Auf großes Interesse stieß das Angebot der Rosa-Luxemburg-Stiftung am 14. April 2008 anlässlich des 60. Jahrestages seiner Staatsgründung über die Geschichte und Gegenwart Israels zu diskutieren. Es handelte sich um die erste von zwei Veranstaltungen zum Thema »Israel, Palästina und die deutsche Linke« - die zweite folgte am 26. April 2008 an gleicher Stelle zum Thema »Eine Zukunft für Palästina«.
Eröffnet wurde der Abend durch Professor Moshe Zuckermann, der in seinem Vortrag den analytischen Versuch unternahm, durch einen detaillierten Rückgriff auf Geschichte und Chronik der Einwanderung die aktuellen Strukturprobleme der israelischen Gesellschaft zu bestimmen. Dazu zählen die Verquickung von Staat und Religion, die politische wie soziale Hierarchisierung zwischen der europäischen und orientalischen jüdischen Bevölkerung, die spätestens seit den 1950-er Jahren bestehende kapitalistische Wende im Zionismus und die Frage von Israel als demokratischem Staat. Denn, so Zuckermann, will Israel ein jüdischer Staat sein, kann es keine Demokratie sein; will es Demokratie sein, dann kein jüdischer Staat.
Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der LINKEN, hatte danach die schwere Aufgabe über die Haltung der deutschen Linken zum Staat Israel zu sprechen. In einem großen und streitbaren Bogen von Clausewitz über die Problematisierung der anti-imperialistischen a-priori-Sympathieverteilung der Linken bis hin zu Fragen der Solidarität mit Israel als Staatsräson fand er schließlich klare Worte: „Der Antizionismus kann für die Linke insgesamt, für die Partei DIE LINKE im Besonderen, keine vertretbare Position sein“. Aber auch: „Frieden zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten erfordert ..vor allem: Es muss ein in jeder Hinsicht lebensfähiger Staat Palästina neben dem Staat Israel existieren.“
Der zweite Teil der Veranstaltung beschäftigte sich mit den zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren in Israel.
Angelika Timm, die Leiterin des im Aufbau befindlichen Büros der Stiftung in Tel Aviv, sprach sich engagiert dafür aus, die Kraft, die sowohl die äußerst zahlreichen jüdischen als auch arabischen NGOs haben, in den Blick zu nehmen. Diese Sicht verstärkte auch Alex Elsohn, Europaverantwortwortlicher von Havezelet und ein wichtiger Projektpartner der Stiftung vor Ort. Die Hoffnung, so Elsohn, sind die „Kräfte auf der Nahtstelle“, diejenigen, die im jüdisch-arabischen Dialog aktiv sind.
Beiträge
Alex G. Elsohn: Das Konzept Hoffnung - 60 Jahre Israel und die Projekterfahrung im jüdisch-arabischen Dialog
Alex G. Elsohn ist Europa-Verantwortlicher von „Givat Haviva“, einer 1949 durch die linke Partei Mapam gegründeten israelischen Einrichtung, die sich insbesondere der innerisraelischen jüdisch-arabischen Kooperation widmet und zahlreiche Begegnungsprojekte realisiert. Die ihr angehörende Organisation „Havatzelet“ führt seit 2002 in Zusammenarbeit mit der RLS das Projekt „Friedenspfeiler“ durch, in dessen Rahmen jährlich das Festival „Kultur des Friedens“ in Tel Aviv veranstaltet wird.
Moshe Zuckermann: Israel gestern und heute – Facetten gesellschaftlicher Realität
Moshe Zuckermann ist Soziologe; Professor für Geschichte und Philosophie sowie langjähriger Direktor des Instituts für deutsche Geschichte an der Universität Tel Aviv; Veröffentlichungen in Deutschland: Israel - Deutschland - Israel. Reflexionen eines Heimatlosen, Wien 2006; Zweierlei Israel? Auskünfte eines marxistischen Juden an Thomas Ebermann, Hermann L. Gremliza und Volker Weiß. konkret texte 34, Hamburg 2003; Zweierlei Holocaust: Der Holocaust in den politischen Kulturen Israels und Deutschlands, Göttingen 1998, u. a.
Gregor Gysi: Die Haltung der deutschen Linken zum Staat Israel (erschienen als RLS Standpunkte 9/2008)
Gregor Gysi ist seit 2005 mit Oskar Lafontaine Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Bundestag. Mitglied im Vermittlungsausschuss des BT und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.
Angelika Timm: Zivilgesellschaft als Lackmustest israelischer Demokratie
Angelika Timm ist Leiterin des in Aufbau befindlichen RLS-Büros in Tel Aviv, Israel. Studium der Hebraistik/Arabistik, Promotion und Habilitation an der Humboldt-Universität zu Berlin; Gastprofessuren an israelischen Universitäten, zuletzt Bar-Ilan Universität (2002-07); Publikationen zur Geschichte Israels, zum deutsch-israelischen Verhältnis und zu innerisraelischen Entwicklungen (u. a. Hammer, Zirkel, Davidstern – Das gestörte Verhältnis der DDR zu Zionismus und Staat Israel, Bonn 1997; Israel – Gesellschaft im Wandel, Opladen 2003).