Die Idee «Sorgender Städte» – oder «Ciudades del Cuidado» – kommt aus den feministisch-munizipalistischen Bewegungen im spanischen Staat. 2015 übernahmen in Barcelona, Madrid und anderen spanischen Städten linke Bewegungsparteien und Wahlplattformen die Rathäuser. An mehreren Orten legten sie als eine Säule ihres «rebellischen Regierens» ein Programm zur Neuorganisation von Care-Arbeit vor. In Madrid war es der Aktionsplan «Madrid als Sorgende Stadt» , in Barcelona das «Maßnahmenpaket für eine Demokratisierung der Sorge in der Stadt Barcelona».
Auch in Saragossa stellte mit «Zargoza en Común» eine munizipalistische Wahlplattform die Mehrheit im Stadtparlament. Inspiriert von genannten Beispielen starteten sie einen umfassenden Arbeitsprozess, um gemeinsam mit Stadtgesellschaft und Verwaltung einen ähnlichen Care-Plan für Saragossa zu entwerfen.
Inspiriert von Ansätzen eines sozialistischen Feminismus lag ein wichtiger Fokus auf der ökonomischen Bedeutung von Care-Arbeit und der im Kapitalismus spezifischen geschlechtlichen Arbeitsteilung sowie der gesellschaftlichen Organisation von Sorge. Entsprechend sollte es darum gehen, Sorgearbeit ins Zentrum einer kommunalen Wirtschaftspolitik zu stellen, statt sie ins Private zu schieben oder lediglich als Aspekt einer paternalistischen und tendenziell passivierenden Sozialpolitik zu behandeln. Außerdem folgt das Programm einer «Sorgenden Stadt» der Einsicht, dass Care-Arbeit aus feministischer Perspektive nicht nur demokratisch zu organisieren ist, sondern insgesamt in gesellschaftliche Verantwortung zu nehmen. Ziel war es, auch mittels öffentlicher Kampagnen sowohl Stadtgesellschaft als auch Verwaltung für einen solchen Umbau zu gewinnen.
In dieser Studie werden die konzeptionellen Überlegungen und die vorbereitenden Arbeiten umfassend dargelegt und erste praktische Erfahrungen mit dem Ansatz reflektiert. Die Autor*innen schildern, wie es möglich wäre, Perspektiven einer feministischen Ökonomiekritik auf kommunaler Ebene in konkrete Politiken zu übersetzen. Im Kern geht es ihnen darum, konkrete Verbesserungen im Alltag mit dem Fernziel einer geschlechtergerechten Sorgeökonomie zu verbinden.
Da die linke Regierung 2019 abgewählt wurde, kam es in Saragossa, anders als in den anderen beiden Städten nicht zur Umsetzung des Konzepts. Die Reflexion der an diesem Prozess eng beteiligten Autorinnen ist für hiesige Projekte ähnlicher Art dennoch ausgesprochen hilfreich und anregend.
Die Autorinnen
Sofia Jiménez Castillón ist Historikerin, Soziologin und Gleichstellungsbeauftragte. Sie verfügt über umfangreiche Erfahrungen als Wissenschaftlerin im Bereich der Externalisierung und Kommerzialisierung von Sorgearbeit und der öffentlichen Sorgepolitiken aus feministischer Perspektive.
Esther Moreno López hat einen Abschluss in spanischer Philologie und einen Master in Frauenforschung. Sie arbeitet als Bibliothekarin an der Universität von Saragossa. Seit ihrer Jugend engagiert sie sich in feministischen Bewegungen. Sie hat die Ausstellung «Wechselseitige Abhängigkeiten. Haushaltsarbeiterinnen und die Krise der Sorgearbeit» kuratiert und Projekte wie «Zaragoza Rebelde: movimientos sociales y antagonismos 1975–2000» koordiniert. Sie publiziert zu Fragen der kommunalen Sorgepolitiken.