Wie sieht die US-Politik nach den Wahlen aus? Wie der US-Kapitalismus in der Finanzmarktkrise? Und was ist mit der Linken?
Wenige Tage nach der Wahl führte die RLS eine von fast 200 Interessierten besuchte Tagung (»After Bush«) durch, auf der neun linke Wissenschaftler und Experten aus den USA und Kanada sprachen. Es war wohl zum ersten Mal, dass eine Veranstaltung mit einem solchen Spektrum linker Stimmen hierzulande durchgeführt wurde.
Der Tenor war: große Erleichterung über die Niederlage der Rechten in den USA, aber beträchtliche Skepsis gegenüber dem Obama-Projekt und klare Kritik an seiner absehbaren politischen Konzeption, die viel zu wenig versuche Alternativen aufzugreifen und die verheerenden Folgen der Bush-Politik zu beseitigen. Eine moderate rechtszentristische Politik sei womöglich das, was zu erwarten wäre. Auch dies allerdings gebe der Linken wieder Spielräume. Einhellig war die Ansicht, dass die Wirtschaftskrise in den USA und darüber hinaus erst am Anfang stehe und sich 2009 sehr vertiefen würde – eine Re-Regulierung des Finanzmarktes sei nicht imstande, den langen Krisentrend der US-Wirtschaft aufzuhalten. Die Linke, bei all ihrer Schwäche, sei erst langsam dabei sich auf diese tiefe Krisensituation einzustellen, die aber auch Möglichkeiten mit sich bringe, die in einer Befestigung internationaler Zusammenarbeit der Linken erschlossen werden müssten.
Die Tagung war ein guter Schritt in diese Richtung. In drei Themenblöcken wurden die Ergebnisse und politischen Konsequenzen der Wahlen, die Verfassung des US-amerikanischen Finanzmarktkapitalismus und die Konstellationen der Linken in den USA diskutiert.
Es nahmen teil: Harold Meyerson (Verantwortlicher Herausgeber des The American Prospect und politischer Kolumnist der Washington Post, Prof. Stephen Gill (Professor für Politikwissenschaft, York Universität Toronto, Canada), Harriet Fraad (Psychologin, New York), Prof. Neil Smith (Graduate Center, City University of New York), Prof. Robert P. Brenner (Direktor des Center for Social Theory and Comparative History der Universität von Kalifornien, Los Angeles), Prof. William K. Tabb (em. Prof., lehrte Ökonomie am Queens College und der City University, New York), Prof. Richard D. Wolff (Professor für Ökonomie an der Universität von Massachusetts in Amherst, Prof. Stanley Aronowitz (Graduate Center der City University of New York), Prof. Barbara Epstein (History of Consciousness Department an der Universität von Kalifornien in Santa Cruz), Ingar Solty (Wissenschaftlicher Mitarbeiter am FB Politikwissenschaft der York Universität, Kanada). Es moderierten: Dr. Albert Scharenberg (Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin), Prof. Jörg Huffschmid (em. Professor für Ökonomie, Universität Bremen), und Prof. Margit Mayer (John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien an der FU Berlin).
Rainer Rilling vom Institut für Gesellschaftsanalyse der RLS hat die Konferenz organisiert.
