Seit vielen Jahren erleben wir eine schwere Wohnungskrise, für die die Verantwortlichen in Bund und Ländern mit ihrer Wohnungspolitik keine adäquaten Lösungen anbieten können. Gleichzeitig liegen aus der Mietenbewegung, aus Wissenschaft, Verbänden, Gewerkschaften und Politik zahlreiche ausdifferenzierte praktische Vorschläge zu fast allen einzelnen Themen vor. Insofern: Wie kann es gelingen, Lösungen zu finden, die allen Menschen eine leistbare, sichere und würdige Wohnung garantieren, wie können wir dem Recht auf Wohnen näherkommen?
Um über mögliche Antworten und über die vorliegenden Lösungsansätze zu diskutieren hatten die Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag und die Rosa-Luxemburg-Stiftung, unterstützt von DIE LINKE. Fraktion im Römer und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Hessen am 16. und 17. Juni 2023 zur wohnungspolitischen Konferenz eingeladen. Unter dem Titel «Bezahlbarer Wohnraum ist möglich! Hinter der Wohnungskrise steckt das Kapital» kamen über 150 Teilnehmende aus Hessen und dem gesamten Bundesgebiet sowie internationale Gäste in Frankfurt zusammen, um Konzepte zu diskutieren, Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam Strategien zu entwickeln. In der anregend rebellischen Atmosphäre des Studierendenhauses am Campus Bockenheim diskutierten die Teilnehmer:innen in insgesamt 14 Workshops zu den Schwerpunktthemen Miete, Neubau, Vergesellschaftung, Klima sowie Wohnen für Alle.
Als Leitgedanke diente dabei, was der Stadtsoziologe Dr. Andrej Holm (Humboldt-Universität Berlin) in seiner Keynote zu Beginn der Konferenz am Freitagnachmittag ausführte: Wohnen muss als soziale Infrastruktur verstanden werden und diese muss leistbar, klimagerecht und öffentlich bereitgestellt werden. Wie dieser Anspruch ausgefüllt und die hierfür vorhandenen Konzepte durchgesetzt werden können, u.a. das wurde in den folgenden Workshops vertieft. Öffentliche Wohnungsbauprogramme, ein Abrissmoratorium und neue Lösungen im Bestand, ein bundesweiter Mietendeckel, der klimagerechte und gleichzeitig sozial verträgliche Umbau des Wohnungsbestandes, eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit als relevanter nicht-profitorientierter Wohnungssektor wurden vorgestellt und diskutiert. Wie Wohnungen statt Unterbringungen für Wohnungslose durchgesetzt werden können, so z.B. durch ein einklagbares Recht auf Wohnen wurde ebenso besprochen wie das Konzept «Housing First» und die Legalisierung von Besetzungen. In weiteren Workshops wurde die fehlende Transparenz auf dem Wohnungsmarkt, die undurchsichtigen Eigentumsverhältnisse vor allem bei vielen Wohnungsunternehmen kritisch beleuchtet. Die Vergesellschaftung von Wohnungen großer privater Wohnungsunternehmen, sowie die gemeinsame Organisierung und Vernetzungen der immer unterschiedlich, aber am Ende gemeinsam von der Wohnungskrise Betroffenen waren einige der dort diskutierten Antworten.
Die Möglichkeiten und Versuche, Lösungen zu finden und auch politisch durchzusetzen, tauschte sich auch das international und hochkarätig besetzte Eröffnungspodium «LINKE. MACHT. WOHNEN.» Aus. Vanesa Valiño von «Barcelona en Comú» (bis Juni 2023 Leiterin der Wohnungsbauabteilung des Stadtrats von Barcelona), Iva Marčetić (Universität Kassel, ehemalige Leiterin der Kommission zur Verbesserung des Managements der städtischen Wohnungen bei der Stadtregierung von Zagreb), Carolin Blauth (Deutsche Wohnen und Co. enteignen, Berlin) sowie Janine Wissler (Parteivorsitzende und Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag) diskutierten über die wechselvolle Dynamik stadtpolitischer Bewegungen, die Möglichkeiten und Grenzen linker Regierungspolitik sowie die Ursachen der aktuellen politischen Erfolge rechter und konservativer Parteien. In Spanien, Kroatien und Deutschland gleichermaßen sind die Widerstände gegen eine progressive, soziale und klimagerechte Wohnungspolitik erheblich, zu hoch sind die Profite, aber zu stark sind auch hegemoniale Wohnvorstellungen etwa vom sprichwörtlichen Eigenheim mit Pool oder der Doppelhaushälfte in der Vorstadtidylle. Doch die gemeinsame Erfahrung ist auch: Menschen lassen sich von Alternativen überzeugen. Mit einer Politik, die praktische Erfolge mit einer Vision vom solidarischen Wohnverhältnissen jenseits des Profitzwangs lassen sich Mehrheiten gewinnen.