Dokumentation Forderung nach Grundeinkommen: national und / oder global?

Ist das Grundeinkommen ein Luxusprogramm reicher Gesellschaften oder universelles Menschenrecht? Ergänzt oder behindert es andere Konzepte der Entwicklungszusammenarbeit? Eine Veranstaltung der Reihe »Kritischer Bewegungsdiskurs«

Information

Zeit

04.04.2007

Mit

Rolf Künnemann, Ronald Blaschke

Themenbereiche

Ungleichheit / Soziale Kämpfe

Globale soziale Rechte sind Menschenrechte. Menschenrechte sind universal. Soziale Rechte können am Internationalen Pakt über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte anknüpfen, einem Teil der Internationalen Menschenrechts-Charta. Fast alle Staaten haben diesen Pakt inzwischen ratifiziert. Ausnahmen sind z.B. Pakistan, Saudi-Arabien und die USA.

Formelle Zustimmung ist gut, praktische Umsetzung ist besser. Es sind z.B. Programme einzurichten, die für jeden Menschen einen angemessenen Lebensstandard bedingungslos sichern. Außerdem müssen solche Programme und ihr Funktionieren einklagbar sein. Wie könnten/müssten solche Programme aussehen?

An Vorbedingungen und Schikanen geknüpfte Sozialprogramme können das sicher nicht sein. Auch darf es sich nicht um Schönwetterprogramme handeln, die gerade dann zusammengestrichen werden, wenn sie auf breiter Front gebraucht werden. Was ist übrigens ein angemessener Lebensstandard? Geht es nur um Einkommen oder auch um produktive Ressourcen?

Das sind spannende Fragen, die auch global diskutiert werden. Ein Beispiel dafür ist die von FIAN International und Via Campesina gemeinsam durchgeführte globale Kampagne für Agrarreform. Auch Grundeinkommen ist längst kein „Luxusprogramm“ mehr, das sich nur OECD-Staaten leisten könnten, um ihre Sozialsysteme zu verbessern: Als erstes Land der Welt führt Brasilien per Gesetz das Grundeinkommen seit 1.1.2005 schrittweise ein. Auch in der Entwicklungszusammenarbeit gibt es eine wachsende Debatte über Transferprogramme, in der verschiedene Positionen auf einander stoßen. Das sind zunehmend Direkttransfers von Geld, teilweise auch von Nahrung. Die meisten sind an bestimmte Bedingungen geknüpft. In Südasien und China werden derzeit weniger als 10% der Unterernährten von Direkttransfers erreicht, in Afrika weniger als 5%. Solche Transferprogramme, wie sie auch immer aussehen, sind ein wichtiger erster Schritt – in die falsche Richtung?

Für den Charakter von Gesellschaften, national und global, ist es entscheidend, wie die staatlichen Transferprogramme aussehen und welche soziale Infrastruktur darüber hinaus bereitsteht. Entsprechend geht es bei dieser globalen Debatte, die in Deutschland bislang kaum wahrgenommen wird, um menschenrechtlich entscheidende Weichenstellungen – ganz ähnlich wie in der hiesigen Auseinandersetzung zum Grundeinkommen.

Können sich diese beiden Debatten gegenseitig befruchten – oder stören sie sich eher? Auch um diese strategische Frage zu klären, ist es zunächst einmal wichtig, die unterschiedlichen Positionen und Erfahrungen mit Transfers – bei uns und anderswo – kennen zu lernen bzw. auszuwerten. Wie sähe eine Argumentation aus, die globale soziale Rechte bzw. soziale Menschenrechte zugrunde legt? Ist Grundeinkommen eine Option – oder eine Staatenpflicht?

Rolf Künnemann ist promovierter Mathematiker. Er arbeitet als Menschenrechtsdirektor bei FIAN International. FIAN kämpft gegen Verletzungen des Rechts auf Nahrung, von denen Kleinbauern, Landlose, Landarbeiter und Indigene besonders betroffen sind. Er ist seit 1986 am Aufbau von FIAN in Asien, Europa und Lateinamerika beteiligt. Darüber hinaus leistete er Beiträge zu internationalen Fachkonferenzen und schrieb Artikel und Bücher zum Menschenrecht auf Nahrung.

Ronald Blaschke, Philosoph und Erziehungswissenschaftler, seit 1995 in den sozialen Bewegungen und in der politischen Bildung aktiv. Er publiziert und hatte Lehraufträge an Universitäten und Hochschulen zu den Themen Armut, Zukunft der Arbeit, bürgerschaftliches Engagement und Grundeinkommen. Er war Initiator und Sprecher des deutschen Netzwerk Grundeinkommen bis 2006.

Weitere Informationen zur Veranstaltungsreihe:

>> http://www.bewegungsdiskurs.de/html/programm_2007.php