Mehr als ein halbes Jahrhundert ist vergangen, seit Juri Gagarin am 12. April 1961 die Erde umrundete - und noch immer versteht es der erste Mensch im All zu faszinieren. Zu erleben war das bei der Eröffnung der Ausstellung «Gagarins Vermächtnis» im Foyer des Rosa-Luxemburg Stiftung wie auch bei der anschließenden Podiumsdebatte im Münzenberg-Saal am 4. September 2017.
Gerade einmal 60 Jahre liege mit dem Sputnik-Start der Beginn der Weltraumfahrt zurück, erinnerte die Vorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Dagmar Enkelmann, bei der Ausstellungseröffnung. In dem historisch gesehen kurzen Zeitraum habe die Menschheit einen «dramatischen Sprung» vollzogen. Heute erscheine ein Flug in All beinahe als normal.
Der Weltraum fasziniere die Menschen, seit es diese auf der Erde gibt, sagte Enkelmann weiter. Die Erforschung des Alls habe unseren Blick und unser Wissen von der Erde wie auch das über andere Planeten und Sterne deutlich verändert. «Es sind qualitativ neue Möglichkeiten entstanden - für Wetterbeobachtungen und -vorhersagen, für Navigation, TV-Übertragungen und vieles andere mehr.»
Mit der Ausstellung über «Gagarins Vermächtnis» will die Stiftung den Beginn des Weges und die Ergebnisse der friedlichen Weltraumforschung würdigen. Unter den Exponaten befindet sich unter anderem ein originalgetreues Sputnik-Modell, das vom Russischen Haus der Wissenschaft und Kultur zur Verfügung gestellt wurde. Präsentiert werden auch die - bisher so nicht zu sehenden - Porträts aller bisherigen Raumfahrerinnen sowie die Ergebnisse eines Schülermalwettbewerbs.
Die Anforderungen an einen Raumfahrer haben sich gegenüber Gagarins Zeiten nicht gänzlich verändert, zeigte sich in der anschließenden Podiumsrunde im Münzenberg-Saal. Ins All zu fliegen, sei nicht nur eine Frage technischer Ausbildung, sondern vor allem eine des Charakters, machte der russische Kosmonaut Oleg Wiktorowitsch Nowizki klar.
Nowizki war erst kürzlich, im Juni 2017, von einem Langzeitaufenthalt auf der Internationalen Raumstation ISS zurückgekehrt. Fast ein dreiviertel Jahr hatte er 400 Kilometer über der Erde als Bordingenieur gearbeitet. 2006 war Nowizki als Raumfahrer ausgewählt worden und nach einer mehrjährigen Ausbildung 2012 zum ersten Mal zur ISS geflogen.
Er habe, erzählte der ISS-Mann im Münzenberg-Saal, von Kindesbeinen an Kosmonaut werden wollen. Dazu müsse man natürlich gesund sein, verschiedene Sprachen beherrschen und fachlich versiert sein. Am wichtigsten aber ist: «Man darf nie über die Köpfe seiner Kameraden hinweggehen und muss alle Ziele ehrlich erreichen», beschrieb Nowizki die entscheidende charakterliche Anforderung. Als angehender Kosmonaut steht man immer in Kontakt mit den späteren Crewmitgliedern auf der ISS. «Die psychologische Seite ist enorm wichtig, um so lange Zeit zusammenarbeiten zu können», betonte er.
Ausdauer und Hartnäckigkeit sind bei dem Berufswunsch offenbar auch gefragt. Denn es dauert mehrere Jahre, bis man gelernt hat, wie ein Raumschiff funktioniert - auch es dann beherrscht, wenn man keine Verbindung zur Erde hat und nicht nachfragen kann, wie Nowizki schilderte. Dazu kommen Kenntnisse über die Vielzahl wissenschaftlicher Experimente, die überall auf der Welt, in den USA oder auch in Japan, vorbereitet werden.
Zu Zeiten von Eberhard Köllner in den 1970er Jahren war die Auswahl für Raumflieger noch wesentlich enger gefasst. Köllner war Double von Sigmund Jähn, dem ersten Deutschen im All, und ist wohl der hierzulande bekannteste Raumfahrer, dem es am Ende, die Wende in der DDR kam dazwischen, nicht vergönnt war, ins All zu fliegen.
Zu seiner Zeit, sagte Köllner, hielt man Flugzeugführer von vornherein für am geeignetsten, ins All zu fliegen. Da spielte deren Fähigkeit zur räumlichen Orientierung eine Rolle, aber auch, dass Flugzeugführer ständig medizinisch überwacht wurden.
