«Die Vergangenheit ist ein anderes Land,
aber bei denen, die einmal dort gelebt haben,
hat sie Spuren hinterlassen.» (Eric Hobsbawm)
Reiner Zilkenat wurde am 20. Mai 1950 geboren und wuchs im Westberliner Bezirk Tiergarten auf. Zwischen 1970 und 1976 studierte er Geschichte und Politikwissenschaft an der Freien Universität (FU). Besonders beeindruckt scheint er von dem am dortigen Friedrich-Meinecke-Institut, das nicht gerade für seine Progressivität bekannt war, habilitierten und auf eine Professur berufenen Reinhard Rürup gewesen zu sein, von dem er auch vierzig Jahre später immer wieder sprach. In der seit der Studentenbewegung der ‚68er‘ politisierten Atmosphäre wurde Reiner Zilkenat 1972 Mitglied der maßgeblich von der DDR aus finanzierten und gesteuerten Sozialistischen Einheitspartei Westberlins (SEW). Nach dem Studium war er als Hilfsassistent am Lehrstuhl für Neuere Geschichte der Technischen Universität (TU) Berlin bei jenem Reinhard Rürup tätig. Hier schrieb er auch seine Examensarbeit über die Flottenpolitik des Kaiserreiches und das Agieren der deutschen Sozialdemokratie – eine «furchtbar interessante Tätigkeit», wie er später in einem Interview gestand –, die er 1980 einreichte. In dieser Zeit begegnete er auch dem nur wenig älteren Peter Brandt, der an der FU promoviert hatte und Assistent an der TU bei Rürup war. Brandt, der ehemalige Trotzkist, der später beim eher undogmatischen Sozialistischen Büro landen sollte, handelte sich in den frühen den frühen 1980ern aufgrund seines gesamtdeutschen Engagements den Ruf eines «National Neutralisten» ein. So hatte Zilkenat Gelegenheit gemeinsam mit Brandt und dem Germanisten Thomas Hofmann an einem der fünf Begleitbände zur 1981 im Martin-Gropius-Bau gezeigten Ausstellung «Preußen – Versuch einer Bilanz» zu arbeiten. Als wissenschaftlicher Angestellter bei der die Ausstellung ausrichtenden Berliner Festspiele GmbH war der Historiker Zilkenat unmittelbar an der überaus erfolgreichen Ausstellung beteiligt, die die Sichtweise auf den preußischen Staat nachhaltig verändern sollte. Dem genannten Rowohlt-Band zur Sozialgeschichte Preußens folgte im gleichen Jahr gemeinsam mit Brandt die Herausgabe eines Preußen-Buches in der «Lesebuch»-Reihe des kleinen linken LitPol-Verlags, den der Publizist Thomas Friedrich mitbegründet hatte.
Yves Müller ist Doktorand an der Universität Hamburg und Mitglied des Gesprächskreises Geschichteder Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Nicht zuletzt wird der 1972 beschlossene Radikalenerlass dazu geführt haben, dass eine Berufslaufbahn im öffentlichen Dienst für den politischen Menschen Zilkenat bald nicht mehr ungehindert möglich war. Die 1980er Jahre waren von seiner Mitarbeit im SEW-Parteivorstand geprägt, für dessen Theorie-Zeitschrift Konsequent er zuständig war und darin regelmäßig schrieb. Um an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED eine Dissertation zum Berliner Metallarbeiterstreik von 1930 und zur Gründung des Einheitsverbandes der Metallarbeiter Berlins (EVMB) zu verfassen, wurde Zilkenat freigestellt. Er lebte und arbeitete fortan immer wieder im Ostteil der geteilten Stadt. Als wohl erster, damals zumindest einziger Westberliner Doktorand an der Ostberliner Akademie war er «ein Exot», wie er später amüsiert zugab.
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