Rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten auf der Fachtagung „Streikrecht-Tarifeinheit-Gewerkschaftspluralismus“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung am Montag, den 13. April 2015, den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Tarifeinheit. Unter den Besuchern der Tagung waren mehrere Richter des Bundesarbeitsgerichtes sowie Vertreter von DGB- und Spartengewerkschaften (GDL, Cockpit, Marburger Bund, UFO), außerdem Personen aus Politik und Wissenschaft. Eröffnet wurde die Fachtagung durch eine Rede des Thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow.
Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Dr. Reinhard Göhner, bezeichnete den Gesetzentwurf eingangs als Reaktion auf „Exzesse“ einzelner, weniger Spartengewerkschaften. Dieser Trend könne sich verstärken. „Tarifautonomie braucht Tarifeinheit“, so Göhner. Der Entwurf werde nicht zum Ende der Spartengewerkschaften führen. Er sei unter Abwägung verschiedener Rechtsgüter zur Sicherung der Tarifautonomie vertretbar und somit nicht grundgesetzwidrig.
Prof. Dr. Däubler, einer der führenden Arbeitsrechtsexperten der Bundesrepublik, widersprach den Erwartungen Göhners, der Gesetzentwurf würde Tarifgemeinschaften fördern. „Im Gegenteil verstärkt der Entwurf die Konkurrenz unter den Gewerkschaften und erschwert so die gemeinsame Vertretung von Arbeitnehmerinteressen. Somit wird das Grundrecht auf Streik in der Substanz ausgehöhlt.“
Bodo Ramelow, Ministerpräsident des Landes Thüringen, bekräftigte: „Das Tarifeinheitsgesetz führt zur Einschränkung von Arbeitnehmerrechten und schwächt die Gewerkschaften. Hier wird nicht Einheit geschaffen, sondern Zwiespalt gesät.“
Der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, Claus Weselsky, sah die Rechte „spezialisierter“ Gewerkschaften durch den Gesetzentwurf elementar bedroht, weil ihnen faktisch das Streikrecht verwehrt werde – für ihn ein Eingriff in Organisationsfreiheit und damit gegen das Grundgesetz. „Wir bereiten schnellstmöglich eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht vor.“
Dr. Dagmar Enkelmann, Vorstandsvorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung betonte: „Die Konflikte zwischen den Gewerkschaften müssen konstruktiv gelöst werden.“ Die Rosa-Luxemburg-Stiftung möchte mit der heutigen Veranstaltung eine Gesprächsplattform dafür bieten und werde dies auch in Zukunft fortsetzen.
Es diskutierten Dr. Reinhard Göhner, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und Prof. Dr. Wolfgang Däubler, Autor des Rechtsgutachtens der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag über das Pro und Contra einer gesetzlichen Regelung.
Dr. Reinhard Bispinck vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut WSI stellte seine Untersuchung über „Die Rolle der Berufs- und Spartengewerkschaften in der Tarifpolitik“ vor (hier der verschriftlichte Vortrag), während Prof. Dr. Stefan Greiner (Universität Bonn) und Prof. Dr. Ulrike Wendeling-Schröder (Universität Hannover)über das Thema „Streik und Daseinsvorsorge“ diskutierten.
Die Tagung endete mit einer von Prof. Dr. Thomas Leif (SWR – Südwestrundfunk) moderierten Podiumsdiskussion, auf der Claus Weselsky, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) mit Vertretern der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), der Gewerkschaft ver.di und des Marburger Bundes über Perspektiven einer Tarifeinheit jenseits des Gesetzes debattierte.
Ein ausführlicher Bericht sowie weitere Videomitschnitte folgt in Kürze, Fotos der Veranstaltung gibt es auf flickr.
Die Präsentationen von Prof. Fr. Ulrike Wendeling-Schröder und Dr. Reinhard Bispinck stehen als PDF zum download zur Verfügung.
Programm
Siehe auch:
Streik und Daseinsvorsorge
Zehn Thesen und ein Resümee. Von Ulrike Wendeling-Schröder