Dokumentation Migration und Antirassismus, migrantische Selbstorganisation und Gewerkschaften

Zentrale Gegenstände des linken Diskurses und emanzipatorischer Praxis

Information

Veranstaltungsort

DGB-Haus, Raum 116
Willi Bleicher Straße 20
70174 Stuttgart

Zeit

30.06.2007 - 01.07.2007

Mit

siehe Programm

Themenbereiche

Staat / Demokratie, Globalisierung, Soziale Bewegungen / Organisierung, Wirtschafts- / Sozialpolitik


 

Einführung

Der Kongress verfolgte das Ziel, Migration als soziales Phänomen, ihren Zusammenhang mit der Entwicklung des Kapitalismus sowie ihr subversives Potential zu thematisieren und deren Relevanz für die linke Diskussion und Praxis aufzuzeigen.

Wir glauben, dass es notwendig und möglich ist, die Selbstorganisation von MigrantInnen, gewerkschaftliche Kämpfe, die Arbeit antirassistischer Bündnisse und die globalisierungskritische Bewegung miteinander zu verknüpfen. Hierzu wollten wir mit dem Kongress einen Beitrag leisten.

Wir halten es für unerlässlich, theoretische und praktische Perspektiven miteinander zu verbinden, zu fragen, welche analytischen Zugriffe auf Migration in welcher Hinsicht dem Phänomen gerecht werden und zu diskutieren, welche Konsequenzen für die antirassistische Praxis hieraus zu ziehen sind.
Diese Diskussionen bildeten den Schwerpunkt des ersten Tages:

Theoretische und praktische Perspektiven auf Migration.

Am zweiten Tag wurden drei aus unserer Sicht besonders relevante Felder antirassistischer Intervention in Form von Workshops vertiefend behandelt: das Baugewerbe als Bereich vorwiegend „männlicher“, das Feld der Dienstleistungs- und Haushaltsarbeit als Bereich vorwiegend „weiblicher“ Arbeitsmigration sowie der Kampf um Grund- und Menschenrechte für hier lebende, z.T. illegalisierte MigrantInnen.

Schließlich ging es auch darum, nach einer Perspektive zu fragen, die geeignet sein könnte, die verschiedenen Kämpfe miteinander zu verbinden. Hier wollten wir schauen, ob die Forderung nach globalen sozialen Rechten eine solche Forderung sein könnte. Dies geschah insb. im Anschluss an die Workshops und in Auswertung der dortigen Diskussionen in Form einer abschließenden gemeinsamen Runde.

Schließlich ging es auch darum, nach einer Perspektive zu fragen, die geeignet sein könnte, die verschiedenen Kämpfe miteinander zu verbinden. Hier wollten wir überprüfen, ob die Forderung nach globalen sozialen Rechten eine solche Forderung sein könnte. Dies geschah insb. im Anschluss an die Workshops und in Auswertung der dortigen Diskussionen in Form einer abschließenden gemeinsamen Runde.

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Programm

Samstag, 30. Juni: Theoretische und praktische Perspektiven auf Migration

9:30-12:00 – gemeinsame Veranstaltung des Bündnisses „100 Jahre Internationaler Sozialistenkongress in Stuttgart“

Die historische Bedeutung des Internationalen Sozialistenkongresses 1907 in Stuttgart
mit: Prof. Frank Deppe (Marburg) und Ulla Jelpke (MdB, Die Linke)

13:00 – Beginn des Kongresses

13:00-15:30 – Neoliberale Weltmarktdynamik und Migration

Thema 1: Neoliberale Globalisierung, Unterentwicklung und Migration
mit: Martina Backes (iz3w, Freiburg)

Thema 2: Migration, Veränderung der Klassenzusammensetzung und soziale Kämpfe
mit: Redaktion Wildcat (angefragt)

Thema 3: MigrantInnen als Avantgarde der Prekarisierung? Was lässt sich für die gewerkschaftliche organizing-Debatte hieraus lernen?
mit: Efthimia Panagiotidis (Kanak Attak, Euromayday Hamburg, Transit Migration)

16:00-18:30 – Europäisches Grenz-regime und Neukonfiguration von Grenzen

Thema 1: Die Migrationspolitik der EU: „Festung Europa“, Abschottung, Lagerstrukturen an den Außengrenzen
mit: Christopher Nsoh (Berlin, Promotionsstipendiat RLS)

