70 Jahre NATO – ist dieses Jubiläum des transatlantischen Militärbündnisses, das im April 2019 offiziell gefeiert werden wird, tatsächlich ein Grund zum Feiern? Für den Mainstream in der deutschen Außenpolitikelite wird diese Frage zweifellos mit «Ja» beantwortet werden. Zwar hat die NATO mit dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes und dem Ende des Kalten Krieges ihre Geschäftsgrundlage verloren. Sie hat sich 1991 jedoch nicht aufgelöst. Im Gegenteil, entgegen gegebener Versprechen im Zwei-plus-Vier-Vertrag hat sie sich über Mitteleuropa bis an die Grenzen Russlands ausgedehnt und sich als globale Interventionsarmee unter Führung der USA neu definiert. Der außenpolitische Mainstream in Deutschland sieht dabei die NATO und das enge Bündnis mit den USA als Garantie für deutsche Interessen an Wohlstand, Frieden und Sicherheit unerlässlich. Mit der NATO sind jedoch für Deutschland nicht nur Kriegsbeteiligungen verbunden. Für den außenpolitischen Mainstream in Deutschland war etwa die Absage an die Bombardierung Libyens sogar ein «neuer deutscher Sonderweg», der zu unterlassen sei.
Zugleich erheben die USA Forderungen an Deutschland und die anderen NATO-Staaten, massiv aufzurüsten und die EU selbst nutzt Differenzen mit den USA unter Trump, um eigene Aufrüstungsprojekte und den Aufbau einer EU-Armee systematisch nach vorne zu bringen. Sie ist damit federführend an dem neuen Rüstungswettlauf auf der Welt beteiligt. Diese Aufrüstung und die Manöverorientierung der NATO, die Zuspitzung der Konfrontation mit Russland fördern jedoch nicht nur die Gefahr von realen kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa und – über die zwangsläufig damit verbundenen – Rüstungsexporte in der ganzen Welt. Sie steht auch im Kontrast zur Sparpolitik der «Schuldenbremse», die Deutschland sich selbst verordnet und in der EU durchgesetzt hat und die wichtige Investitionen in die Infrastruktur – in Bildung, Gesundheit, Verkehr und die Armutsbekämpfung – oder ökologisch zwingend notwendige grüne Technologien und Energieträger verhindert. Zunehmend spitzt sich die Aufrüstung damit doppelt zu: Als eine Frage der Erhaltung des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit.
70 Jahre: Kein Frieden mit der NATO
Aber was sind die Alternativen? Die Konferenz analysierte und kritisierte die Politik der NATO und die Militarisierung der Europäischen Union nicht nur. Sie stellte die Frage der Alternativen offensiv. Sie warf alternative Politikkonzepte der Friedensstiftung und Friedenserhaltung auf. Sie fragte, wie linke Friedenspolitik Konflikte nicht nur bearbeiten, sondern präventiv verhindern kann. Damit wird der Blick geweitet hinsichtlich der wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen des Friedens. Denn die Politik im gegenwärtigen Kapitalismus schafft systematisch Probleme und Widersprüche, die sie dann in der Logik des Militärischen bearbeitet. Wir aber wollen die Ursachen von Konflikten in den Blick nehmen und im Rahmen von positiven Friedenskonzepten bearbeiten.
Zugleich warf die Konferenz aber auch die Frage auf, welche alternativen Sicherheitsarchitekturen denn jenseits der NATO und jenseits der militärischen Machtambitionen der EU denkbar sind. Es geht um Alternativen, die uns und die zivilen Bevölkerungen der Welt von Aufrüstung, Kriegsgefahr und sozialer Ungerechtigkeit befreien und internationale Zusammenarbeit und Verständnis fördern, die Mittel, die heute zerstörerisch für Krieg und Rüstung ausgegeben werden, frei macht für die Bearbeitung der großen Widersprüche und Probleme, mit denen wir uns heute konfrontiert sehen: Klimawandel, soziale Ungerechtigkeit, globale Rechtsentwicklung. Dazu gehört dann allerdings auch die Frage, wie der relative Niedergang der USA ohne einen Großkrieg mit China bewerkstelligt wird und wie Chinas Aufstieg sich friedlich vollziehen kann.