Am 27. August 1987 wurde auf Pressekonferenzen in Berlin (Ost) und Bonn ein ungewöhnliches Dokument präsentiert: «Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit». Es entstand aus dem Dialog zwischen der Grundwertekommission der SPD und der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED von Februar 1984 bis April 1989. Autoren dieser Grundsatzerklärung waren Thomas Meyer und Erhard Eppler für die Grundwertekommission, Rolf Reißig und Otto Reinhold für die Akademie.
Der 25. Jahrestag dieser Präsentation war Anlass dieser Veranstaltung mit Erhard Eppler, Rolf Reißig, Thomas Meyer und Dieter Klein. Es moderierte Ulrike Herrmann, taz.
Seit 25 Jahren ist die Diskussion zu dieser Grundsatzerklärung des Jahres 1987, zu ihrer Entstehung und ihren Folgen nicht zum Ende gekommen. Mit Rolf Reißigs Buch von 2002 «Dialog durch die Mauer» liegt ein sozialwissenschaftlich fundiertes «Standardwerk» (so Erhard Eppler im Nachwort) dazu vor, das durch viele Zeitzeugenberichte ergänzt ist.
25 Jahre SED-SPD-Dialog: Rückblick
Der Klassenfeind bekommt ein menschliches Gesicht
Die drei Säulen des Dialoges zwischen SED und SPD (Februar 1984 - April 1989) - gemeinsame Sicherheit, friedlicher Wettstreit (der Systeme) und eine Kultur des Streites und Dialoges - bestimmten den Inhalt bei den Gesprächspartnern auf beiden Seiten. Die damalige atomare Hochrüstung auf beiden Seiten und die damit verbundene Bedrohung der gesamten Zivilisation war Hauptmotivation aller Beteiligten. Das gemeinsame Interesse überragte die ideologischen Gegensätze. Rolf Reißig, damals bei der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED und Erhard Eppler, damals Leiter der Grundwertekommission der SPD, sind sich beide an einem Punkt sicher: Die Gespräche und das veröffentlichte Dialogpapier beeinflussten die gesellschaftliche Situation in der DDR Ende der 1980er Jahre und trugen mit dazu bei, dass das DDR-System ohne Blutvergießen kollabierte.
Der Zusammenbruch der DDR bzw. die Wiedervereinigung waren allerdings nie Gegenstand dieser Gespräche. Die Intellektuellen auf beiden Seiten waren auf einen längerfristigen Reform- und Annäherungsprozess aus, der allerdings die SED-Führung hoffnungslos überforderte.
25 Jahre SED-SPD-Dialog: Ausblick
Über die konkreten Zeitumstände hinaus ist diese Grundsatzerklärung von Institutionen der SED und SPD erstaunlich aktuell: Es haben sich nicht nur die globalen Probleme verschärft und sind in eine Vielfachkrise gemündet, sondern es sind globale Konflikte entstanden, die eine neue Kultur des Dialogs und neue Maßstäbe für Entwicklung verlangen.
Dieter Klein ist sich sicher: Die Reformfähigkeit des Staatssozialismus wurde Ende der achtziger Jahren überschätzt, der Kapitalismus allerdings muss seine Reformfähigkeit in Bezug auf menschenwürdige, ökologisch verträgliche und solidarische Bedingungen noch beweisen. Diese Meinung teilt Thomas Meyer, der noch einen Schritt weiter geht: Der kultivierte Dialog aus SED-SPD-Zeiten wäre ein Paradebeispiel für eine konfliktbegrenzende politische Aktivität und könnte das linke Spektrum beim Angehen der großen globalen Herausforderungen der Gegenwart sehr bereichern.
Viel zitiert wurde der auf beiden Seiten benutzte Begriff «Demokratischer Sozialismus». Um diesen Begriff lohnt es sich zu streiten, im Alltag wie auch zwischen SPD und LINKE.
Erhard Eppler zum Dialog SPD und LINKE
Weitere Informationen
Für einen neuen Dialog unter Linken
Neues Deutschland, 25.8.2012
Video-Interview mit Erhard Eppler
Berlin, 23.8.2012
Grundsatzerklärung in voller Länge
Neues Deutschland, Seite 3, 28.8.1987
«Später Sprung über den politischen Schatten»
Tom Strohschneider, Neues Deutschland, 17.8.2012
Neuland beschritten
Rolf Reißig 18.8.2012 (Kurzfassung der Standpunkte 11/2012)
Ein umstrittener Dialog und seine Folgen
Standpunkte 11/2012 von Rolf Reißig
«Ich stehe nach wie vor dazu»
Erhard Eppler im Interview mit Karlen Vesper, Neues Deutschland, 18.8.2012
SED und SPD im Dialog
Harald Lange in der Zeitschrift «Utopie Kreativ» 147 von Januar 2003
Ein umstrittener Dialog - Zum SPD-SED-Grundsatzpapier
Dokumentation einer Diskussion zwischen Thomas Meyer, Grundwertekommission der SPD und Rolf Reißig, BISS e.V. am 27.8.2002