Mit den am Befreiungskampf beteiligten deutschen Widerstandskämpfern und Mitgliedern des Verbandes «Deutscher in der Résistance», in den Streitkräften der Antihitlerkoalition und der Bewegung «Freies Deutschland»: Peter Gingold, Frankfurt am Main; Kurt Hälker, Berlin; Gerhard Leo, Berlin sowie Prof. Dr. Kurt Pätzold, Berlin
Moderation: Dr. Jörn Schütrumpf
Die deutschen Männer und Frauen, die an der Seite der Franzosen gekämpft haben, um Frankreich von dem blutigen Joch der Okkupation zu befreien, haben damit auch einen Beitrag zum Sturz der Nazidiktatur im eigenen Land geleistet.
C.A.L.P.O. - Comité Allemagne Libre Pour L'Ouest
Französische Übersetzung für: «Komitee ‹Freies Deutschland› für den Westen»
Im Herbst 1943 bildete sich in Frankreich das Komitee «Freies Deutschland» für den Westen. Es setzte sich aus Vertretern unterschiedlicher politischer und weltanschaulicher Positionen zusammen.
Das Komitee entwickelte sich zum politisch-organisatorischen Zentrum für die Deutschen in Frankreich, in Belgien und Luxemburg. Mit der Bewegung «Freies Deutschland» entstand eine selbständige deutsche Widerstandsorganisation in Frankreich, die aufs engste mit den verschiedenen Verbänden und Organisationen der französischen Résistance gegen das faschistische Völkermorden auftrat.
Präsident des Komitees «Freies Deutschland» für den Westen (C.A.L.P.O.) war Otto Niebergall (KPD), als Vizepräsidenten fungierten: Karl Hoppe (SPD), Dr. Wilhelm Leo (SPD), Wilhelm Tesch (DVP), Prof. Dr. Heinrich W. Friedemann (Zentrumspartei), F. Kümmel (Zentrumspartei), R Klein (Gewerkschafter), Feldwebel Arno Müller (DNVP), Obermaat Hans Heisel (KPD).
Weitere Leitungsmitglieder waren: Harald Hauser, Generalsekretär (KPD), Ludwig Adolf (SPD), Luise Schiffgens (SPD), Fritz Glauben (SPD), Alfred Knissel (SPD), Karl Mössinger (SPD), Richard Gladewitz (KPD), Rudolf Leonhard, Ernst Melis (KPD), Dr. Meerheim (Bayrische Volkspartei), Walter Hähnel (KPD), Walter Vesper (KPD). Leitungsmitglieder aus der Wehrmacht waren: Otto Machts, Hauptmann W. Krause, Major Oskar Scherer, Leutnant Albert Dolli, Feldwebel Kurt Breitenbach, Obergefreiter Kurt Hälker, Hauptgefreiter Artur Eberhardt, Arno Müller. Ca. 40 Personen gehörten zur Komiteeleitung.
Illegale Flugblätter und Zeitungen
Nach Archivberichten hatten deutsche Hitlergegner in Frankreich mit Hilfe von Widerstandskämpfern anderer Nationalitäten bis Herbst 1944 über fünf Millionen Flugblätter hergestellt und verbreitet. Ein Flugzeug der französischen Armee hatte über 100.000 Flugblätter des C.A.L.P.O. an der Atlantikfront über den deutschen Stellungen abgeworfen.
In den Flugblättern und Zeitungen des Komitees «Freies Deutschland» für den Westen wurden die Offiziere und Soldaten aufgefordert, an den Kriegsverbrechen in Frankreich nicht teilzunehmen, Gruppen von antifaschistischen Soldaten, Unteroffizieren und Offizieren in den Einheiten zu bilden, sobald wie möglich Kontakt mit Vertretern der Résistance aufzunehmen, zu desertieren und sich den Reihen des bewaffneten französischen Widerstandes anzuschließen.
Wie haben die deutschen Antifaschisten Widerstand gegen die Nazi-Besatzer in Frankreich geleistet?
Was musste getan werden?
