 50 Prozent oder mehr aus beiden Ländern. Gerade im südlichen und östlichen Afrika sind etliche Länder besonders abhängig von Nahrungsmittelimporten und damit auch besonders anfällig für externe Nahrungsmittelpreisschocks. Auch die Input-intensive Landwirtschaft hängt am Tropf von Russland. Das Land liefert 12,7 Prozent des globalen Phosphats und 15,5 Prozent des Stickstoffs. Mehr als 30 afrikanische Länder importieren Stickstoff-, Kalium- und Phosphatdünger aus Russland und Weißrussland.

Pfadabhängigkeiten durchbrechen

Die Folgen des Krieges in der Ukraine haben die Verletzlichkeit der zunehmend von Konzernen dominierten Ernährungssysteme in afrikanischen Ländern deutlich gemacht. Bereits die Folgen der COVID-19-Pandemie und die Auswirkungen des Klimawandels sowie die hohe Inflation bei Lebensmittelpreisen haben viele Menschen in afrikanischen Ländern noch ärmer gemacht. In Afrika ist die Armutsquote bereits während der COVID-19-Pandemie auf 39 Prozent der Gesamtbevölkerung angewachsen. Viele afrikanische Regierungen mobilisieren erhebliche Ressourcen, um die schwächsten Bevölkerungsgruppen in ihren Ländern vor den steigenden Lebenshaltungskosten zu schützen. Dazu müssen zum Beispiel die Sozialsysteme gestärkt werden. Damit afrikanische Länder einen besseren Handlungsspielraum haben, sollten die Schulden gerade für Nahrungsmittel importierende Länder gestrichen werden. Darüber hinaus sollten die Preise für Grundnahrungsmittel stärker reguliert werden. Die Einführung von Preisobergrenzen für Grundnahrungsmittel wäre dafür ein wichtiges Instrument. Mittelfristig ist eine Transformation der Ernährungssysteme unabdingbar, um diese widerstandsfähiger gegen Krisen zu gestalten und den Hunger zu bekämpfen. Damit dies gelingt sollten unter anderem afrikanische Regierungen den Aufbau nationaler und regionaler Nahrungsmittelreserven vorantreiben. Ganz wichtig ist es, Pfadabhängigkeiten zu durchbrechen. Dafür muss die Abhängigkeit von Inputs wie synthetischen Düngern und Pestiziden, die auf fossilen (und damit teuren und klimaschädlichen) Brennstoffen basieren, schrittweise beendet werden. Afrikanische Regierungen sollten hierfür ihre landwirtschaftlichen Subventionsprogramme reformieren und stattdessen die Diversifikation der Erzeugung sowie den Aufbau regionaler Märkte und Lieferketten fördern.