Weitere Termine
- Freitag, 22. bis Samstag, 23. September 2017: Busexkursion nach Jena und Morgenröthe-Rautenkranz mit dem russischen Kosmonauten Michail Borissowitsch Kornijenko und dem Raumfahrtexperten Gerhard Kowalski Programm: Optisches Museum, Planetarium Jena, Besuch Jena-Optronik (gehört zu den weltweiten Spitzenadressen im optischen Instrumentenbau für die Weltraumforschung); Führung durch die Deutsche Raumfahrtausstellung in Morgenröthe-Rautenkranz & Vortrag G. Kowalski Kosten: 90 Euro, begrenzte Platzkapazität Anmeldung: nur über klingberg@rosalux.de
- Montag, 25. September 2017, 18:00 Uhr: Salon der Rosa-Luxemburg-Stiftung FINISSAGE DER AUSSTELLUNG mit dem russischen Kosmonauten Michail Borissowitsch Kornijenko und dem Raumfahrtexperten Gerhard Kowalski Moderation: Alfred Eichhorn
In der Zeit, als Nowizki 2016 im All war, wurde der neue US-Präsident Donald Trump gewählt. Spreche man mit den amerikanischen Kollegen darüber?, wollte Dagmar Enkelmann von Nowizki wissen. «Nein», entgegnete dieser. Auf der Station werde nicht über politische oder über religiöse Fragen diskutiert. Es gehe immer nur um den gemeinsamen Planeten, die Erde.
Der Russe Nowizki wie auch der Deutsche Köllner betonten im Münzenberg-Saal ein ums andere Mal, dass Raumfahrt nur funktionieren kann, wenn man «oben» in der Umlaufbahn einfach als Menschen zusammenarbeitet.
Sie sehen sich dabei schon bewusst als Vorbilder, die mit ihrer Arbeit im All zeigen können, wie gut und vorurteilsfrei Menschen aus aller Welt zusammenwirken können und immer bestrebt sind, ihr Bestes zu geben.
Geht es allerdings auf der Erde selbst nicht friedlich und solidarisch zu, kann auf Dauer auch der Weltraum davon nicht unberührt bleiben. Auch das machte die Debatte deutlich. Raumfahrtexperte und Gagarin-Biograf Gerhard Kowalski warnte im Münzenberg-Saal davor, dass die ISS am Ende ein Spielball der Weltpolitik werden könnte.
So hätte sich China gern an der ISS beteiligt, dem hätten aber die USA einen Riegel vorgeschoben, weil sie eine Ausspähung von Technologie befürchteten, sagte Kowalski. Gegenüber Russland aber hätten die USA solche Bedenken nicht, fuhr er fort. «Mehr noch: Die Amerikaner vertrauen sogar ihr Leben der russischen Sojus-Technik an.»
Bisher, schaute Kowalski voraus, soll das ISS-Projekt 2024 beendet werden. Dann befinde sich die Station ein Vierteljahrhundert im Orbit. Wie die internationale Kooperation dann fortgesetzt wird - dafür gebe es derzeit noch kein Konzept, kritisierte der Experte. Klar sei nur, dass künftig die Entwicklungsländer einbezogen werden müssten.
Kowalski nahm hier auch die europäische Raumfahrtagentur ESA in die Pflicht, die Finanzierung der Raumforschung über 2020 hinaus zu sichern. Diese Kosten seine «Peanuts» im Vergleich zu denen der Kriegseinsätze, an denen sich EU-Länder beteiligten.
Russland hat nach Kowalskis Ansicht bislang kein großes Interesse, die Arbeit an einer neuen ISS fortzuführen - ohne Russland und den Transportschiffen des Landes ginge es aber nicht. China plant seinerseits, nachdem das Land bei der ISS nicht zum Zuge kam, den Aufbau einer eigenen Station - und haben alle Länder eingeladen. Nach der ISS, malte Kowalski aus, könnten also durchaus mehrere neue Raumstationen um die Erde kreisen.
Trotz der politischen Unwägbarkeiten plädierte Eberhard Köllner dafür, dass auch Deutschland weiter die nötigen Mittel für die Raumfahrt aufbringt. Die Frage nach ihrem konkreten Nutzen zu beantworten, sei mitunter schwierig, räumte er ein. Wissenschaft und Forschung seien aber unabdingbar, sonst würden wir «immer noch auf den Bäumen sitzen.»
Nur einen bemannten Flug zum Mars - den hält der Köllner auf absehbare Zeit wirklich nicht für notwendig. «Wir erleben das nicht und auch die nachfolgende Generation nicht», ist er sich sicher.
Zum Mars zu kommen - das hatte auch Gagarin nicht geschafft. Auf dem Mond ist er allerdings schon angekommen. Gagarins Namen trägt ein großer Krater auf der südlichen Hemisphäre auf der von der Erde nicht sichtbaren Rückseite des Erdtrabanten.