Thema 2: Governing Migration – Die Neukonfiguration von Grenzen und Souveränität durch Migration und deren Autonomie
mit: Vassilis Tsianos (Kanak Attak, Transit Migration, Gesellschaft für Legalisierung)

Thema 3: Militarisierung der EU-Außengrenzen und Verwischung ziviler und militärischer Strukturen
mit: VertreterIn Informationsstelle Militarisierung Tübingen

19:00-21:30 – Migration, Prekarisie-rung von Rechten und linke Konsequenzen

Thema 1: Entrechtung, Überwachung, Zwangsmaßnahmen gegen Flüchtlinge und migrantische Selbstorganisation dagegen
mit: VertreterInnen von antirassistischen Initiativen und Projekten

Thema 2: Integration als Disziplinierungs- und Normalisierungsinstrument
mit: Kien Nghi Ha (Politikwissenschaftler, Berlin)

Thema 3: Globale Soziale Rechte – eine vereinigende Klammer migrantischer und sozialer Kämpfe?
mit: Thomas Seibert (medico international), angefragt

Sonntag, 1. Juli: Felder antirassistischer Intervention

10:00-12:00 – Vorstellung von Initiativen, Projekten und Kampagnen. Möglichkeit zu Vernetzung und Organisierung

13:00-15:30 – Workshops

Workshop 1: Zur Situation von Wanderarbeitern im Baugewerbe
mit: Matthias Kirchner (Generalsekretär des Europäischen Verbands der Wanderarbeiter) und Hartmut Zacher (IG BAU Regionalverband Stuttgart), angefragt

Workshop 2: Zur Situation von Migrantinnen im Dienstleistungsgewerbe und als Haushaltsarbeiterinnen
mit: Iris Nowak (Hamburg), angefragt und Sonja Marko (Bundesvorstand ver.di, Ressort Migrationspolitik/ ausländische Arbeitnehmer), angefragt

Workshop 3: Der Kampf um Grund- und Menschenrechte für Flüchtlinge und MigrantInnen
mit: VertreterInnen von antirassistischen Initiativen und Projekten

16:00-18:00 – Abschlussdiskussion

Globale Soziale Rechte als gemeinsame Perspektive? Diskussion der Ergebnisse der Workshops und Perspektiven der weiteren Arbeit

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Texte

Hier werden nach und nach Beiträge und Berichte als PDF dokumentiert:

Link für Dateidownload folgt "Integration" als Disziplinierungs- und Normalisierungsinstrument
Die kolonialisierenden Effekte des deutschen Integrationsregimes
von Kien Nghi Ha
50,7 kB

Link für Dateidownload folgt"Von wegen Freunde"

Artikel aus dem »Schwäbischen Tagblatt« vom 24.08.2007

124 kB

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Audiomitschnitte zum Download

(4 - 36 MB)

    

interner Link folgt Die vollständigen Mittschnitte (auch der Diskussionen und Abschlussrunde) als MP3 können Sie hier herunterladen.


 

Kurzzusammenfassung

Unter dem Titel „Klimawandel - Internationale Strategien, regionale Folgen und lokale Auswege“ startete am Freitag die Tagung der Rosa-Luxemburg-Stiftung im Solarzentrum in Wietow, Mecklenburg-Vorpommern. Sie hatte zum Ziel, angeregt durch Impulsreferate, gemeinsam über Fragen zum globalen Klimawandel, seine regionalen Folgen und Möglichkeiten lokaler Lösungsstrategien zu diskutieren.

So sollte in drei inhaltlichen Blöcken, erstens eine Einschätzung des Klimawandels weltweit und regional/lokal in Deutschland geleistet werden, zweitens sollte die derzeitige (internationale und nationale) Klimapolitik insbesondere mit Blick auf den zurückliegenden G8-Gipfel kritisch bewertet werden und drittens sollten lokale Klimaschutzinitiativen unter dem Stichwort „Strategien nachhaltigen Klimaschutzes - die lokale Energiewende“ nach ihrer Zukunftsfähigkeit ausgelotet werden.

