Pressebericht: Frankfurter Rundschau vom 25. Mai 2005
Jörn Schütrumpf: Hitlers Volksstaat, oder: Horkheimer, übermalt. Rezension zum BuchTrotz des fast inflationären Medienereignisses ‚8. Mai’ war unversehens Götz Aly in aller Munde. Sein Buch „Hitlers Volksstaat“ war ein publizistischer Erfolg, die Veranstaltungssäle mit ihm sind überfüllt.
Götz Aly hat in seinem Buch „ Hitlers Volksstaat“ dargelegt, dass die Nationalsozialisten durch die Ausplünderung der deportierten und ermordeten Juden sowie der besetzten Länder ein Raubsystem entwickelt hatten, das den Nazis ermöglichte, die deutschen ‚Volksgenossen’ selbst noch während des Krieges mit Sozialleistungen ‚komplizenhaft’ für sich zu gewinnen - oder zumindest ruhig zustellen. Ob dies eine hinreichende Erklärung für die Loyalität einer Mehrheit der Deutschen ‚bis fünf nach zwölf’ war, ist Gegenstand eines heftigen Streits unter den Historikern.
Dies erklärt aber nur teilweise die ‚Erregtheit’ der öffentlichen Diskussion zum Thema. Tatsächlich weisen die Reaktionen auf aktuelle Bezüge der Veröffentlichung hin.
Einerseits ist die Frage der Massenloyalität im Nationalsozialismus gerade in einer linken Öffentlichkeit ein ‚unterbelichtetes’ Thema. Tatsächlich gibt es aber eine Kontinuität der sozialen Demagogie von den Nazis bis zu den Neonazis unserer Tage. Die Auseinandersetzung damit ist in der Konsequenz auch Teil der Auseinandersetzung mit den Neonazis.
Andererseits wird in den konservativen Medien Aly’s Buch als Beleg für die „Kontinuität des sozialen Anspruchsdenkens“ (FAZ) in Deutschland gefeiert. Diskreditiert Götz Aly mit seinem Buch den Sozialstaat ‚an sich’? Inmitten der Auseinandersetzung um den Sozialabbau hier & heute?
Aus diesen Gründen halten wir es für gleichermaßen interessant & aktuell mit Götz Aly selbst über seine Veröffentlichung zu diskutieren.
Die Veranstaltung ist insofern komplementär zu einer vorhergegangenen Podiumsdiskussion in der Universität, weil es hier nicht um die Fachdiskussion unter Historiker geht, sondern vorrangig um die Diskussion zwischen Aly und dem Publikum.
Den Schriftsteller Gerhard Zwerenz haben wir ergänzend auf das Podium eingeladen, weil er einer der vermeintlich ‚sozial eingebundenen’ Volksgenossen’ war, dann aber als Soldat desertierte – also ein kritischer Zeitzeuge ist.