Nachricht | Afrika - Ostafrika - Sozialökologischer Umbau - Klimagerechtigkeit «Wenn hier alle Bescheid wüssten, gäbe es eine massive Bewegung»

Interview mit Fazal Issa über den Klimawandel und politische Antworten darauf.

Fazal Issa, Projektmanager bei dem tansanischen ForumCC Foto: Emma Gottwald / RLS

Könnten Sie die Arbeit des ForumCC kurz umreißen?

Forum CC ist ein Netzwerk  aus ungefähr 80 zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sowohl lokal als auch national zum Thema Klimawandel arbeiten. Wir verknüpfen Klimawandel mit verschiedenen Themenfeldern wie zum Beispiel Landwirtschaft, Viehzucht, Wasser und neuerdings auch mit Energie und Küstenschutz. Als Dachorganisation sind wir auf verschiedenen Ebenen aktiv - an der Basis und auf nationaler Ebene, was als nationale Plattform unser Hauptzweck ist, aber auch auf internationaler Ebene durch das afrikanische Netzwerk Pan Africa Climate Justice Alliance (PACJA). Wir nutzen internationale Fonds und politische Prozesse für unsere Arbeit, wie beispielsweise den United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC), die COP-Treffen und seit kurzem auch den Green Climate Fund (GCF).

Seit eineinhalb Jahren ist John Magufuli tansanischer Präsident. Ist Klimagerechtigkeit ein Thema der neuen Regierung?

Nein, in Sachen Klimagerechtigkeit gibt es bisher kaum Bewegung. Allerdings begrüßen wir, dass unter Präsident Magufuli Korruption bekämpft wird, Regierungsausgaben überprüft und Ressourcen mobilisiert werden. Denn wenn nicht genug Geld eingenommen wird, stehen verständlicherweise zu wenig Mittel für Entwicklungsprojekte zur Verfügung. Also mobilisiert er auch für uns Ressourcen.

Aber abgesehen von den Ankündigungen in nationalen Finanzplänen, zum Beispiel in dem fünfjährigen Entwicklungsplan, sind bisher noch nicht so viele Gelder bei uns angekommen. Wie wir in verschiedenen Studien gezeigt haben, erhielt der Klimawandel bisher kaum die notwendige Aufmerksamkeit in verschiedenen Ministerien. Inzwischen haben aber einzelne Ministerien erste Schritte gemacht, beispielsweise bei spezifischen Plänen wie zu klimasmarter Landwirtschaft oder verbesserte Anpassungen an den Klimawandel. Jedoch benötigt es auch finanzielle Zusagen. Pläne sind die eine Sache; die andere Sache ist es, diese umzusetzen. 

Aber zurück zu Präsident Magufuli: Die neue Regierung verändert den Fokus recht oft - der Kampf gegen Korruption und  sogenannte „ghostworker“, für ein neues Steuersystem, den Umzug nach Dodoma und den Kampf gegen Drogen. Ein Land wie Tansania hat viele Herausforderungen, deshalb müssen wir Schwerpunkte setzen. Für mich wäre Klimagerechtigkeit einer von ihnen.

Würden Sie sagen, es gibt so etwas wie eine Bewegung für Klimagerechtigkeit? Oder, wie wird das Thema Klimawandel in der tansanischen Gesellschaft behandelt?

Die meisten Organisationen die vorher zum Thema „Umwelt“ arbeiteten, arbeiten jetzt zum Klimawandel. Unsere Mitglieder arbeiten zu sehr verschiedenen Themen, aber egal ob es Gender, Wasser, Landwirtschaft oder Energie ist, sie tun es immer in Bezug auf Klimawandel. Der Fokus in unserem Netzwerk liegt auf Anpassungen und Schutz vor Klimawandelfolgen. In einem Land mit einem CO2 Ausstoß unter einem Prozent, liegt der Fokus natürlich weniger auf Einsparung als auf Anpassung. Und wir erwarten Geld für diese Anpassung und Schadensbegrenzung zu bekommen. Daher liegt unser Schwerpunkt auch auf Klimaschutz-Finanzierung. Wir prüfen vor allem, dass zugesagtes nationales und internationales Geld ausbezahlt und auf beste Weise genutzt wird (http://www.rosalux.co.tz/2015/10/25/study-donor-dependence-and-underfunding-hampering-climate-financing-in-tanzania/). Es gab in der internationalen Arena Zusagen die jedoch nicht eingehalten wurden. Das heißt ein anderes Arbeitsfeld ist die Ressourcen Mobilisierung innerhalb des Landes. Auf der einen Seite die innovative, lokale Ressourcen-Mobilisierung, auf der anderen Seite das strategische pochen auf internationale Gelder. 

Aber würdest du sagen, dass es eine Bewegung gibt? Würden die Menschen laut werden für mehr Klimagerechtigkeit?