Der Freitag begann mit Beiträgen von Prof. Dr. Wolfgang Methling (ehemaliger Umweltminister in Mecklenburg-Vorpommern, jetzt MdL, Vorsitzender der Linkspartei.PDS-Landtagsfraktion und Schirmherr des Solarzentrums), Dr. Brigitte Schmidt und Dr. Dietmar Schmidt (Geschäftsführer des Solarzentrums Wietow). Dabei wurde das Solarzentrum als Teil einer größeren Strategie präsentiert, bei der 8 Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern bis 2030 ihre gesamte Energie aus Erneuerbarer Energie gewinnen wollen. Dazu hat das Solarzentrum, das 2003 eingeweiht wurde, bereits einen großen Beitrag geleistet. Träger des Solarzentrums ist die 1997 entstandene gemeinnützige Solarinitiative Mecklenburg-Vorpommern (SIMV). Prof. Methling verwies noch einmal auf das große Potential der Erneuerbaren Energien, und darauf, dass sich die LINKE noch stärker für eine nachhaltige Entwicklung engagieren müsse.

Im ersten Themenblock am Samstag stellten Bernd Brouns (Referent für Energie- und Klimapolitik, Fraktion die LINKE im Bundestag) und Damien Ludewig (Jugendvertreter des Deutschen Naturschutzrings) die Ursachen des Klimawandels und den derzeitigen klimapolitischen Diskurs dar. Im Mittelpunkt standen die internationale Klimapolitik und dabei insbesondere das Kyoto-Protokoll und der darin verankerte Emissionshandel. Die Pro- und Kontra-Positionen zum Emissionshandel wurden dann in einem Rollenspiel diskutiert. Dabei wurde deutlich, mit welchen Argumenten die eine Seite marktökonomische Instrumente als Klimaschutzstrategie verteidigt während die andere Seite dies mit dem Argument der „Verpreisung der Nutzung der Atmosphäre“ grundsätzlich ablehnt.

Im zweiten Themenblock am Samstag berichtete Kristina Dietz (Projekt „Global Governance und Klimawandel“, FU Berlin) von den Folgen des Klimawandels in Entwicklungsländern und stellte klar, dass der Klimawandel kein rein ökologisches Problem darstellt, sondern direktes Resultat der bestehenden sozio-ökonomischen, vermachteten Verhältnisse ist. Hiernach zeigte Andreas Bergmann (Öko-Landwirt, Referent für Landwirtschaft, Fraktion DIE LINKE. im Bundestag), dass der Klimawandel nicht nur in Entwicklungsländern sondern auch hier bereits massive negative Folgewirkungen für die Landwirtschaft bspw. in Brandenburg hat, denen nur begrenzt mit Anpassungsmaßnahmen begegnet werden kann.

Am Sonntag stand dann die Frage im Mittelpunkt, mit welchen Strategien nachhaltiger Klimaschutz möglich ist, wobei den Erneuerbaren Energien wieder eine zentrale Rolle zukam.

Das Beispiel der Umstrukturierung der Region Lausitz-Spreewald zu einer Erneuerbare-Energien-Region zeigt, das dies nicht immer auch auf lokalen Zuspruch stößt. Dorothee Keppler (Projekt „Die Energieregion Lausitz. Neue Perspektiven zur Nutzung und Akzeptanz von Erneuerbaren Energien“ am Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin) hat in ihrem Projekt die Veränderungen in der Region Lausitz-Spreewald wissenschaftlich begleitet. Mit der Kohleregion Lausitz, die derzeit einen massiven Rückbau erlebt, wurde dabei ein Fallbeispiel für die wissenschaftliche Untersuchung gewählt, das bewusst keine Voreiterfunktion erfüllt, um bestehende Konflikte auszuloten. Im Vergleich zum Bioenergiedorf Jühnde, das von Prof. Peter Schmuck (Professor für Psychologie an der Georg-August-Universität Göttingen und stellvertretender Projektleiter des Bioenergiedorfes Jühnde), vorgestellt wurde, stellte sich heraus, dass die Beteiligung der Bevölkerung eine zentrale Rolle bei der Umsetzung von Projekten mit Erneuerbaren Energien spielt. In Jühnde war die Beteiligung der Dorfbevölkerung bei der Umstellung auf Erneuerbare Energien von Beginn an ein wichtiger Aspekt, wohingegen in der Lausitz v. a. große Energieanbieter wie Vattenfall vorherrschend sind und die lokale Bevölkerung wenig Anteil an den Planungen hat.

In der abschließenden Feedbackrunde wurde von den TeilnehmerInnen besonders der Tagungsort hervorgehoben; so waren alle begeistert von der Gelegenheit, das Solarzentrum zu erleben bspw. durch Führungen durchs Zentrum und Besichtung eines Windparks.

Melanie Weber, Juni 2007

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