- Die eigene Sicherheit gewährleisten
- Eine falsche Identität annehmen (gefälschte Dokumente zur Person beschaffen)
- Sich möglichst unauffällig bewegen (Straßenkontrollen meiden)
- Die strengen Regeln der Konspiration beachten
- Die Verbindung untereinander und zu Gruppen aufrechterhalten
- Eine sichere Unterkunft finden (die vielfältige Solidarität unverdächtiger französischer Bürger nutzen)
- Behutsam und wirkungsvoll politische Arbeit leisten
- Gespräche mit und Kontakte zu den Wehrmachtsangehörigen suchen
- Mit der nötigen Vorsicht ihre Geisteshaltung erkunden
- Sorgfältig Informationen über Stimmungen
- Aufenthaltsbedingungen und militärische Vorgänge sammeln
- Diese Kenntnisse für die mündliche und schriftliche Agitation (Herstellung illegaler Flugblätter, Zeitungen usw.) verwenden
- Soldaten und möglichst auch Offiziere überzeugen, in ihrer Umgebung gegen Krieg und für Frieden aktiv zu sein
- Sie zu beeinflussen, aus der Armee zu desertieren
- Gefälschte Papiere, Kleidung und Unterkunft für Deserteure beschaffen
- Sie weiterleiten zu kämpfenden Résistance-Gruppen
- Versuchen, in einer Dienststelle oder einem Betrieb der Besatzungsmacht Arbeit zu erhalten (als Dolmetscher, Büroangestellter, Hilfsarbeiter bei Tankstellen, Truppenübungsgeländen, in Häfen und auf Flugplätzen) und zwar mit dem Ziel der Sabotage
- In bewaffneten Einheiten (Spezialkommandos, Maquis, Stadtpartisanen) zu kämpfen
Zahlreiche Ausländer, die in Frankreich lebten, haben an der französischen Résistance gegen die Nazi-Okkupation von 1940 bis 1944 teilgenommen. Es ist wenig bekannt, daß es unter ihnen auch etwa tausend Deutsche gab. Wer waren sie?
- Politische Flüchtlinge aus Deutschland, unter ihnen ehemalige Kämpfer in den Internationalen Brigaden zur Verteidigung der spanischen Republik, die meist aus französischen Internierungslagern geflohen waren, um sich der Widerstandsbewegung anzuschließen.
- Deutsche Frauen und Männer jüdischer Herkunft, die aus ihrem Land vor rassistischer Verfolgung und vor der Vernichtung fliehen mussten.
- Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere der Wehrmacht, Gegner des Hitlerregimes.
Mit Hilfe französischer Résistancebewegungen, vor allem der «Front National de Lutte pour la Libération et l‘lndépendance de la France», aber auch gaullistischer Organisationen reihten sich diese Deutschen in den Kampf gegen den gemeinsamen Feind ein.
Zahlreiche deutsche Antifaschisten, die in den Reihen der Résistance kämpften, sind von den französischen Behörden mit hohen Orden und Auszeichnungen für ihren Beitrag zur Befreiung Frankreichs geehrt worden.
Seine Exzellenz François Scheer, Botschafter Frankreichs in der Bundesrepublik Deutschland, erklärte in einer Rede am 10. Juli 1995 anläßlich eines deutsch-französischen Kolloquiums in der Technischen Universität in Berlin: ,«Wir Franzosen wissen, welchen bedeutenden Beitrag die deutschen Hitlergegner zur Befreiung unseres Landes geleistet haben. Daran immer und ständig zu erinnern, ist ein mahnender Auftrag für diejenigen, die die deutsch-französische Verständigung und Zusammenarbeit heute fördern und absolut weiterentwickeln wollen. Ohne die Erinnerung an diese Zeit, ohne das Bewußtsein, daß diese Menschen ... alle ein Frankreichbild hatten, das nach 1945 dauerhaft die Erben der Résistance prägte, ist jeder Diskurs über deutschfranzösische Beziehungen heute oberflächlich und nicht zielführend.»