Ja, wenn die Leute wissen was passiert, wenn sie die Auswirkungen des Klimawandels kennen. ForumCC, beispielsweise, arbeitet auch auf Bezirksebene mit FarmerInnen und PastoralistInnen zusammen und wir beobachten: Wenn die Leute wissen was in ihrer Region passiert, kommen sie in Bewegung. Bisher wussten zum Beispiel viele nicht, dass sie dürreresistente Samen umsonst bekommen können oder dass sie Samen, die nicht den Standards genügen, melden können. Jetzt, haben sie gemeinsam Forschungsinstitute besucht um sich darüber zu informieren, welche Samen genau für ihre Region geeignet sind. Dass zeigt, wenn Menschen das Thema verstehen, kümmern sie sich auch. Aber ich würde nicht sagen, dass es momentan eine große Bewegung gibt, nein, das würde ich nicht sagen.

Bisher wurde der Punkt, an dem die Auswirkungen des Klimawandels richtig offensichtlich werden, noch nicht erreicht. Aber erste Veränderungen sind sichtbar. Zum Beispiel ist die Temperatur in Tansania seit 1960 schon um ein Grad Celsius gestiegen, während es im globalen Durchschnitt „nur“ 0,8 Grad waren. Ab einem Grad Celsius gibt es Dürren, Fluten und stärkere, aber kürzere, Regenzeiten mit Folgen für die Landwirtschaft. Der Gletscher des Kilimanjaro ist schon zu 80 Prozent abgeschmolzen und Vorhersagen gehen davon aus, dass er in den nächsten 30 bis 50 Jahren vollkommen verschwunden sein wird. Auch die Auswirkungen auf die Landwirtschaft werden massiv sein: 65 Prozent der Tansanier arbeiten in der Landwirtschaft, 25 Prozent des BIP kommt aus der Landwirtschaft. Das heißt wenn Dürren und Fluten die Landwirtschaft treffen, wird dass die Wirtschaft Tansanias beeinträchtigen und die Lebensgrundlage vieler Menschen zerstören. Deshalb leisten wir Aufklärung in der Bevölkerung und in der Regierung. Wenn hier alle Bescheid wüssten, gäbe es eine massive Bewegung. Und dass ist es, was wir versuchen.

Was könnte die deutsche Zivilgesellschaft von der Tansanischen lernen?

Ich habe gehört, dass es in vielen Ländern des Nordens Menschen gibt, die noch immer Skeptiker eines menschengemachten Klimawandels sind. Es mag sein, das er noch nicht überall zu spüren ist, aber auf lange Sicht werden wir alle darunter leiden.

Eine andere Sache sind die Regierungen die ihrer Verantwortung gerecht werden. Die deutsche Regierung hat zwar den Vorsitz des UNFCCC übernommen, aber wir wollen mehr als diplomatische Wichtigtuerei sehen; wir wollen Taten. Sie haben sich entschlossen aus der Atomkraft auszusteigen; dann sollten sie das auch tun und nicht weiterhin Atomenergie von ihren Nachbarn importieren.  Wenn sie zusagen Gelder für Entwicklungsländer zur Verfügung zu stellen, so wie es in den Konventionen vereinbart wurde, dann sollten sie das tun. Wir brauchen konkrete Veränderungen und nicht nur Administration, Trainings und Workshops. 

Außerdem müssen die Zivilgesellschaften sich vernetzen und die Nord-Süd Kooperation auf internationaler Ebene stärken. Die bisherigen COP-Treffen waren ein guter Anfang. Diese Vernetzung müssen wir jetzt weiter vorantreiben und eine gemeinsame Stimme finden. Ich weiß, dass es einige Differenzen wegen unterschiedlicher Hintergründe und Erfahrungen gibt, aber es ist notwendig für uns, dass die Zivilgesellschaften der Länder des Nordens genau beobachten was im Globalen Süden passiert.

Die nächste Gelegenheit sich zu treffen, könnte die nächste COP im November in Bonn sein. Werden Sie teilnehmen und wenn ja, was erwarten Sie?

Die COP Treffen sind für uns eines der wichtigen Arbeitsfelder, aufgrund der bereits erwähnten internationalen Vernetzung. Aber uns interessiert auch, was vor und nach den Treffen passiert. Wir wissen, dass die Regierungen oftmals mit fertigen Positionen in die Treffen gehen, die sie dann nur noch minimal verändern. Daher ist es wichtig vorher Einfluss zu nehmen und nachher sicher zu stellen, dass auch alles umgesetzt wird. Wenn Länder des Nordens etwas zugesagt haben, ist es die Aufgabe deren Zivilgesellschaften, auch der Deutschen, ihre Regierungen unter Druck zu setzen. Danach werden wir unsere Rolle in unseren Ländern spielen.