News | Soziale Bewegungen / Organisierung - Kommunikation / Öffentlichkeit - Digitaler Wandel - Sozialökologischer Umbau «Kein Gott, kein Staat, nur der Mönch von Lützerath»

Mit Memes gegen den Klimawandel?

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Joanna Nowotny,

Zu einem viralen Meme geworden: Der «Schlamm-Mönch» mit Superkräften bei der Räumung in Lützerath, 14. Januar 2023
Zu einem viralen Meme geworden: Das Video vom «Schlamm-Mönch» mit Superkräften bei der Räumung in Lützerath, 14. Januar 2023 Screenshot @_maxgranger, Twitter

Im Januar 2023 fand im Rheinischen Braunkohlerevier eine Auseinandersetzung um den Ort Lützerath statt, der durch RWE abgebaggert werden soll. Die Verbrennung allein dieser Braunkohle würde dazu führen, dass Deutschland die Pariser Klimaziele und damit das 1,5 Grad Ziel nicht einhalten kann. Über 30.000 Menschen demonstrierten dagegen und viele versuchten das bereits geräumte Lützerath zu besetzen, dabei gab es militante Auseinandersetzungen und massive Polizeigewalt. Doch vor allem ein Bild ging um die Welt und wurde als Meme viral, der «Mönch» (gelegentlich auch «Schlamm-Zauberer» genannt) warf einen Polizisten um, der im Schlamm eingesunken war.

Joanna Nowotny ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Schweizerischen Literaturarchiv. Zusammen mit Julian Reidy hat sie ein Buch über Memes geschrieben: «Memes – Formen und Folgen eines Internetphänomens», erschienen im März 2022 beim transcript Verlag. Das Buch wurde im Oktober 2022 auch in der Rosa-Luxemburg-Stiftung vorgestellt.

Über die Medienereignisse während der Räumung in Lüzerath und Memes als politisches Werkzeug sprach Henning Obens, Referent für Digitale Kommunikation in der Rosa-Luxemburg-Stiftung, mit Nowotny.
 

Henning Obens: Der «Schlamm-Mönch» von der Räumung in Lützerath ist zu einem viralen Meme geworden, was kennzeichnet dieses Meme?

Joanna Nowotny: Entstanden ist es im Rahmen der großen Proteste gegen die Räumung eines vom Braunkohleabbau bedrohten Weilers, und zwar genauer wegen einemVideo, das viral ging. Es zeigt Polizist*innen, die sich im Schlamm vor Ort kaum bewegen können und immer wieder umfallen, dann kommt ein Klimaaktivist in Mönchskutte ins Bild, der quasi mühelos um sie tänzelt. Er versucht, ein Schild mit der Aufschrift «Lützi bleibt» in den Boden zu stecken - als es mehrfach entfernt wird, schubst er einen Polizisten in den Schlamm. Dieser Ausgangspunkt der Meme-Produktion ist recht typisch; sie wird oft durch virale Videos angeregt, die viele witzig finden.

Wie wurde dieses Meme weitergedreht? Wo wurde es noch verbreitet?

Zuerst wurde es auf Twitter aufgegriffen, etwa durch den Komiker Fabian Köster, der eine Fotomontage postete und in Anspielung auf den Rücktritt von Bundesverteidigungsministerin Christine Lamprecht schrieb: «Scholz macht Mönch aus Lützerath zum neuen Verteidigungsminister». Ein anderer Account twitterte eine Fotomontage des «Mönchs» und des kürzlich verstorbenen emeritierten Papstes Benedikt XVI. zusammen mit dem Text: «+++ Eilmeldung: Mönch von Lützerath durch Papst Benedikt XIV heiliggesprochen +++ ‹Dafür bin ich extra nochmal auferstanden›, so der ehemalige Papst». Wieder andere Accounts machten den «Mönch» zum «Jedi-Ritter», zur Figur aus «Herr der Ringe» oder zu einer Karte aus dem Spiel «Magic». Und dazu gibt es ganze Twitter-Accounts wie @LuetziMemes, die auch das Mönchs-Meme weiterspinnen, zum Beispiel als Fotomontage einer Playmobil-Packung des Lützerather «Matsch-Massakers». Zur Anwendung kommen also ganz typische memetische Verfahren, etwa das Verpflanzen eines Bilds oder anderen Inhalts in einen neuen, populären Kontext.

Was das Inhaltliche angeht, so kann man allgemein sicher sagen, dass aus den meisten Lützerather-Memes die Sympathie mit dem Aktivisten spricht, während man sich über die Polizei lustig macht. Dass bis jetzt unklar ist, um wen es sich bei diesem Aktivisten handelt, regt die Fantasie offensichtlich zusätzlich an.

Ein Bild des Wegtragens von Greta Thunberg durch Polizisten in Lützerath und ein Bild eines gigantischen Kohlebaggers mit Polizeischutz sind ebenfalls bekannt geworden, spielt der «Kampf um die Bilder» eine größere Rolle als früher in Sozialen Bewegungen und politischen Konflikten?