Vollständige Audiodokumentation der Tagung:
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Block 1, 11.00 – 13.30
Was kommt? Die Politik in den USA nach den Wahlen * What`s Next? Politics in the US After the Elections [134 MB]
Prof. Stephen Gill (Professor für Politikwissenschaft, York Universität Toronto, Canada), Harold Meyerson (Verantwortlicher Herausgeber des The American Prospect und politischer Kolumnist der Washington Post), Prof. Neil Smith (Graduate Center, City University of New York), Harriet Fraad (Psychologin, New York), Moderation: Dr. Albert Scharenberg (Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin)
Block 2, 14.30 – 16.30
Krise: der US-amerikanische Finanzmarktkapitalismus * The Financial Meltdown and the Future of Capitalism [118 MB]
Prof. Robert P. Brenner (Direktor des Center for Social Theory and Comparative History der Universität von Kalifornien, Los Angeles), Prof. William K. Tabb (em. Prof., lehrte Ökonomie am Queens College und der City University, New York), Prof. Richard D. Wolff (Professor für Ökonomie an der Universität von Massachusetts in Amherst. Moderation: Prof. Jörg Huffschmid (em. Professor für Ökonomie, Universität Bremen)
Block 3, 17.00 – 19.00
Risse im Gebäude – und was ist mit der Linken? * Cracks in the Edifice – And What About the Left? [106 MB]
Harold Meyerson (Herausgeber des The American Prospect und politischer Kolumnist der Washington Post), Prof. Barbara Epstein (History of Consciousness Department an der Universität von Kalifornien in Santa Cruz), Ingar Solty (Wiss. Mitarbeiter am FB Politikwissenschaft der York Universität, Kanada), Prof. Stanley Aronowitz (Graduate Center der City University of New York), William K. Tabb (em. Prof., lehrte Ökonomie am Queens College und der City University, New York). Moderation: Prof. Margit Mayer (John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien an der FU Berlin)
Die Teilnehmer/innen:
- Stanley Aronowitz ist Mitherausgeber der Zeitschrift Situations: Project of the Radical Imagination und Distinguished Professor for Soziology and Urban Education am Graduate Center der City University von New York. Am CUNY leitet er auch seit 1988 das Center for the Study of Culture, Technology and Work. Er ist Autor oder Herausgeber von über 200 Artikeln und über 20 Büchern, darunter: How Class Works, Yale 2003; Just Around the Corner: The Paradox of Jobless Recovery ,Temple 2005; Left Turn: Forging a New Political Future, Herndon 2006 und Against Schooling: For an Education that Matters, Herndon 2008. Stanley Aronowitz gehört zur The Fifteenth Street Manifesto Group, die im Oktober 2008 das Manifesto for a LEFT TURN. An Open Letter to U.S. Radicals publizierte. Web: http://www.stanleyaronowitz.org/
- Robert P. Brenner ist Hochschullehrer für Geschichte und Direktor des Center for Social Theory and Comparative History an der Universität von Kalifornien, Los Angeles. Er ist Autor von Neuer Boom oder neue Bubble? Ist der gegenwärtige Aufschwung der US-Wirtschaft eine Seifenblase? Hamburg 2004; The Economics of Global Turbulence, London 2006 und Rebel Rank and File: Labor Militancy and Revolt from Below in the Long 1970s, London 2008. Web: http://www.history.ucla.edu/people/faculty?lid=37
- Harriet Fraad ist Psychotherapeutin in New York und in der Frauenbewegung aktiv. Sie ist Präsidentin der Association for Psychohistory. Zu ihren Publikationen gehören: Bringing It All Back Home: Class Gender and Power in the Modern Household (mit S. Resnick und R.Wolff) London 1994. Sie publiziert regelmäßig in Rethinking Marxism und The Journal of Psychohistory. Stephen Gill ist Professor für Politikwissenschaft mit den Spezialgebieten Internationale Beziehungen und Politische Ökonomie an der York University in Toronto, Kanada und publizierte u.a.: Power and Resistance in the New World Order, Palgrave 2002, Gramsci, Historical Materialism and International Relations, Cambridge 1993, American Hegemony and the Trilateral Commission. Cambridge 1991. Web: http://www.yorku.ca/comcult/frames/staff/profiles/gill.html
- Stephen Gill ist Professor für Politikwissenschaft mit den Spezialgebieten Internationale Beziehungen und Politische Ökonomie an der York University in Toronto, Kanada und publizierte u.a.: Power and Resistance in the New World Order, Palgrave 2002, Gramsci, Historical Materialism and International Relations, Cambridge 1993, American Hegemony and the Trilateral Commission. Cambridge 1991. Web: www.yorku.ca/comcult/frames/staff/profiles/gill.html
- Barbara Epstein lehrt im History of Consciousness Department an der Universität von Kalifornien in Santa Cruz. Ihre Publikationen konzentrierten sich stark auf die Analyse linker und progressiver sozialer Bewegungen in den USA (u.a.Political Protest and Cultural Revolution: Nonviolent Direct Action in the 1970s and 1980s, UC Press, 1991). Ihr letztes eben publiziertes Buch untersucht den Jüdischen Widerstand während des 2. Weltkriegs: The Minsk Ghetto, 1941-1943: Jewish Resistance and Soviet Internationalism (UC Press). Sie war langjähriges Mitglied des Herausgeberkollektivs von Socialist Revolution, später Socialist Review, und arbeitet nun mit Socialist Register und Monthly Review zusammen.