Dass politische Kämpfe auch Kämpfe um Bilder und Sprache sind, ist natürlich an sich nicht neu, aber tatsächlich ist eine Intensivierung dieser Phänomene im digitalen Raum zu konstatieren. Wir konsumieren heute wohl mehr und schneller Bilder als jemals zuvor. Im permanenten Kampf um Aufmerksamkeit, der im digitalen Bereich mit seiner Fülle an ganz unterschiedlichen Informationen und Inhalten ausgetragen wird, sind prägnante Bilder natürlich besonders erfolgreich; sie können uns etwa dazu bringen, beim Scrollen durch die Feeds der sozialen Plattformen innezuhalten. Zudem können wir auf den sozialen Medien besonders schnell selber aktiv werden, Inhalte teilen oder sogar neu produzieren und verbreiten, was ja eben charakteristisch für jede Kette an immer neuen Memes ist. Diese Gemengelage war noch eine andere, als es primär die «klassischen» Medien mit ihren Gatekeepern gab.

Welche Rolle kommt den Memes in den hegemoniepolitischen Kämpfen dieser Tage zu? Kann die Linke Memes?

Memes als prototypische und sehr eingängige digitale Artefakte sind heute in allen politischen und gesellschaftlichen Kontexten zentral, was man ja nicht zuletzt auch im Kontext des Ukraine-Kriegs sieht – man denke an russische Desinformations- und Trolling-Offensiven oder erfolgreiche Memes wie «Russian warship, go fuck yourself». Memes sind schnell gemacht und konsumiert und können in ganz unterschiedlichen Bereichen eine extreme Schlagkraft entwickeln. Das haben mittlerweile auch Institutionen und ganze Länder begriffen: Im «Journal of the NATO Strategic Communications Centre of Excellence» erschien schon 2016 ein Aufsatz mit dem Titel «It’s Time to Embrace Memetic Warfare». Und die gesellschaftlichen Fragen, die uns heute umtreiben, werden allesamt auch in Memes verhandelt, seien es Geschlechterrollen, die Rechte von Minderheiten wie der trans Community oder eben die Klimakatastrophe. Und hier möchte ich deutlich sagen: Ja, natürlich kann die Linke memen. Das Klischee, dass nur «die Rechten» gute Memes machen, ist in sich wieder ein rechtes Meme («The Left Can't Meme»), dem wir nicht einfach aufsitzen sollten. Gerade in Fragen der sozialen Gerechtigkeit hat «die Linke» auch durch eine florierende Internet- und Meme-Kultur Themen setzen können – dass wir heute überhaupt in dieser Form über Pronomen oder trans Identitäten sprechen, geht unter anderem auch auf eine linke Plattform- und Diskurskultur wie Tumblr zurück, die in den frühen 2010er Jahren enorm produktiv war, gerade auch im Meme-Bereich.

Ich denke, die Tatsache, dass sich die Vorstellung von der Meme-Unfähigkeit der Linken so hält, hat mit drei Faktoren zu tun: Erstens wäre da die unhinterfragte Annahme, dass die besten Memes humoristisch sind, wahrer Humor aber immer grenzverletzend und «böse» sein muss und nach unten tritt, was «linker» Humor natürlich von Haus aus weniger tut. Zweitens fällt die provokative und schockierende Kompromisslosigkeit ins Auge, mit der «rechte» Diskurse und Memes gegen jede Vorstellung des Zusammenlebens in einer diversen Gesellschaft vorgehen können, eine Konsequenz, die «linke» Memes nicht haben können – und gar nicht haben wollen. Und drittens muss man die mediale Verstärkung bedenken, die äußerst toxische und irritierende «rechte» Memes dadurch erfahren, dass über sie geschrieben wird. Oft geschieht die mediale Berichterstattung natürlich mit dem Ziel, gegen die Memes und hinter ihnen stehenden Ideologien vorzugehen, aber die Aufmerksamkeit, die man ihnen dadurch gibt, ist halt auch ein zweischneidiges Schwert.

Gibt es gute linke Meme-Seiten auf Deutsch?

Meme-Kulturen sind ja oft lokal verankert und basieren auch auf Insider-Witzen, und deswegen fallen mir zuerst die Kanäle der Berner Meme-Bubble auf Instagram ein – Bern ist die Schweizer Stadt, in der ich wohne. Da gibt es sehr viel Lustiges und Linkes, nur sind die Inhalte nicht immer sehr leicht zugänglich für Deutsche, da zum Beispiel oft mit dem Schweizerdeutschen und mit Lokalwissen gearbeitet wird. Trotzdem nenne ich ein paar Accounts: @mondhausi, @chnoeitoeif_im_schissdraeck, @pouletbruschthirni, @muetterschiff oder @souhuendin machen viel Spaß. Im deutschen Kontext ist wohl El Hotzos Twitter-Account fast am bekanntesten, und da gibt es auch linke Inhalte. Ich mag Titus Blomes (@derLampenputzer) Sachen sehr gerne. Und dann hat mir Veronika Kracher gerade noch drei Insta-Accounts empfohlen und ich freue mich, sie genauer anzuschauen: Genosse Kevin, @sprudlers und @entsimmerda.