- Jörg Huffschmid ist Prof. em. für Politische Ökonomie und Wirtschaftspolitik und leitete bis 2005 das Institut für Europäische Wirtschaft, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik der Universität Bremen. Er ist Gründungsmitglied der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (Memorandum-Gruppe) und des „Euro-Memo“, Mitglied des Wiss. Beirats von Attac Deutschland und des Beirats der National Jobs for All Coalition (New York). Er ist Mitherausgeber der Blätter für deutsche und internationale Politik und publizierte zuletzt Macht- und Steuerungsverschiebungen hinter den Spekulationsblasen Anmerkungen zur Diskussion über die aktuelle Finanzkrise, in: Z 72 (2007) S.7-10 und mit M. Köppen und W. Rhode Finanzinvestoren: Retter oder Raubritter? Neue Herausforderungen durch internationale Raubmärkte, Hamburg 2007.
- Margit Mayer ist Professorin am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien an der FU Berlin, Abt. Politik/Fachbereich Politische Wissenschaft. Sie ist u.a. Mitherausgeberin von Capitalism, Nature, Socialism, Mobilization und der Reihe “Nordamerikastudien” (Campus) und publizierte zuletzt Städtische Soziale Bewegungen, in R. Roth, D. Rucht (Hg.), Die Sozialen Bewegungen in Deutschland seit 1945, Frankfurt 2008, S. 293-318, To what end do we theorize sociospatial relations?, in: Environment and Planning D: Society and Space 26/3, 2008, 414-419 sowie Recht auf Stadt, ["Right to the City"] in: U. Brand, B. Lösch, S. Thimmel, (Hg.), ABC der Alternativen, Hamburg 2007, S.192-193. Web: http://userpage.fu-berlin.de/~jfkpolhk/
- Harold Meyerson ist seit 2002 Verantwortlicher Herausgeber des The American Prospect und seit 2003 politischer Kolumnist der Washington Post. Er publiziert außerdem regelmäßig u.a. in The New Yorker, The Atlantic, The New Republic, The Nation, The New Statesman, der New York Times und der Los Angeles Times. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift Dissent. Web: http://www.haroldmeyerson.com/
- Albert Scharenberg war Lehrbeauftragter für Politik und Nordamerikastudien an der FU Berlin und ist Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik. Er publizierte u. a. Comeback der "liberal tradition"? Die USA nach Bush (Blätter 3/2008) und (mit O. Schmidtke) Das Ende der Politik? Globalisierung und der Strukturwandel des Politischen, Münster 2003.
- Neil Smith ist Distinguished Professor of Anthropology and Geography am Graduate Center der City University of New York, wo er auch das Center for Place, Culture and Politics leitet. Zu seinen Publikationen gehören American Empire: Roosevelt’s Geographer and the Prelude to Globalization, Berkeley/Los Angeles 2003 und The Endgame of Globalization, New York 2005.
- Ingar Solty ist Doktorand der Politikwissenschaft an der York University in Toronto und Redakteur Politik der Zeitschrift Das Argument. Gemeinsam mit Frank Deppe u.a. ist er Mitautor von Der neue Imperialismus, Heilbronn 2004 und publizierte in Das Argument, Z, Zeitschrift Marxistische Erneuerung, Socialism & Democracy, Capital & Class und Sozialismus, dort zuletzt auch Das Obama-Projekt als Supplement zu Sozialismus 10/2008.
- William K. Tabb war Hochschullehrer für Ökonomie am Queens College und für Ökonomie, Politikwissenschaft und Soziologie am Graduate Center der City University von New York. Zu seinen Publikationen gehören: Economic Governance in the Age of Globalization, New York 2004, Unequal Partners: A Primer on Globalization New York 2002 und The Amoral Elephant: Globalization and the Struggle for Social Justice in the Twenty-First Century, New York 2001. Er publiziert häufig in Monthly Review u.a.m.
- Richard Wolff ist Professor für Ökonomie an der Universität von Massachusetts, Amherst. Zu seinen zahlreichen Publikationen gehören Knowledge and Class (mit S. Resnick) Chicago 1987 und zuletzt New Departures in Marxian Theory (mit S. Resnick) New York 2006. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift Rethinking Marxism und publiziert u.a. in Monthly Review.